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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Menzel

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Menzel.

Menzel, 1) Friedrich Wilhelm, Kanzlist in dem königlich sächsischen Kabinett, geb. 1726 zu Dresden, ließ sich 1753 durch Bestechung bewegen, dem preußischen Gesandten Abschriften der geheimen Korrespondenz zwischen Sachsen, Österreich und Rußland über die gegen Preußen gerichteten Verhandlungen zu liefern, die er sich durch Nachschlüssel aus den Behältnissen des Staatsarchivs verschaffte. Als der Verrat entdeckt wurde, ergriff M. die Flucht, wurde aber in Prag festgenommen und büßte denselben, nachdem ihm 1757 in Warschau der Prozeß gemacht worden, durch lebenslange strenge Haft auf dem Königstein. Er starb im Mai 1796.

2) Karl Adolf, deutscher Geschichtschreiber, geb. 7. Dez. 1784 zu Grünberg in Niederschlesien, studierte zu Halle erst Theologie, sodann Philosophie, Philologie und namentlich Geschichte, wurde 1809 zum außerordentlichen Professor, 1814 zum Prorektor am Elisabethanum zu Breslau sowie zum Bibliothekar der Rhedigerschen Bibliothek und 1824 zum Konsistorial- u. Schulrat ernannt. Seit April 1855 emeritiert, starb er 19. Aug. d. J. in Grünberg. Von seinen Schriften sind hervorzuheben: "Geschichte der Deutschen" (Bresl. 1811-23, 8 Bde.); "Neuere Geschichte der Deutschen von der Reformation bis zur Bundesakte" (das. 1826-1848, 12 Bde.; 2. Aufl., das. 1854-55, 6 Bde.), ein Werk, das besonders die kirchlich-politischen Zustände des deutschen Volkslebens behandelt; "Topographische Chronik von Breslau" (das. 1805-1807, 2 Bde.); "Geschichte Schlesiens" (das. 1807-10, 3 Bde.); "Geschichte Friedrichs II." (Berl. 1824-25, 2 Bde.), als Fortsetzung zu Beckers "Weltgeschichte", für welche er auch die Jahre 1815-37 behandelte: "Zwanzig Jahre preußischer Geschichte, 1786-1806" (das. 1849). Menzels Werke, auf Quellenstudium gegründet, obwohl von der neuern Forschung meist überholt, zeichnen sich durch gewandte Darstellung aus. Aus seinem Nachlaß gab H. Wuttke heraus: "Religion und Staatsidee in der vorchristlichen Zeit" (Leipz. 1872).

