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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Metternich

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Metternich.

berg angekauft wurde. Jetzt gehören der Familie M. die Herrschaften Königswart und Plaß in Böhmen, die Herrschaft Kojetein in Mähren und die übrigen Allodialgüter, am Rhein die Güter Gramme, Bornbach, Oberehe, Reinhardsstein und Johannisberg und am Bodensee das Gut Hersberg. Die namhaftesten Glieder des Geschlechts sind:

1) Franz Georg Karl, Fürst von, geb. 9. März 1746 zu Koblenz, ward schon 1768 mit einer politischen Mission nach Wien betraut und hier durch Kaunitz' Einfluß zum ständigen trierschen Gesandten ernannt, war 1790 Wahlbotschafter bei der Wahl und Krönung Leopolds II., 1791-94 dirigierender Minister in den Niederlanden, dann österreichischer Prinzipalkommissarius bei dem Rastatter Kongreß und, nachdem er 1803 die reichsfürstliche Würde erhalten, 1810 für seinen Sohn stellvertretender Minister des Auswärtigen. Er starb 11. Aug. 1818.

2) Klemens Lothar Wenzel, Fürst von, österreich. Staatsmann, Sohn des vorigen, geb. 15. Mai 1773 zu Koblenz, machte seine Studien 1788 bis 1790 zu Straßburg und, nachdem er im Oktober 1790 bei der Krönung Leopolds II. als Zeremonienmeister des katholischen Teils des westfälischen Grafenkollegiums fungiert, noch bis 1794 zu Mainz. 1795 vermählte er sich mit der Gräfin Eleonore Kaunitz, einer Enkelin des großen Staatskanzlers, wodurch er ansehnlichen Güterbesitz erwarb. Seine diplomatische Laufbahn eröffnete er 1797 beim Rastatter Friedenskongreß als Gesandter des westfälischen Grafenkollegiums. 1801 ward er kaiserlicher Gesandter am kursächsischen Hof in Dresden und im Winter 1803 zu Berlin, wo er 3. Nov. 1805 während des dritten Koalitionskriegs gegen Frankreich den Allianzvertrag zwischen Österreich, Preußen und Rußland unterschrieb. Seit 1806 Gesandter in Paris, erwirkte er 10. Okt. 1807 in dem Vertrag von Fontainebleau eine für Österreich günstige Ausführung des Preßburger Friedens. Bei Ausbruch des Kriegs von 1809 wurde er von Napoleon zurückgehalten und erst 2. Juli an die österreichischen Vorposten ausgeliefert. Nach der unglücklichen Schlacht bei Wagram ward er vom Kaiser Franz erst provisorisch, bald (8. Okt.) aber definitiv an Stadions Stelle mit dem Auswärtigen Ministerium betraut, das er über 38 Jahre unausgesetzt verwalten sollte. Man erwartete damals nicht viel von ihm; er galt für einen Vertreter der französischen Partei in Österreich, war es aber nur insofern, als er es geraten fand, sich im Einvernehmen mit Frankreich zu halten, dadurch ein russisch-französisches Bündnis zu verhindern und Österreichs von diesen beiden Mächten umworbene Stellung nach Möglichkeit für seine Vergrößerung auszunutzen. Deutschnationale Gefühle waren dem frivolen Diplomaten fremd; aber gerade das erleichterte ihm seine neutrale, vermittelnde Haltung, namentlich nach der Katastrophe von 1812. Unberührt von dem nationalen Aufschwung des Jahrs 1813, hielt er nach dem mißlungenen Frühjahrsfeldzug der Alliierten seine Zeit gekommen, um die Kraft Österreichs in die Wagschale zu werfen und einen für dieses günstigen Frieden zwischen den geschwächten Gegnern zu vermitteln. Nachdem nach einer Zusammenkunft Metternichs mit dem Kaiser Alexander I. zu Opotschna an der schlesisch-böhmischen Grenze Anfang Juni 1813 die Verbündeten die Vermittelung Österreichs angenommen hatten, begab sich M. nach Dresden zu Napoleon I., mit dem er 28. Juni die denkwürdige Unterredung hatte, in der Napoleon