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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Mecklenburg

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Mecklenburg (Verfassung und Verwaltung).

Bausteine, Zucker, Kaffee, Wein, Bier, Heringe, Käse, Tabak, Manufaktur- und Industrieerzeugnisse. In M.-Strelitz besteht die Ausfuhr ebenfalls größtenteils in Natur- und landwirtschaftlichen Produkten. M.-Schwerin besitzt gegenwärtig 1600, M.-Strelitz 321 km Chausseen. In ersterm haben die Eisenbahnen eine Länge von 771 km, in letzterm von 181 km. M.-Schwerin hat eine sehr ansehnliche Reederei. Nach amtlichen Angaben besaß Rostock Ende 1885: 298 Seeschiffe von 98,854 Ton. und 5 Nachprahmer und Lichter von 170 T., zusammen 303 Schiffe von 99,024 T.; Wismar 44 Seeschiffe von 23,397 cbm. 1886 liefen zu Warnemünde (Rostock) 986 Schiffe ein und 995 aus, während zu Wismar 467 Schiffe ein- und 470 ausliefen. Als Förderungsmittel für Handel und Verkehr sind zu nennen: die Bank zu Rostock, die Lebensversicherungs- und Sparbank, die Bodenkreditbank zu Schwerin, welche Geldgeschäfte aller Art vermitteln, aber keine Noten ausgeben. Sparkassen gab es Ende 1886 in M.-Schwerin 36, in M.-Strelitz 9, zusammen mit einer Geldeinlage von über 35 Mill. Mk.

