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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Misologīe; Misoponīe; Misopsychīe; Misoxenīe; Mispel; Misraim; Misrata; Miss; Miss.; Missa; Missālen; Mißbildung

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Misologie - Mißbildung.

Die Bewohner sind Papua; einzelne Malaien aus den Molukken haben sich unter ihnen niedergelassen.

Misologīe (griech.), Vernunfthaß, d. h. Abneigung, die Entscheidung über gewisse Fragen, namentlich religiösen Inhalts, der vernünftigen Untersuchung zu überlassen; daher Misolog, Vernunfthasser, Feind des Denkens, Obskurant.

Misoponīe (griech.), Arbeitsscheu.

Misopsychīe (griech.), Lebensüberdruß.

Misoxenīe (griech.), Fremdenhaß, Ungastlichkeit.

Mispel, s. Mespilus. Englische M., s. Amelanchier. Welsche M., s. Crataegus.

Misraim, der hebr. Name für Ägypten (assyr. Misir, jetzt Misr).

Misrata (Masrata), Stadt in Tripolis, östlich von der Hauptstadt, südwestlich vom Kap M. mit Leuchtturm, hat lebhaften Handelsverkehr und 8000 Einw.

Miss., Abkürzung für Mississippi (Staat).

Miss (engl.), Fräulein, Prädikat jeder unverheirateten Engländerin, welche nicht den Titel Lady (s. d.) führt. M. wird stets in Verbindung mit dem Taufnamen angewendet; nur die älteste Tochter einer Familie führt den Titel M. mit dem Vatersnamen. Vgl. Mistress.

Missa (lat.), s. v. w. Messe.

Missālen (lat., Meßbücher), in der römisch-kathol. Kirche die liturgischen Bücher, in welchen die von der Kirche angeordneten Messen für alle Sonn- und Festtage sowie für besondere Gelegenheiten, z. B. für die Totenfeier, dann die Perikopen, Gebete und der Meßkanon enthalten sind. Diese Gebete etc. wurden zuerst von dem römischen Bischof Gelasius (gest. 496) geordnet und vervollständigt ("Sacramentarium Gelasii"), von Gregor d. Gr. neu geordnet. Auf Veranlassung des tridentinischen Konzils verordnete Papst Pius V. 1570 den Gebrauch des unter seiner Leitung verbesserten Meßbuches in der ganzen römisch-katholischen Kirche, mit Ausnahme der Gemeinden, die bereits über zwei Jahrhunderte einen andern Ritus befolgt hatten. Weitere Revisionen erfolgten durch Clemens VIII. (1604) und Urban VIII. (1634). Neben diesem jetzt noch gebräuchlichen römischen Meßbuch (Missale romanum) bestehen von früher Zeit an M. für bestimmte Diözesen (z. B. Mainz, Köln, Münster) und für einzelne religiöse Orden. Die alten handschriftlichen M. aus dem Mittelalter sind oft mit prächtigen Initialen und Miniaturbildern verziert und mit großen Buchstaben (Mönchsschrift) geschrieben, woher noch jetzt in den Buchdruckereien eine gewisse Schriftgattung den Namen Missal (kleine M., 52 typographische Punkte, grobe M., 64 derselben enthaltend) führt.