3) Wolfgang, Kritiker und Litterarhistoriker, geb. 21. Juni 1798 zu Waldenburg in Schlesien, bezog 1814 das Elisabethanum zu Breslau, folgte 1818 als ein begeisterter Turner Jahn nach Berlin und studierte dann zu Jena, wo er der Burschenschaft beitrat, seit 1819 in Bonn Philosophie und Geschichte. Nachdem er hierauf 1820-24 als erster Lehrer an der Stadtschule in Aarau gewirkt, begab er sich 1825 nach Heidelberg, darauf nach Stuttgart, wo er von 1826 bis 1848 (dann wieder kurze Zeit seit 1852) das Litteraturblatt zum "Morgenblatt" redigierte. Selbständig erschien sein "Litteraturblatt" bis 1869. Seit 1830 wiederholt in die württembergische Ständeversammlung gewählt, stand er mit Uhland, Schott und Pfizer auf der Seite der Opposition, mit welcher er auch, da sie all ihre Bemühungen erfolglos sah, 1838 austrat, um seine Thätigkeit ganz der Litteratur zuzuwenden. Er starb 23. April 1873 in Stuttgart. M. machte sich auf dem litterarischen Gebiet zuerst durch seine "Streckverse" (Heidelb. 1823) bekannt, welche sich durch witzige Originalität auszeichnen. In den "Europäischen Blättern" (Zürich 1824-25), die er mit Troxler, List, L. A. Follen und Mönnich herausgab, sowie in seinem Werk "Die deutsche Litteratur" (Stuttg. 1827, 2 Bde.; 2. Aufl. 1836, 4 Bde.) griff er Goethe und dessen Einfluß, späterhin das "junge Deutschland" heftig an und veranlaßte dadurch das Verbot der Schriften des jungen Deutschland durch den Deutschen Bund, was M. in den unverdienten Ruf eines Denunzianten brachte. Seine "Geschichte der Deutschen" (Zürich 1824-25, 3 Bde.; 6. Aufl., Stuttg. 1872-73) ist für das größere Publikum und für Schüler geschrieben. Die Julirevolution hatte ihn zum entschiedenen Gegner der Franzosen und der sich zu ihnen hinneigenden und Deutschland verhöhnenden deutschen Schriftsteller, namentlich Heines und Bornes, gemacht, welch letzterer sich durch seine Schrift "M., der Franzosenfresser" (Par. 1837) rächte. Die "Geschichte Europas", von 1789 bis 1815 (Stuttg. 1853, 2 Bde.; 2. Aufl. 1866), und "Geschichte der letzten 40 Jahre" (das. 1857, 2 Bde.; 3. Aufl. 1865) bekunden seine Hinneigung zu streng monarchischen Grundsätzen, die in der Folge immer stärker hervortrat, zugleich aber seine echt nationale Gesinnung. Diese bewährte er, namentlich seit die Frage der deutschen Einigung 1859 brennend wurde, in den Schriften: "Die letzten 120 Jahre der Weltgeschichte 1740-1860" (Stuttg. 1860, 6 Bde.); "Allgemeine Weltgeschichte" (das. 1862-63, 12 Bde.; in 4 weitern Bänden bis 1870 fortgeführt); "Preußen und Österreich im Jahr 1866" (das. 1866); "Der deutsche Krieg im Jahr 1866" (das. 1867, 2 Bde.); "Unsre Grenzen" (das. 1868); "Was hat Preußen für Deutschland gethan?" (das. 1870); "Geschichte des französischen Kriegs von 1870" (das. 1871, 2 Bde.); "Roms Unrecht" (Stuttg. 1871); "Geschichte der neuesten Jesuitenumtriebe in Deutschland" (das. 1873). Als Dichter hat er sich besonders in den dramatischen Märchen: "Rübezahl" (Stuttg. 1829) und "Narcissus" (das. 1830) und in dem Roman aus der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs: "Furore" (Leipz. 1851, 2 Bde.) versucht. Außerdem schrieb er: "Mythologische Forschungen und Sammlungen" (Stuttg. 1842); "Die Gesänge der Völker" (Leipz. 1850); "Christliche Symbolik" (Regensb. 1854, 2 Bde.); "Zur deutschen Mythologie: Odin" (Stuttg. 1855); "Die Naturkunde, in christlichem Geist aufgefaßt" (das. 1856, 3 Bde.); "Die deutsche Dichtung von der ältesten bis auf die neueste Zeit" (das. 1858-59, 3 Bde.; 2. Aufl. 1875); "Kritik des modernen Zeitbewußtseins" (Frankf. 1869, 2. Aufl. 1873); "Die vorchristliche Unsterblichkeitslehre" (Leipz. 1869, 2 Bde.). Aus seinem Nachlaß erschienen "Denkwürdigkeiten" (Bielef. 1876) und "Nachgelassene Novellen" (Thalweil 1885, Bd. 1).

4) Adolf, Maler, Radierer, Lithograph und Zeichner, geb. 8. Dez. 1815 zu Breslau, kam 1830 nach Berlin, besuchte dort kurze Zeit die Akademie, verließ dieselbe aber bald, da er auf eignen Erwerb durch Anfertigung von Lithographien angewiesen war. Schon 1833 trat er mit sechs lithographischen Blättern von geistvoller Erfindung und eigenartiger, realistischer Formengebung unter dem Titel: "Künstlers Erdenwallen" hervor. 1837 erschien von ihm lithographiert ein Cyklus von zwölf Blättern aus der brandenburgischen Geschichte. 1836 führte er sein erstes Ölgemälde: die Schachspieler, aus, dem 1837 die Rechtskonsultation, die Toilette und ein Weltgeistlicher und ein Mönch folgten. 1839 brachte er es bereits zu einem figurenreichen Gemälde dramatisch bewegten Inhalts, dem Gerichtstag: Das eigentliche Feld seiner Thätigkeit fand er aber erst mit den 400 Illustrationen, welche er 1839-42 zu Kuglers "Geschichte Friedrichs d. Gr." lieferte. Diese Zeichnungen fesseln durch Reichtum an Originalität und Humor, und gleich bewundernswert ist das dramatische Leben und die frappierende Wahrheit der Gestalten wie die historische Treue, die sich in der genauesten Beobachtung der Kostüme ausspricht. Durch die Ausführung der Zeichnungen in Holzschnitt, welche unter seiner Überwachung und unter seinem Einfluß erfolgte, übte M. zugleich eine entscheidende Einwirkung auf