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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Name

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Name (Personennamen).

Name, im weitesten Sinn jede Benennung, im engern als Eigenname (Nomen proprium) die Bezeichnung eines einzelnen Wesens oder Dinges, zur Unterscheidung desselben von andern gleicher Gattung, und zwar insbesondere die eines menschlichen Individuums (Personenname). Die Personennamen sind bei allen alten oder weniger zivilisierten Völkern von irgend einer Eigenschaft des betreffenden Individuums hergenommen, wie noch jetzt die Beinamen und Spitznamen; es ist ein Zeichen fortschreitender Kultur, wenn sich daneben erbliche Namen oder sonstige regelmäßige Bezeichnungen der Familie einstellen. Die Griechen hatten keine Familien- oder Geschlechtsnamen; dem neugebornen Kind wurde sein N. nach der freien Wahl der Eltern in derselben Weise gegeben wie bei uns die Vornamen und zwar gewöhnlich am zehnten Tag bei einem mit einem Opfer verbundenen Familienfest. Die meisten griechischen Namen sind zusammengesetzt und, soweit ihr Sinn sich noch erkennen läßt, höchst charakteristisch, z. B. Damokles, "volksberühmt"; Leukippos, "weiße Pferde habend"; Sophokles, "durch Weisheit berühmt"; Nikophanes, "siegprangend"; Aglaophon, "herrlich redend"; Theodotos, "gottgegeben", etc. In der ältesten Zeit bildete man häufig ein Patronymikum (s. d.), z. B. Atreides, "Sohn des Atreus", Beiname des Agamemnon; auch erhielt der älteste Sohn meistens den Namen des Großvaters oder auch des Vaters. Später setzte man, wo es auf genauere Bezeichnung ankam, den Namen des Vaters im Genitiv bei, z. B. Kimon (Sohn) des Perikles. Spitznamen waren besonders in Athen beliebt, und auch Verkleinerungsformen kommen zahlreich vor, z. B. Dion von Diodoros, Timon von Timotheos etc. Die römischen Namen bestehen meist aus einfachen Wörtern und sind weit weniger zahlreich und mannigfaltig als die griechischen. In der ältesten Zeit bestanden die der Männer nur aus einem Namen (Romulus, Faustulus), dann aus zwei (Numa Pompilius, Ancus Marcius); seit den ersten Zeiten der Republik finden sich endlich regelmäßig drei verbundene Namen für jede Person: der Vorname (praenomen), der in der Schrift häufig abgekürzt wurde, wie C. für Cajus, M. für Marcus etc.; der N. des Geschlechts oder der Gens (nomen), der fast stets auf "ius" auslautete, wie Fabius, Julius etc., und der Zuname (cognomen), d. h. der N. der unter der Gens begriffenen Familie, welcher der Träger angehörte, wie Cicero, Cäsar etc. Zu diesen drei Namen kam bisweilen noch ein vierter als Beiname (agnomen) hinzu, wie in der Familie der Scipionen die bekannten Namen Africanus und Asiaticus. In dem Namen Marcus Porcius Cato Censorinus ist demnach Marcus der Vor-, Porcius der Geschlechts-, Cato der Familien-, Censorinus der Beiname. Bei den weiblichen Namen war die Regel, daß die Töchter das Nomen ihres Vaters mit der weiblichen Endung als Namen führten, wie Tullia, Cornelia etc.; häufig waren auch die Diminutivformen, wie Tertulla etc. Uneheliche Kinder wurden nach der Mutter benannt, die Namen der Freigelassenen in der Regel nach dem Namen des freilassenden Herrn gebildet. Die Sklaven führten anfangs gewöhnlich nur einen Namen, bestehend aus einer Verbindung des Namens ihres Herrn mit dem Wort puer (Lucipor, Marcipor), später aber vielerlei Namen, die von der Heimat des Sklaven oder andern Umständen hergenommen oder nach der Willkür des Herrn gewählt waren. Sklavennamen, bestehend aus Praenomen, Nomen und Cognomen, waren aber nicht zulässig. Die Zeit der Namengebung war bei Knaben der neunte, bei Mädchen der achte Tag nach der Geburt. Der älteste Sohn bekam in der Regel das Praenomen des Vaters; beide wurden dann durch den Beisatz pater und filius oder junior oder durch major und minor unterschieden. Die Fremden pflegten, wenn sie das römische Bürgerrecht erhielten, gewöhnlich den Vor- und Geschlechtsnamen desjenigen anzunehmen, durch dessen Verwendung sie das Bürgerrecht erhalten hatten, mit Beibehaltung ihres vorigen Namens. Im allgemeinen ist für das römische Namenwesen die der politischen Schulung der Römer entsprechende, streng durchgeführte staatliche Regelung desselben charakteristisch; anderseits sind aber die römischen Namen, besonders die Vornamen, deren es nach Varro nur ungefähr 30 gab, viel nüchterner und farbloser als bei andern Völkern. So gehen die bekannten Namen Quintus, Sextus, Septimius, Octavianus einfach auf Zahlennamen zurück (der fünfte, sechste, siebente, achte).