[Verfassung und Verwaltung.] Beide Großherzogtümer haben gemeinschaftliche Landstände. Das Grundgesetz ist der Erbvergleich vom 18. April 1755, vereinbart zwischen dem Herzog von M.-Schwerin und seinen Ständen, dem M.-Strelitz durch die Agnitionsakte vom 30. Sept. 1755 beitrat. In M.-Schwerin ist gegenwärtig Regent Großherzog Friedrich Franz III. (seit 15. April 1883), in M.-Strelitz Großherzog Friedrich Wilhelm (seit 6. Sept. 1860). In beiden Ländern ist der Thron nach dem Rechte der Erstgeburt und nach der Linealerbfolge im Mannesstamm erblich. Beide großherzogliche Häuser sind durch Hausverträge von 1701 und 1755 verbunden, und es succediert im Fall des Aussterbens der einen Linie die andre. Beim Erlöschen beider Häuser geht die Thronfolge auf Preußen über. Nach dem Hausgesetz vom 23. Juni 1821 tritt die Volljährigkeit des Großherzogs in beiden Ländern mit vollendetem 19. Lebensjahr ein. Beide Großherzöge bekennen sich zur evangelisch-lutherischen Kirche. Obwohl alle Staatsbürger vor dem Gesetz gleich und allen die Staatsämter auf gleiche Weise zugänglich sind, so haben doch die Rittergutsbesitzer, adlige und bürgerliche, große Real- und Personalvorrechte. Sie besitzen das Landstandsrecht, die Jagdgerechtigkeit und oft auch das Patronatsrecht. Leibeigenschaft und Gutsunterthänigkeit sind 1824 aufgehoben worden. Die Landstände beider Großherzogtümer bilden seit 1523 eine gemeinschaftliche Körperschaft, die "Landesunion", und bestehen aus der Ritterschaft, zu der alle Besitzer ritterschaftlicher Hauptgüter in dem Mecklenburgischen, Wendischen und Stargardschen Kreis gehören, und der Landschaft, welche 48 landtagsfähige Städte umfaßt. Von der Ritterschaft werden zugleich die Bauern und Hintersassen, von der Landschaft die Bürger der Städte repräsentiert. Beide Stände, Ritter und Landschaft, gliedern sich nach den Kreisen, dem Mecklenburgischen, Wendischen und Stargardschen. Außerhalb der ständischen Verfassung stehen das Fürstentum Ratzeburg und die Städte Wismar und Neustrelitz, welche daher nicht auf dem Landtag vertreten sind. Die Zahl der Gutsherren, welche gegenwärtig Mitglieder der Ritterschaft sind, beträgt im Mecklenburgischen und Wendischen Kreis 631, worunter 295 bürgerliche, im Stargardschen Kreis 49, worunter 17 bürgerliche. An der Spitze der Ritterschaft stehen 3 Erblandmarschälle, je einer für jeden Kreis. Zur Landschaft gehören die Stadt Rostock, 20 Städte im Mecklenburgischen, 20 im Wendischen und 7 im Stargardschen Kreis. Die Ausübung des landstandschaftlichen Rechts geschieht hier durch die Magistrate und zwar durch die Bürgermeister. Jeder Gutsbesitzer hat dasselbe Stimmrecht wie jede einzelne Stadt, doch kann die Landschaft sich zu besonderer Beschlußfassung vereinigen (itio in partes). Das Direktorium der Landschaft führen die drei Vorderstädte, Parchim für den Mecklenburgischen, Güstrow für den Wendischen und Neubrandenburg für den Stargardschen Kreis, dasjenige der Ritterschaft die 3 Landmarschälle und 8 Landräte. Die Landtage werden alljährlich im Spätherbst abwechselnd in den Städten Sternberg und Malchin auf Berufung von seiten der beiderseitigen Landesherren abgehalten. Außerhalb des Landtags vertritt ein engerer Ausschuß von 9 Mitgliedern, nämlich aus 2 Landräten, 4 landschaftlichen und 3 ritterschaftlichen Deputierten bestehend, als ein die gesamte Ritter- und Landschaft vorstellendes, permanentes Kollegium, welches zu Rostock seinen Sitz hat, die gesamten Stände, solange diese nicht versammelt sind. Als repräsentatives Kollegium für private ritterschaftliche Angelegenheiten besteht noch ein engerer Ausschuß der Ritterschaft, ebenfalls zu Rostock. Von den Landtagen verschieden sind die sogen. Konvokations- und Deputationstage: jene sind ad hoc berufene Versammlungen der Stände eines oder des andern der beiden Staaten zur Verhandlung wichtiger und eiliger Sonderangelegenheiten; diese werden aus von den Ständen zu Landeskonventen und gemeinsamen Angelegenheiten Deputierten gebildet, welche nach Bedürfnis zu nicht von der Landesherrschaft ausgeschriebenen Zusammenkünften, und zwar zu allgemeinen Landeskonventen und zu besondern Kreis- und Amtskonventen, zusammentreten. Was die Gemeindeverfassung betrifft, so gibt es außer in den Städten nur noch in dem landesherrlichen Domanium Gemeinden, von denen letztere nur für innere Gemeindeangelegenheiten bestimmt sind; sonst bestehen ländliche Gemeinden bloß in kirchlicher Beziehung. In den Städten ist die Gemeindeverfassung sehr verschieden, namentlich genießen Rostock und Wismar bedeutende Vorrechte. In den Landstädten stehen 1-2 Bürgermeister und das Ratskollegium (Magistrat) an der Spitze der Verwaltung, in den Domanialgemeinden Schulzen, Schöffen und Beiräte. Zur Vertretung der Bürgerschaft wird ein Bürgerausschuß durch Wahl aus der Mitte der Bürger gebildet. Die herrschende Staatskirche ist in ganz M. die evangelisch-lutherische; die reformierte und katholische Konfession werden in kirchlicher Beziehung nur geduldet. Die obersten kirchlichen Behörden sind der Oberkirchenrat für M.-Schwerin und das Konsistorium für M.-Strelitz.

Die oberste Leitung der verschiedenen Zweige der Staatsverwaltung haben im Großherzogtum M.-Schwerin vier Ministerien (für die auswärtigen Angelegenheiten, für das Innere, für die Justiz, welches zugleich die geistlichen und Schulangelegenheiten umfaßt, und für die Finanzen), die nach der Verordnung vom 10. Okt. 1849 errichtet worden sind, und deren Vorstände das Staatsministerium bilden. Die großherzogliche Militärverwaltung gehört in das Ressort des Militärdepartements, welches unmittelbar unter dem Großherzog steht. Im Großherzogtum M.-Strelitz ist das Staatsministerium zu Neustrelitz die höchste Behörde, repräsentiert durch einen Staatsminister. Der Geschäftskreis der Ministerien wurde in M.-Schwerin durch die landesherrliche Verordnung vom 4. April 1853 näher bestimmt.