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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Naturalisation; Naturalismus

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Naturalisation - Naturalismus.

sie bequem in handliche Kasten legen kann. Pflanzen werden entweder zwischen Papier getrocknet, oder in konservierenden Flüssigkeiten (Weingeist etc.) aufbewahrt. Holzige Teile kann man auch ohne Zubereitung aufheben. Von sehr zarten oder durch einen lehrreichen innern Bau ausgezeichneten Mineralien, Tier- und Pflanzenteilen macht man Dünnschliffe oder feine Schnitte und hebt die letztern zwischen Glasplättchen in einer passenden Flüssigkeit auf (mikroskopische Präparate). Von größern Tieren wird die Haut, von Vögeln der befiederte Balg ausgestopft; selbst Fische und Raupen lassen sich ausstopfen. Die Raupen werden am schönsten, wenn man die leere Haut mit Luft ausbläst. Alle Naturgegenstände aus dem Tier- und Pflanzenreich müssen mit Ausnahme der Präparate in Spiritus und der mikroskopischen Objekte vergiftet, d. h. mit Quecksilbersublimat, Arsenik oder mit stark riechenden Substanzen präpariert, werden, um sie vor den Nachstellungen kleiner Tiere und Pflanzen (Schimmel) zu schützen. Von Wirbeltieren pflegt man die Skelette frei zu präparieren, zu bleichen und ganz oder in Teile zerlegt aufzubewahren (anatomische Präparate). Niedere Tiere setzt man in Spiritus und bewahrt nur die etwa vorhandenen festen Teile, so z. B. die Gehäuse der Muscheln und Schnecken, trocken auf. Für Objekte, deren Farbe oder Substanz sehr leicht leidet, sind anstatt des Weingeistes vielerlei Mischungen empfohlen worden, unter denen sich die Wickersheimersche Flüssigkeit in neuerer Zeit einen Namen gemacht hat, weil sie die Objekte vor dem Eintrocknen schützt und ihnen eine bleibende Biegsamkeit verleiht, die für viele Studienzwecke von Wert ist. Die geflügelten Gattungen der Insekten werden zum Teil mit aufgespannten Flügeln auf Nadeln gespießt, die man auf Korkblättchen steckt. Vorzuziehen sind freilich im allgemeinen Sammlungen lebender Organismen, botanische und zoologische Gärten; doch können diese niemals vollständig sein. Die Anordnung einer Naturaliensammlung muß zwar soviel wie möglich nach wissenschaftlichen Prinzipien geschehen, indessen ist die leichte Orientierung bei weitem die Hauptsache. Größere Naturaliensammlungen von wissenschaftlichem Wert sind erst seit Ende des vorigen Jahrhunderts entstanden. Vgl. Eger, Der Naturaliensammler (5. Aufl., Wien 1882); Martin, Die Praxis der Naturgeschichte (neue Aufl., Weimar 1878-80, 3 Bde.); Klasing, Das Buch der Sammlungen (4. Aufl., Leipz. 1883).

