Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Müller

861

Müller (Altertumsforscher, Theologen, Philologen).

4) Karl Otfried, berühmter Altertumsforscher, geb. 8. Aug. 1797 zu Brieg, daselbst vorgebildet, studierte seit 1814 in Breslau (unter Schneider und Heindorf) und Berlin (unter Böckh), wurde 1818 Lehrer am Magdalenum in Breslau, 1819 außerordentlicher Professor der Archäologie und Direktor des philologischen Seminars in Göttingen, 1823 ordentlicher Professor, 1832 Hofrat, 1835 Professor der Beredsamkeit, unternahm im Spätsommer 1839 eine Reise nach Italien und Griechenland, erkrankte inmitten anstrengender Untersuchungen zu Delphi und starb 1. Aug. 1840 in Athen. Die dortige Universität errichtete ihm ein Grabdenkmal auf dem Hügel Kolonos. Der genialste Schüler Böckhs, erstrebte auch er eine umfassende Kenntnis des Altertums, insbesondere auch das Kunstgebiet in den Bereich seiner Forschung ziehend. Als tüchtiger Geschichtsforscher bewährte er sich nach seinem Erstlingswerk: "Aegineticorum liber" (Berl. 1817), in seinen "Geschichten hellenischer Stämme und Städte" (Bd. 1: "Orchomenos und die Minyer", Bd. 2: "Die Dorier", Bresl. 1820-24; 2. Aufl. von Schneidewin, 1844), die er später durch "Über die Wohnsitze, Abstammung und ältere Geschichte des makedonischen Volkes" (Berl. 1825) und "Die Etrusker" (Bresl. 1828, 2 Bde.; 2. Aufl. von Deecke, Stuttg. 1877-78) erweiterte. Bahnbrechend wirkten auch seine "Prolegomena zu einer wissenschaftlichen Mythologie" (Götting. 1825), welche die Entstehung der Mythen einzelnen Lokalitäten zusprechen. Auf dem Gebiet der Kunstgeschichte lieferte er das erste systematische "Handbuch der Archäologie der Kunst" (Bresl. 1830; 3. Aufl. von Welcker, 1848; zuletzt Stuttg. 1878), dem er die von Österley gezeichneten "Denkmäler der alten Kunst" (Götting. 1832 ff.; neu bearbeitet von Wieseler, 1854-1856, 2 Bde.) folgen ließ. Als scharfsinniger Kritiker und Grammatiker bekundete sich M. durch seine Rezension von Varros "De lingua latina" (Leipz. 1833) und Festus' "De verborum significatione" (das. 1839). Seine Ausgabe von Äschylos' "Eumeniden" (griech. u. deutsch, Götting. 1833; Anhänge 1834 bis 1835) verwickelte ihn in eine litterarische Fehde mit G. Hermann und dessen Schwiegersohn Fritzsche. Von englischen Gelehrten veranlaßt, schrieb er endlich seine "History of the literature of ancient Greece" (Bd. 1, Lond. 1840), von welcher nach der Handschrift des Verfassers sein Bruder Eduard eine deutsche Ausgabe besorgte: "Geschichte der griechischen Litteratur bis auf das Zeitalter Alexanders" (Bresl. 1841, 2 Bde.; 4. Aufl. von Heitz, Stuttg. 1882-84). Seine "Kleinen deutschen Schriften", herausgegeben von seinem Bruder Eduard, erschienen in 2 Bänden (Bresl. 1847), seine "Kunstarchäologischen Werke" in 5 Bänden (Berl. 1872-73) und sein Briefwechsel mit A. Böckh in Leipzig 1883. Vgl. Lücke, Erinnerungen an Otfr. M. (Götting. 1841); F. Ranke, K. O. M., ein Lebensbild (Berl. 1870). - Sein Bruder Eduard M., geb. 12. Nov. 1804 zu Brieg, seit 1853 Direktor des Gymnasiums zu Liegnitz, machte sich durch eine "Geschichte der Theorie der Kunst bei den Alten" (Bresl. 1834-1837, 2 Bde.) und die Tragödie "Simson und Delila" (das. 1853) bekannt. Er trat 1867 in den Ruhestand und starb 30. Nov. 1875 in Liegnitz.

