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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Musik

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Musik (Litteratur).

musikalische Zepter schwangen, bezüglich seiner Reproduktionsfähigkeit hinter der Alten Welt nicht zurücksteht. Ungleich produktiver als diese beiden Länder zeigt sich Rußland, wo schon Ende des 18. Jahrh. mit dem als Reformator der russischen Kirchenmusik höchst verdienstvollen Bortniansky (gest. 1825) ein nationales Musikelement zur Geltung gelangte, welches, durch seinen Nachfolger Lwow (gest. 1870) und den Opernkomponisten Glinka (gest. 1857) weiter entwickelt, zur Ausbildung einer selbständigen Tonkunst führte. In den Arbeiten der jüngern, stark von Berlioz und Wagner beeinflußten Schule, eines Tschaikowski, Asantschewsky, Dargomyschsky, Rimski-Korsakow, zeigt sich bereits eine so energische Originalität, daß man Rußland nach Überwindung seiner jetzigen staatlichen wie künstlerischen Sturm- und Drangperiode eine bedeutende musikalische Zukunft voraussagen darf. Weniger originell, weil mehr nach Deutschland gravitierend, zeigt sich die skandinavische M. der Gegenwart, obwohl an den Arbeiten der ältern Meister, der Dänen J. P. ^[Johann Peter] Hartmann und Gade, wie auch des durch Emil Hartmann, den Sohn des eben Genannten, ferner durch die Norweger Svendson und Grieg vertretenen jüngern Geschlechts eine nationale Eigenart nicht zu verkennen ist. Was endlich Spanien betrifft, so müßten die Musikzustände dieses Landes hoffnungslos genannt werden, wenn nicht die Thätigkeit des Violinisten Monasterio, der in Madrid die klassischen Konzerte des Konservatoriums leitet, des Komponisten Soriano-Fuertes, der 1841 in Barcelona die erste spanische Musikzeitung ins Leben rief, und andre vereinzelte Symptome darauf deuteten, daß auch in diesem abgelegenen Teil Europas der musikalische Geist der Neuzeit seinen Einfluß auszuüben beginnt. Wie in allen diesen Ländern, so steht gegenwärtig auch in Deutschland die Vokalkomposition, namentlich die dramatische, hinter der Instrumentalkomposition zurück. Zwar hat es uns nicht an Komponisten gefehlt, die unter dem schon hervorgehobenen Einfluß Wagners ihre Kräfte der Bühne widmeten; doch vermochte keiner von ihnen einen entschiedenen Erfolg zu erringen, da sie sich sowohl in der Wahl der Stoffe als in der dichterischen und musikalischen Gestaltung zu eng an ihr Vorbild anschließen, um über die bloße Nachahmung hinauszukommen. Nur diejenigen, welche das Wagnersche Pathos zu vermeiden und einen mehr volkstümlichen Ton zu treffen wußten, wie Peter Cornelius (1824 bis 1874) mit seinem "Barbier von Bagdad", Hermann Götz (1840-76) mit seiner "Bezähmten Widerspenstigen", auch Viktor Neßler (geb. 1841) mit seinem musikalisch wertlosen, aber auf die Menge wirkenden "Trompeter von Säckingen", konnten allgemeinen Beifall finden. Auch diejenigen Vokalkomponisten haben nicht vergebens gestrebt, welche, wie Adolf Jensen (1837-79), Eduard Lassen (geb. 1830) und Alexander Ritter (geb. 1835), das deutsche Lied nach Franz Schuberts Beispiel mit reicherm Inhalt erfüllten, als ihn die zwar sangbaren und melodiösen, aber der Tiefe ermangelnden Lieder ihrer Vorgänger, eines Heinr. Proch (1809-78), Friedr. Kücken (1810-82) und Ferd. Gumbert (geb. 1818), aufweisen. Gleichwohl liegt, wie schon erwähnt, der Schwerpunkt der musikalischen Produktion Deutschlands in der Instrumental-Komposition, unter deren Vertretern Rob. Volkmann (1815-83), Joachim Raff (1822-82), Johannes Brahms (geb. 1833) und Felix Dräseke (geb. 1835) hervorragen, wobei zu bemerken ist, daß die größern Chorwerke der Genannten, neben denen auch die der gleichen Gattung angehörigen Arbeiten Albert Beckers (geb. 1834) ehrenvoll zu nennen sind, sich den Instrumentalwerken größtenteils ebenbürtig anschließen.