Naturalisation (lat.), Verleihung der inländischen Staatsangehörigkeit an einen Ausländer; naturalisieren, in den einheimischen Staatsverband aufnehmen; Naturalisationsurkunde (-Akte, -Brief, franz. Lettre de n.), die über diese Aufnahme ausgefertigte Urkunde. Diese wird in den meisten Staaten nur nach längerm Aufenthalt im Inland erteilt; so besteht in Belgien, England, Nordamerika und Rußland eine solche Niederlassungsfrist von fünf, in Frankreich, Griechenland und Schweden von drei, in der Argentinischen Republik und in Brasilien von zwei Jahren, während in Portugal ein einjähriger Aufenthalt genügt. In Italien, in Österreich, in der Schweiz und ebenso in Deutschland ist eine solche Frist nicht vorgeschrieben. Für Deutschland sind die Grundsätze über die N. durch das Bundes- (Reichs-) Gesetz vom 1. Juni 1870 über die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit normiert. Jeder Deutsche befindet sich nämlich insofern in einer Doppelstellung, als ihm dem Reiche gegenüber das Reichsbürgerrecht oder das Bundesindigenat (s. d.) und daneben in demjenigen deutschen Staat, welchem er angehört, das Bürgerrecht ebendieses Staats zusteht. Die Reichsangehörigkeit setzt die Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaat voraus und wird mit dieser erworben und verloren. Derjenige nun, welcher bereits in einem Bundesstaat die Staatsangehörigkeit und damit also auch die Reichsangehörigkeit besitzt, kann nach dem Grundsatz der Freizügigkeit ohne besondere Schwierigkeiten auch in einem andern Bundesstaat die Staatsangehörigkeit erlangen. Das Gesetz vom 1. Juni 1870 bezeichnet daher eine solche "Überwanderung" eines Deutschen von dem einen in einen andern deutschen Staat als Aufnahme, während es für die "Einwanderung" eines Ausländers den Ausdruck N. beibehalten hat. Beides, Aufnahme und N., erfolgt durch die höhere Verwaltungsbehörde des betreffenden Staats und zwar die Aufnahme kostenfrei. Der Hauptunterschied zwischen Aufnahme und N. besteht darin, daß die Aufnahmeurkunde jedem Angehörigen eines andern Bundesstaats erteilt werden muß, wenn er darum nachsucht und zugleich nachweist, daß er in dem Bundesstaat, in welchem er die Aufnahme nachricht, sich niedergelassen habe, es müßte denn einer der Fälle vorliegen, in welchem nach dem Freizügigkeitsgesetz die Abweisung eines Neuanziehenden oder die Versagung der Fortsetzung des Aufenthalts als gerechtfertigt erscheint (s. Freizügigkeit). Dagegen besteht eine Verpflichtung zur N. von Ausländern keineswegs; die Reichsgesetzgebung hat nur die Voraussetzungen festgestellt, deren Vorhandensein zur N. unbedingt erforderlich ist, ohne den Einzelregierungen die Befugnis abzuschneiden, noch weitere Erfordernisse für die Erteilung der N. aufzustellen. Jene allgemeinen Voraussetzungen sind folgende. Der um die N. nachsuchende Ausländer muß nach den Gesetzen seiner bisherigen Heimat dispositionsfähig sein, oder der etwanige Mangel der Dispositionsfähigkeit muß durch die Zustimmung des Vaters, Vormundes oder Kurators ergänzt werden. Ferner muß derselbe einen unbescholtenen Lebenswandel nachweisen; er muß an dem Ort, wo er sich niederlassen will, eine eigne Wohnung oder ein Unterkommen haben, und er muß endlich im stande sein, sich und seine Angehörigen an diesem Ort nach den daselbst bestehenden Verhältnissen zu ernähren. Vgl. außer den Lehrbüchern des Staatsrechts Stolp, Die deutsche Staatsangehörigkeits- u. Heimatsgesetzgebung (Berl. 1872); Martitz, Das Recht der Staatsangehörigkeit im internationalen Verkehr (Leipz. 1875); Folleville, Traité de la naturalisation (Par. 1880).

Naturalismus (lat.), die Betreibung einer Kunst oder Wissenschaft nicht infolge und im Sinn eines strengen, regelrechten Studiums, sondern nach Anleitung der natürlichen Anlage oder Begabung, also in tadelndem Sinn Mangel an Schule. - In der Malerei nennt man N. als Gegensatz des Idealismus diejenige Kunstrichtung, welche in der möglichst treuen Nachahmung der Natur und des wirklichen Lebens die höchste Aufgabe der Kunst sieht und auf jede Abweichung von der Natur durch Stilisierung oder Idealisierung verzichten. Wenn man unter N. nur den engen Anschluß an die Natur, ohne persönliche Zusätze des Malers, versteht, so waren schon die van Eyck und ihre Schüler und Nachfolger, die Meister der kölnischen Schule, Dürer und Holbein gelegentlich Naturalisten. Zu einem künstlerischen Prinzip wurde der N., mit entschiedener Neigung zum Charakteristischen und in weiterer Entwickelung zum Häßlichen, im 17. Jahrh. in Italien durch Caravaggio, in