Mißbildung (Vitium primae formationis), jedwede Abweichung von dem normalen Entwickelungsgang eines Keims zum reifen Individuum. Im Tierreich nehmen die Mißbildungen an Häufigkeit und an Mannigfaltigkeit zu mit der Kompliziertheit des Entwickelungsvorganges. Bei den niedersten organischen Wesen kennen wir überhaupt keine Mißbildungen. Am besten erforscht ist die Pathologie der Entwickelungsgeschichte bei den höhern Säugetieren und besonders beim Menschen. Das Produkt einer M. ist die Mißgeburt (monstrum, monstrositas, griech. teras, daher die Lehre von den Mißgeburten Teratologie). Die Teratologie nun hat in ihrer Ausbildung als besonderer Zweig der Naturwissenschaft denselben Weg eingeschlagen, den die Entwickelungsgeschichte selbst vor ihr gegangen war; sie ist von der Beobachtung der Bildungsvorgänge in der Klasse der Säugetiere zurückgegangen auf die Bebrütung des Hühnereies und hat gefunden, daß ein großer Teil der Hauptformen krankhafter Keimentwickelungen sich beim Hühnchen in analoger und einfacherer Weise gestaltet als bei den Embryos derjenigen Klassen, welche ihre Früchte durch mütterliche Kreislaufsapparate (Placenta) zur Reife bringen. So wie die normale Entwickelung an dem Keim den eigentlichen Embryo von den außer ihm liegenden Umhüllungs- und Ernährungsapparaten unterscheidet und an dem Ernährungsorgan wiederum einen embryonalen von dem mütterlichen Anteil trennt, ebenso lassen sich die Monstra einteilen in solche, welche durch Bildungsanomalien am Embryo selbst, in solche, welche durch Erkrankungen der Eihäute und des embryonalen Fruchthofs, und endlich in solche, welche durch Fehlentwickelungen am mütterlichen Teil der Placenta entstanden sind. Die beiden letzten Kategorien umfassen die höchsten Grade der Mißgestaltungen, sie entstehen in sehr frühen Perioden nach der Befruchtung, man nennt sie mit einem Gesamtnamen Molen. Die Mißbildungen des Embryos selbst zerfallen in Doppelmißbildungen und einfache Mißbildungen. Die Doppelmonstra gehen nach der Annahme mancher Autoren hervor durch Spaltung eines ursprünglich einfachen Keims, nach der Auffassung andrer durch Verwachsung einer ursprünglich doppelten (oder mehrfachen) Keimanlage. Am häufigsten liegen die Achsen beider Embryos parallel, und es besteht eine Verschmelzung entweder der Köpfe (Janusbildungen), oder der Brustkasten (Thorako- oder Sternopagen), oder des Bauches (Gastropagen). Es kommt aber auch vor, daß die Achsen beider Körper in einer Linie liegen, und ganz extrem selten, daß sie einen Winkel bilden oder sich kreuzen. Die nicht verwachsenen Teile, in den meisten Fällen die Extremitäten, sind sofort als doppelt vorhanden erkennbar; an den Stellen der Verschmelzung gelingt es oft, am Skelett ebenfalls, die zwiefachen Anlagen nachzuweisen, so daß die Einfachheit nur eine scheinbare, durch die Formen der Weichteile bedingte war. Die meisten Doppelmonstra sind nicht lebensfähig, viele sterben während der Geburt, welche selbstredend äußerst schwierig und gefahrvoll ist, und selten ist die Verwachsung so auf äußere, nicht lebenswichtige Organe beschränkt, daß die Individuen nebeneinander bestehen können. Am bekanntesten sind als Beispiele die siamesischen Zwillinge und die zweiköpfige Nachtigall. Die einfachen Monstra lassen sich am richtigsten einteilen in Monstra per excessum und M. per defectum; bei den ersten sind die Teile quantitativ oder der Zahl nach größer, als sie sein sollten, bei den andern sind sie kleiner oder fehlen ganz. Die letzte Art der Mißbildungen ist sehr häufig. Bei Hemmungsbildungen finden sich die Organe vor, aber in einer Gestalt, welche in einer weit frühern Periode ihrer Entwickelung die normale ist. Neuere Autoren haben den Nachweis versucht, alle vorkommenden Mißbildungen auf Hemmungen in der Entwickelung zurückzuführen, namentlich auch diejenigen Mißbildungen, welche früher als dritte Hauptgruppe, als Monstra per fabricam alienam, aufgeführt wurden. Diese Frage ist noch nicht abgeschlossen, jedenfalls aber für eine Reihe von Verdoppelungen einzelner Organe (Uterus und Scheide) oder Organteile (Herzklappen, Iris oder Regenbogenhaut) erwiesen. Alle Beschreibungen und Abbildungen von wunderbaren Mißgeburten (per fabricam alienam) mit Tierköpfen od. dgl., an denen die Teratologie der frühern Jahrhunderte, vornehmlich die französische Litteratur, reich ist, sind als Phantasiegespinste entlarvt worden