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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Marseille

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Marseille (Stadtteile, Straßen, Plätze, Bauwerke).

gegenüberliegenden Seite des Hafens, die im Mittelalter um die Abtei St.-Victor angelegt ward; endlich, beide Stadtteile verbindend, die allmählich herangewachsene Neustadt, welche sich südlich an den vom Fort Notre Dame de la Garde gekrönten Hügel anlehnt und von den beiden andern Stadtteilen durch eine lange Verkehrsader getrennt wird, die nacheinander die Namen Rue d'Aix, Cours Belzunce, Cours St.-Louis und Rue de Rome trägt und mit schönen Baumreihen bepflanzt ist. Während des Baues des Hafens Joliette wurde der nördlich von der Stadt gelegene Hügel, auf welchem das alte Lazarett stand, abgetragen und an seiner Stelle sowie auf dem dem Meer abgewonnenen Terrain ein weiterer Stadtteil nördlich von der ältern Stadt angelegt, welcher die eigentliche Seestadt bildet. Die große, breite Rue de la République zieht sich mitten durch diesen Stadtteil und verbindet den alten mit dem neuen Hafen. Die schönste Straße in der eigentlichen Stadt ist die vom Ende des alten Hafens quer über die oben erwähnte große Verkehrsader in die Neustadt führende Straße La Cannebière, der Stolz der Marseiller ("Si Paris avait une Cannebière, Paris serait un petit Marseille", sagt ein Sprichwort der Marseiller), zugleich öffentlicher Platz, Bazar und Spaziergang. Die Straßen von M. sind im allgemeinen breit, mit guten Trottoirs versehen und mit schönen Gebäuden besetzt; die öffentlichen Plätze sind regelmäßig und geräumig angelegt. Die bedeutendsten der letztern sind: Place de la Bourse, ziemlich in der Mitte der Stadt, Place St.-Michel, auf dem Plateau im O. der Stadt, Place de St.-Ferréol, Place Neuve, der Platz des Justizpalastes, mit einer Statue des Redners Berryer, u. a. Die schönsten Straßen und Plätze sind in der Neustadt gelegen, welche sich von Tag zu Tag vergrößert. Zugleich wird die Stadt, welche früher durch ihre Unreinlichkeit verrufen war, sauber und gesund. Eine 83 km lange Wasserleitung mit großartigen Kunstbauten (darunter der 3700 m lange Tunnel durch die Gebirgskette Taillades und der imposante Aquädukt von Roquefavour, welcher aus drei übereinander stehenden Arkadenreihen zusammengesetzt ist und in einer Länge von 382 m über das Arcthal hinwegsetzt) führt der Stadt Wasser von der Durance (9000 Lit. in der Sekunde) zu und ist durch 400 Brunnen und 1800 Auslaufstellen der Bevölkerung zugänglich gemacht.

[Bauwerke.] An hervorragenden öffentlichen Gebäuden, namentlich aus früherer Zeit, ist M. nicht sehr reich. Doch sind unter den Kirchen zu erwähnen: die neue Kathedrale (auf hoher Terrasse an Stelle der demolierten alten Bischofskirche erbaut), eine Basilika im byzantinischen Stil, und die alte berühmte Wallfahrtskapelle Notre Dame de la Garde, 1214 auf dem gleichnamigen von einem Fort gekrönten Hügel erbaut, jetzt ebenfalls durch einen größern, in romanischem Stil aufgeführten Neubau ersetzt. Der letztere, welcher 1864 eingeweiht wurde, zeichnet sich durch eine große Vorhalle, einen Glockenturm von 45 m Höhe, im Innern durch die Verkleidung mit weißem karrarischen Marmor und eine schöne Kuppel aus. Von der Terrasse und der Turmgalerie genießt man die wundervollste Aussicht auf die malerisch gelegene Stadt, das Meer, die Inseln und die Berge umher. Bemerkenswerte Kirchen sind ferner: Notre Dame du Mont Carmel in der alten Stadt; St.-Victor, das Überbleibsel der ehemaligen Abtei gleiches Namens, mit alter unterirdischer Kapelle und Katakomben; die moderne Kirche St.-Joseph und die neue gotische Kirche St.-Vincent. Auch die protestantische Kirche ist ein hübsches modernes Gotteshaus. Andre interessante Bauwerke sind: das Stadthaus mit Skulpturen von Puget; der Justizpalast, 1858-62 erbaut, mit schönem Saal (des Pas Perdus); der neue bischöfliche Palast; das Präfekturgebäude mit reichgeschmückter Fassade (Reiterstandbild Ludwigs XIV.) und schönen Prachtgemächern; die Börse (1854-60 an der Rue Cannebière erbaut) mit reicher ornamentaler Verzierung und einem 1120 qm fassenden Hauptsaal; das große Theater (von 1784), im Innern neuerlich restauriert; der Triumphbogen an der Rue d'Aix, mit Skulpturen von David d'Angers und Ramey; das Fort St.-Jean am Eingang des alten Hafens und das gegenüberliegende Fort St.-Nicolas, in dessen Nähe sich auch auf einer ins Meer vorspringenden Anhöhe das ehemals kaiserliche Château du Pharo befindet; ferner das prächtige, im Renaissancestil erbaute Palais de Longchamp am Ostende des gleichnamigen Boulevards (1869 vollendet), mit 2 Pavillons, in welchen das naturhistorische Museum und die Gemäldegalerie untergebracht sind, dann einem Mittelbau mit schöner Fontäne; endlich der Neubau der Kunstschule, das große Schlachthaus, die Markt- und die Fischhallen. Die beliebtesten Spaziergänge sind im Innern der Stadt: die Allée Meilhan; der Boulevard Longchamp, welcher in dem zoologischen Garten endet, 1855 eröffnet, 6 Hektar umfassend, von schöner Anlage; der Cours Belzunce, mit einer 1852 errichteten Bronzestatue des Bischofs Belzunce, welcher sich während der Pest 1702 hilfreich erwies; der Cours Pierre Puget, gleichfalls in einen schönen, auf felsiger Anhöhe gelegenen öffentlichen Garten auslaufend, in welchem eine Säule die Büste Napoleons I. trägt.

^[Abb.: Karte der Umgebung von Marseille.]