Auch bei den alten Germanen erhielt, wie bei den alten Griechen, das Kind bei seiner Geburt nur einen einzigen Namen. Natürlich hatten diese Namen, die wie die griechischen meistenteils zusammengesetzt waren, eine allgemeine und verständliche Bedeutung und bewegten sich in dem Kreis der nationalen Lieblingsanschauungen. So Bernhart (Bernhard), d. h. stark oder kühn wie ein Bär; Hildemar, "schlachtberühmt"; Garibald, "speerkühn" (daraus ital. Garibaldi); Gertrud, "Speerbraut"; Hugibert (Hubert), "durch Geist glänzend"; Gundpold, "tapfer im Kampf". Manche dieser Namen lassen sich buchstäblich in griechische übertragen; so heißt z. B. Volkmar und Dietmar wie das griechische Damokles "volksberühmt"; Sigmar oder Sigimer (N. des Vaters von Armin dem Cherusker), "sieg- oder kraftberühmt", entspricht dem griechischen Nikokles, Kuonrat (Konrad), "kühn im Rat", dem griechischen Thrasybulos. Diese ursprünglichen und volltönenden Namen unterlagen aber, ähnlich wie die Namen der Griechen, schon in uralter Zeit häufigen und starken Verkürzungen, wobei namentlich der ganze zweite Teil entweder mit Hinterlassung eines o als Zeichen seiner frühern Existenz oder spurlos abfiel. So wurde z. B. aus Hugibert Hugo, aus Audomar (Otmar) Otto, aus Kuonrat Kuno (Kuhn und Kurt), aus Chlodowig (Ludwig) Lutz, aus Godofried (Gottfried) Götz etc. Endlich traten an diese abgekürzten Formen noch gewisse Verkleinerungssilben oder -Buchstaben an, wodurch z. B. aus Hugo Hugilo (später Hügel, Heuglin etc.), aus Kuno Kunulo (Kühnel) oder Kunizo (Kunze, Künzel) wurde. Aus diesen sogen. Koseformen erklärt sich die Entstehung eines sehr großen Teils der jetzigen deutschen Familiennamen, während in den Vornamen sich häufig die vollern Formen erhalten haben, z. B. Friedrich, Rudolf, Albrecht. Eine Unterscheidung zwischen den Familiennamen und den Vornamen oder sogen. Taufnamen wurde übrigens in Deutschland erst lange nach der Einführung des Christentums, nämlich etwa im 14. Jahrh., allgemein. Das Material für die erstern lieferten außer den alten Personennamen, welche die zahlreichste Klasse bilden, namentlich: Eigenschaften des Leibes oder der Seele (daher die Namen Schwarz, Kraus, Starke, Rotbart, Fromm etc.); Gewerbe, Stand und Würde (daher z. B. der so verbreitete N. Meier aus lat. major, in der Bedeutung "Oberster eines Hofs"); die frühere Heimat des Betreffenden (daher z. B. Schwab, Heß, die zahlreichen Namen auf -bacher und -reuter) oder die Lage seines Hauses (z. B. Amthor, Amberg), auch der Name des letztern (daher Namen wie Adler, Hirsch,