5) Julius, namhafter deutscher Theolog, geb. 10. April 1801 zu Brieg, studierte anfangs Jurisprudenz, dann Theologie; 1825 wurde er Pfarrer zu Schönbrunn bei Strehlen, 1831 zweiter Universitätsprediger in Göttingen, wo er zugleich über praktische Exegese und Pädagogik Vorlesungen hielt und 1834 eine außerordentliche Professur der Theologie erhielt. Als ordentlicher Professor ging er 1835 nach Marburg, 1839 nach Halle. Seinen Ruf als Dogmatiker begründete er durch sein Hauptwerk: "Die christliche Lehre von der Sünde" (Bresl. 1839; 6. Aufl. 1878, 2 Bde.). 1846 nahm er an der evangelischen Landessynode zu Berlin als Vertreter der evangelischen Bekenntnisunion teil und veröffentlichte hierauf: "Die erste Generalsynode der evangelischen Landeskirche Preußens" (Berl. 1847) und "Die evangelische Union, ihr Wesen und göttliches Recht" (das. 1854); "Dogmatische Abhandlungen" (Brem. 1870, 2 Bde.). Er gab mit Nitzsch u. a. die "Deutsche Zeitschrift für christliche Wissenschaft und christliches Leben" (1850 bis 1861) heraus und starb 27. Sept. 1878 in Halle. Vgl. Kähler, Julius M. (Halle 1878); Schultze, Dr. theol. J. M. (Brem. 1879).

6) Wilhelm Konrad Hermann, Germanist, geb. 27. Mai 1812 zu Holzminden, habilitierte sich 1841 in Göttingen für altdeutsche Sprache und Litteratur und ward 1845 zum Professor ernannt. Er veröffentlichte: "Geschichte und System der altdeutschen Religion" (Götting. 1844), eine Ausgabe des Heinrich von Müglin (das. 1848), "Niedersächsische Sagen und Märchen" (mit Schambach, das. 1855), "Mythologie der deutschen Heldensage" (Heilbr. 1886) und bearbeitete mit Zarncke (nach Beneckes Vorarbeiten) das "Mittelhochdeutsche Wörterbuch" (Leipz. 1854-67, 4 Bde.).

7) Wilhelm, deutscher Geschichtschreiber, geb. 2. Dez. 1820 zu Giengen in Württemberg, studierte zu Tübingen Theologie und Philologie, ward 1847 Lehrer der alten Sprachen und Geschichte an der Kantonschule in Trogen (Appenzell), 1851 Oberlehrer an der Lateinschule in Weinsberg, 1865 Professor am Gymnasium in Tübingen und trat 1884 in den Ruhestand. Er schrieb: "Politische Geschichte der neuesten Zeit 1816-67" (Stuttg. 1867, 3. Aufl. 1875); "Illustrierte Geschichte des deutsch-französischen Kriegs" (das. 1873); "Der russisch-türkische Krieg von 1877 bis 1878" (das. 1878); "Historische Frauen" (2. Aufl., Berl. 1885); "Kaiser Wilhelm" (3. Aufl., das. 1877; 1888); "Generalfeldmarschall Graf Moltke" (2. Aufl., Stuttg. 1879); "Deutsche Geschichte" (das. 1880); "Fürst Bismarck" (das. 1881; 1885); "Europäische Geschichte und Politik 1871-81" (das. 1882). Seit 1867 gibt er ein Jahrbuch unter dem Titel: "Politische Geschichte der Gegenwart" heraus; auch bearbeitete er "Beckers Weltgeschichte" neu (Stuttg. 1884, 12 Bde.).

8) Friedrich Max, berühmter Orientalist, Sprachforscher und Schriftsteller, Sohn von M. 20), geb. 6. Dez. 1823 zu Dessau, besuchte die dortige Schule und das Leipziger Nikolaigymnasium und trieb nachher in Leipzig philologische, besonders Sanskritstudien (unter Brockhaus), als deren erste Frucht 1844 eine deutsche Übersetzung der indischen Fabelsammlung "Hitopadeça" erschien. In demselben Jahr ging er nach Berlin, 1845 nach Paris, wo Burnouf Müllers Augenmerk auf den Rigweda richtete. Um die von Rosen begonnene Ausgabe dieses ältesten Sanskritwerks fortzusetzen, ging M. 1846 nach England, wo ihm einige Jahre später durch Vermittelung des preußischen Gesandten Bunsen von den Direktoren der Ostindischen Kompanie der Auftrag erteilt wurde, den ganzen Rigweda mit dem ausführlichen Kommentar des Sayana herauszugeben. Diese Ausgabe, die Max Müllers Namen zu einem überall gefeierten machte, erschien in 6 großen Quartbänden 1849-75, daraus das erste der 10 Bücher des Rigweda ohne Kommentar "zum Gebrauch für Vorlesungen" (Leipz. 1869), später auch der ganze Rigweda