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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Materialsteuer; Materialwaren; Materĭa medĭca; Materiation; Materĭe

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Materialsteuer - Materie.

ähnlichen Stoffen eingeführt. Zugleich ist man in der Lage, mit Hilfe dieser Beziehung und entsprechender Prüfungsapparate selbst die Festigkeit der feinsten vegetabilischen und animalischen Organe zu untersuchen und in Vergleich zu setzen. Vgl. Dammer, Lexikon der Verfälschungen etc. (Leipz. 1887).

Materialsteuer, die nach der Menge der verbrauchten Rohstoffe bemessene Aufwandsteuer (s. d.).

Materialwaren, in Nord- und Mitteldeutschland alle Waren, welche die Hauptartikel unsrer gewöhnlichen Kleinhandlungen ausmachen (Kolonialwaren, Gewürze, Zucker etc.). In Süddeutschland nennt man diese Waren häufiger Spezereiwaren und versteht unter M. die Droguen (s. d.) und Farbewaren.

Materĭa medĭca (lat.), Arzneimittelkunde.

Materiation (lat.), Stoffbildung.

Materĭe (lat. materia), im allgemeinen gleichbedeutend mit Stoff, also im Gegensatz zur Form zunächst das Sachliche, Gegenständliche, der Inhalt im Unterschied von der Art und Weise der Erscheinung, Gestaltung, Behandlung der Darstellung. In diesem Sinn spricht man im gewöhnlichen Leben von der Behandlung oder Bearbeitung einer bestimmten M. oder unterscheidet die Form des Kunstwerks von seinem Stoff. Im philosophischen (metaphysischen) Sinn bezeichnet M. den Grund- und Urstoff der Körperwelt, insofern er derselben gleichartig, d. h. selbst körperlich, und daher wie diese ein Gegenstand (zwar nicht unmittelbarer, aber mittelbarer) sinnlicher Erfahrung ist. Folge davon ist, daß gewisse Formen der Metaphysik (s. d.), nämlich die nihilistische, welche gar keine Realität, die idealistische, welche das (unendliche oder endliche vorstellende) Ich als einzige Realität, die spiritualistische, welche nur geistige Realität, die Identitätslehre, welche Geist und M. nur als verschiedene Auffassungsweisen ("Attribute", Ansichten) derselben (an sich weder geistigen noch materiellen) Realität kennt, ebenso wie die M. des Kritizismus, welcher die Qualität des Realen ("des Dinges an sich") als unbekannt und unerkennbar (jedenfalls also nicht als M.) ansieht, der M. die wahre Realität absprechen und derselben höchstens den "Schein" einer solchen (M. als "Attribut" der Substanz, M. als "Phänomen des Geistes", M. als "verworrene Vorstellung", M. als "Erscheinung des Dinges [oder der Dinge] an sich") zugestehen. Da dieser Auffassung zufolge die M. nichts Wesenhaftes, sondern ein bloßes "Scheinwesen" (phaenomenon) ist, so läuft, mit alleiniger Ausnahme der Erkenntnis dieser ihrer "Scheinnatur", das ganze Wissen von der M. (Physik) auf Wissen von "Scheinwesen" hinaus, das als solches mit "Scheinwissen" identisch ist. Andre Formen der Metaphysik, wie die dualistische, welche M. neben und außerdem Geist als Realität, die materialistische, welche M. als einzige Realität anerkennt, sowie die (empirische) Physik; welche dieselbe als Realität ansieht, ohne die Frage entscheiden zu wollen, ob es außer derselben noch eine andre gebe, sprechen derselben nicht bloß den "Schein" der Realität, sondern wirkliche Realität zu und betrachten das Wissen von derselben als Wissen von wahrem, nicht "Schein"-Wesen, nicht als Schein-, sondern als wirkliches Wissen. Aus diesen entgegengesetzten Anschauungen von der M. erklärt es sich, warum die einen (die Physiker, materialistischen und dualistischen Metaphysiker) die Erklärung der verschiedenen (physikalischen, chemischen, biologischen) Erscheinungen aus der M., die andern (die nihilistischen, idealistischen, spiritualistischen, Identitäts- und kritischen Metaphysiker) die Erklärung des Scheins der M. zu ihrer Aufgabe machen. Da nun der Schein eines Objekts jederzeit ein Subjekt voraussetzt, dem er "scheint", so ist die Aufgabe, welche die letztgenannten sich setzen, wesentlich eine psychologische, jene der erstgenannten dagegen eine physikalische und physiologische. Die M. als Realität kann aber entweder (mechanisch) als (toter) Stoff ohne (thätige) Kraft, oder (dynamisch) als (thätige) Kraft ohne Stoff, oder (hylozoistisch) als Kraft und Stoff ("keine Kraft ohne Stoff, kein Stoff ohne Kraft"), d. h. als kraftbegabter Stoff, der Stoff selbst aber kann entweder (monistisch) als (ins Unendliche teilbares und geteiltes) Kontinuum oder (atomistisch) als aus letzten (nicht weiter geteilten oder nicht weiter teilbaren) und durch leere Zwischenräume getrennten Elementarteilchen (Korpuskeln, Molekülen, physikalischen oder chemischen Atomen) zusammengesetztes Diskretum gedacht werden. Die konstituierenden Eigenschaften der M. aber können keine andern sein als diejenigen, welche allen Körpern ohne Unterschied zukommen. Als eine solche betrachteten z. B. unter den Alten Thales die Feuchtigkeit, Anaximenes die Luftartigkeit, Heraklit die Veränderlichkeit, Empedokles und Anaxagoras die Zusammengesetztheit aus der Beschaffenheit, Leukippos und Demokritos als solche aus der Gestalt nach verschiedenen Bestandteilen, Platon das Nichtsein, Aristoteles das Möglichsein, Descartes und Spinoza die Ausdehnung, Newton die Schwere etc. Die hylozoistische (monistische) Auffassung der M. bei den ionischen Naturphilosophen machte bei Anaxagoras, Platon, Aristoteles, Descartes der (monistischen) mechanischen, bei Newton und den französischen Materialisten, die jedes Teilchen der M. als mit Anziehungs- und Abstoßungskraft begabt ansahen, wieder der (atomistisch-) hylozoistischen, bei Kant und seinen idealistischen Nachfolgern (Schelling, Hegel) der dynamischen (monistischen) Auffassung Platz, nach welcher M. das Produkt in Spannung versetzter entgegengesetzter Kräfte sein sollte. Die moderne Physik und der moderne Materialismus sind zu der (atomistisch-) hylozoistischen Hypothese kraftbegabter Elementarstoffteile zurückgekehrt. Vgl. Dynamismus und Atomismus.