Litteratur.

Überreich ist das 19. Jahrh. an theoretischen und musikwissenschaftlichen Arbeiten gewesen, von denen die hervorragendsten im folgenden zusammengestellt sind.

Kompositionslehre: Die Werke von Albrechtsberger ("Gründliche Anweisung zur Komposition", 1790; vermehrte Ausg. von Seyfried, Wien 1826, 3 Bde.), Abt Vogler ("Harmonielehre", Prag 1802), A. B. Marx ("Lehre von der musikalischen Komposition", 4 Bde., Leipz. 1837-47 u. öfter), Sechter ("Grundzüge der musikalischen Komposition", das. 1853-54), Dehn ("Kontrapunkt", Berl. 1859), Lobe ("Lehrbuch der musikalischen Komposition", 4 Bde., 1855-67 u. öfter), E. F. Richter ("Lehrbuch der Harmonie", 17. Aufl., Leipz. 1886; "Lehrbuch der Fuge", 5. Aufl., das. 1886), H. Bellermann ("Kontrapunkt", Berl. 1862), Cherubini ("Cours de contrepoint"; deutsch von Stöpel, Leipz. 1835), Berlioz ("Traité d'instrumentation", 1844; deutsch, Leipz. 1864) u. a.

Geschichte der Musik. a) Allgemeine Geschichte: Kiesewetter, Geschichte der europäisch-abendländischen M. (2. Aufl., Leipz. 1846); Ambros, Geschichte der M. (unvollendet, 2. Aufl., 1880-81, 4 Bde.); Fétis, Histoire générale de la musique (Brüssel u. Par. 1868-76, 5 Bde.); Reißmann, Allgemeine Geschichte der M. (Münch. 1863-65, 3 Bde.); Brendel, Geschichte der M. in Italien, Deutschland und Frankreich (Leipz. 1851, 7. Aufl. 1887); A. v. Dommer, Handbuch der Musikgeschichte (2. Aufl., das. 1878); H. A. Köstlin, Geschichte der M. im Umriß (3. Aufl., Tübing. 1883); Langhans, Die Musikgeschichte in zwölf Vorträgen (2. Aufl., Leipz. 1878). - b) M. des Altertums: Fr. Bellermann, Die Hymnen des Dionysius und Mesomedes (Berl. 1840); Derselbe, Die Tonleitern und Musiknoten der Griechen (das. 1847); Westphal, Die M. des griechischen Altertums (Leipz. 1883) und andre Schriften des Verfassers, besonders über die Rhythmik und Harmonik der Griechen; Weitzmann, Geschichte der griechischen M. (Berl. 1855); Gevaert, Histoire et théorie de la musique de l'antiquité (Brüssel 1875-81, 2 Bde.). - c) M. des Mittelalters: Coussemaker, Histoire de l'harmonie au moyen-âge (Berl. 1852); v. d. Hagen, Minnesinger, Bd. 4 (Leipz. 1838); Schubiger, Die Sängerschule St. Gallens (Einsiedeln 1858); Kiesewetter, Die Verdienste der Niederländer (Amsterd. 1829); Jacobsthal, Die Mensuralnotenschrift des 12. und 13. Jahrh. (Berl. 1871); H. Bellermann, Die Mensuralnoten des 15. und 16. Jahrhunderts (das. 1858); Schelle, Die Sixtinische Kapelle (Wien 1872). - d) M. der neuern Zeit: K. F. Becker, Die Hausmusik in Deutschland im 16., 17. und 18. Jahrhundert (Leipz. 1840); Langhans, Die Geschichte der M. des 17., 18. und 19. Jahrhunderts (das. 1882-87, 2 Bde.); Reißmann, Geschichte des deutschen Liedes (Berl. 1874); Winterfeld, Johannes Gabrieli und sein Zeitalter (Leipz. 1834); Derselbe, Der evangelische Kirchengesang (das. 1843 bis 1847, 3 Bde.); Lindner, Die erste stehende deutsche Oper (Berl. 1855); Fürstenau, Zur Geschichte der M. und des Theaters am Hofe zu Dresden (Dresd. 1861-62, 2 Bde.); Castil-Blaze, L'académie impériale de musique (Par. 1847-55, 2 Bde.); Chouquet, Histoire de la musique dramatique en France (das. 1873); Riemann, Studien zur Ge-^[folgende Seite]