Österreich und M. mit Schmähungen überhäufte, und aus der M. erkannte, daß Napoleon in seinem verblendeten Übermut selbst die österreichischen Friedensbedingungen, die ihm das französische Kaiserreich ohne Illyrien, Italien und den Rheinbund ließen, nicht annehmen würde. Mit meisterhaftem Geschick erreichte er es aber, daß die Verbündeten, um Österreich zu gewinnen, ihm die weitgehendsten Zugeständnisse machten und er selbst, als Österreich 11. Aug. an Frankreich den Krieg erklärte und sich in der Quadrupelallianz 9. Sept. den Alliierten anschloß, die einflußreichste Rolle im Rate der letztern spielen konnte. In der Absicht, Frankreich nicht völlig zu Baden zu werfen, vor allem aber Preußen nicht zu mächtig werden zu lassen, durchkreuzte er durch den Vertrag von Ried 8. Okt. mit Bayern Preußens deutsche Politik und hinderte durch immer erneute Anknüpfung von Friedensverhandlungen stets die energische Ausbeutung der von Preußen und Rußland errungenen kriegerischen Erfolge. Er behielt durch seine Geschicklichkeit immer die Fäden der Politik in der Hand und verschaffte Österreich einen im Vergleich zu seinen Leistungen übermäßigen Einfluß auf die Dinge. Daher hatte M. seine Erhebung in den erblichen Fürstenstand (20. Okt. 1813) und die Schenkung des Johannisbergs um Kaiser Franz wohlverdient. Ihm wurden von den Verbündeten die Verhandlungen mit dem Grafen von Artois übertragen, die er, nachdem der Graf in Nancy eingetroffen war, von Dijon aus leitete. Im Namen der verbündeten Mächte unterzeichnete M. in Paris die mit Napoleon I. zu Fontainebleau getroffene Übereinkunft sowie den Frieden vom 30. Mai. Darauf begab er sich mit den Ministern Preußens und Rußlands nach England, wo er von der Oxforder Universität die Doktorwürde empfing und 29. Juni eine neue Quadrupelallianz abschloß, und führte auf dem Wiener Kongreß den Vorsitz. Hier übte er inmitten der sich bekämpfenden und durchkreuzenden Interessen einen herrschenden Einfluß aus, verschaffte Österreich nicht nur eine bedeutende Vergrößerung und eine abgerundete Grenze, sondern auch die Herrschaft über das zerstückelte Italien und das durch die Errichtung des Deutschen Bundes mehr gelähmte als gekräftigte Deutschland und begründete das auf dynastischen Interessen beruhende europäische Staatensystem, welches aufrecht zu erhalten fortan sein Streben war. Dabei versäumte er nicht, seinen Privatvorteil wahrzunehmen, und erhielt von fremden Mächten reiche Geschenke, von Rußland eine Pension sowie nach der zweiten Vertreibung Napoleons und dem Abschluß des zweiten Pariser Friedens, den M. 20. Nov. 1815 unterzeichnete, große Belohnungen von den wieder eingesetzten Fürsten. Der König beider Sizilien ernannte M. 1818 zum Herzog von Portella mit einer Dotation von 60,000 Ducati sowie der König von Spanien 1826 zum Granden erster Klasse mit dem Titel eines Herzogs. Am Monarchenkongreß zu Aachen nahm M. als österreichischer Bevollmächtigter teil, und 1819 präsidierte er dem Kongreß zu Karlsbad. Ebenso war er bei dem deutschen Ministerkongreß zu Wien und bei den Kongressen zu Troppau 1820, zu Laibach 1821 und zu Verona 1822 im Interesse der österreichischen Reaktionspolitik ganz besonders thätig. Es gelang ihm auch, unterstützt von so gewandten Federn wie der von Gentz, seinen Grundsatz, "daß es den Fürsten allein zustehe, die Geschicke der Völker zu leiten, und daß die Fürsten für ihre Handlungen niemand außer Gott verantwortlich seien", zur Annahme zu bringen und die Mächte zur solidarischen Unterdrückung aller Völkerbewegungen zu ver-^[folgende Seite]