Die unter den heutigen Physikern und Chemikern verbreitetste Anschauung über die Konstitution der M., wie sie sich aus den atomistischen Theorien von Laplace, Ampère, Poisson, Cauchy, Redtenbacher etc. vermöge der neuesten Fortschritte der Chemie und Physik entwickelt hat, läßt sich etwa in folgender Weise zusammenfassen. Die M. besteht aus sehr kleinen, physisch nicht weiter teilbaren Teilchen oder Atomen; jedes Atom ist unveränderlich an Masse, Volumen und Gestalt; es gibt so viele verschiedene Arten von Atomen, als es chemische Elemente gibt. Die Atome ziehen sich gegenseitig an, bei größerm Abstand nach dem umgekehrten Verhältnis des Quadrats der Entfernung (Gravitation), bei sehr kleinem Abstand in viel größerm Verhältnis; die letztere Anziehungskraft ist nur in unmeßbar kleiner Entfernung thätig, für größere Entfernungen wird sie unmerklich. Durch diese Anziehungskraft, welche chemische Anziehung oder Affinität genannt wird, werden die Atome zu gesetzmäßig aufgebauten Atomgruppen oder Molekülen verbunden, wogegen letztere durch die zwischen ihnen wirksame Anziehung (Kohäsion) zu einem Körper vereinigt werden. Bei physikalischen Vorgängen bleibt das Molekül unversehrt, während chemische Wirkungen in den Bau desselben verändernd eingreifen. Außer