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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Neugriechische Sprache

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Neugriechische Litteratur - Neugriechische Sprache.

("Werke", Athen 1851), der leidenschaftlichere und oft maßlose Alexandros Sutsos (gest. 1863), in Form und Inhalt stark von Béranger beeinflußt, in dem Gedicht "Der Umherirrende" ("Περιπλανώμενος"), dem Roman "Der Verbannte von 1831", dem Drama "Πρωθυποῦργος", in Satiren und vermischten Gedichten. Der universalste, geistreichste und feinst gebildete unter den griechischen Schriftstellern, als Gelehrter nicht minder bedeutend wie als Dichter, ist Alexandras Rhisos Rangawis (Rangabé), Verfasser dramatischer, epischer und lyrischer Dichtungen ("Διάφορα ποιήματα", Athen 1837-40, 2 Bde.; die aristophanische Komödie "Hochzeit des Kutrulis"; die Tragödie "Phrosyne"; die Novellen: "Der Notar" und "Der Fürst von Morea"; das Epos "Der Volksverführer"). Aus der neuesten Zeit sind daneben zu nennen die Novellendichter: Rhoidis ("Die Päpstin Johanna", 4. Aufl., Athen 1882) und Dimitrios Bikelas ("Lukis Laras", 2. Aufl., das. 1881; "Διηγήματα", das. 1887), auch als Übersetzer Shakespeares bedeutend; ferner Georgios Drosinis als Lyriker ("Σταλακτῖται", das. 1881; "Εἰδύλλια", das. 1884) und als Novellist ("Διηγήματα καὶ ἀναμνήσεις", das. 1886). Proben und Sammlungen der griechischen Kunstpoesie finden sich besonders in Tepharikis' "Παρνασσός" (Athen 1868, Bd. 1 u. 2), in Kinds "Neugriechischen Poesien im Urtext" (Leipz. 1833) und "Neugriechischer Anthologie" (das. 1844) sowie in Vlachos' "Neugriechischer Chrestomathie" (2. Aufl., das. 1883) und Manarakis "Neugriechischem Parnaß" (mit deutschen Übersetzungen, Athen 1877 bis 1881, 2 Bde.). Die vornehmste Sammelstätte poetischer feuilletonistischer Thätigkeit ist zur Zeit die in Athen erscheinende Wochenschrift "Ἑστία".

Neben dieser reich und mannigfach entwickelten Kunstpoesie lebt im neugriechischen Volk heute wie vorzeiten die originellste und liebenswürdigste Volkspoesie, reichhaltig in Form und Inhalt, allerorten in Griechenland verbreitet, auf bestimmte Verfasser fast nie zurückführbar, in mannigfachen Versionen desselben Themas sich immer wieder erneuernd und bei den verschiedenartigsten Gelegenheiten, häufig unter Tanzbegleitung, gesungen. Zahlreiche Sammlungen, leider den dialektischen Eigentümlichkeiten der verschiedenen Landschaften noch immer nicht die gebührende Rücksicht tragend, lassen schon jetzt den ungeheuern Umfang dieser Poesie erkennen. Sie zerfallen in historische und nichthistorische Lieder. Unter den historischen sind ohne Zweifel manche, die in sehr alte Zeit zurückreichen, wie für einzelne die interessanten Untersuchungen von M. Büdinger über die Andronikossage ("Mittelgriechisches Volksepos", Leipz. 1866) und von Legrand in der Einleitung zu seiner Ausgabe der Epopöe vom Digenis Akritas (Par. 1875) nachweisen. Andre knüpfen an den Fall Konstantinopels an; in das 18. Jahrh. geht ein großer Teil der Klephthenlieder zurück. Die letztern, die "τραγούδια κλεφτικά", hervorgegangen aus den die Erhebung der Griechen einleitenden und fortwährend begleitenden Kämpfen der Klephthen oder Palikaren (Freischärler) gegen die Türken, meist in Epirus entstanden, bilden den Hauptstock der historischen Lieder und sind durch energische Auffassung, gemütvolle Tiefe und feine Charakteristik ausgezeichnet und vom Schimmer edler Romantik verklärt. Eine aus der Zeit der Johanniterherrschaft auf Rhodos, wahrscheinlich aus dem Ende des 14. Jahrh., stammende Sammlung reizender, volkstümlicher Liebeslieder hat W. Wagner aus einer Londoner Handschrift veröffentlicht: "Das ABC der Liebe" (Leipz. 1879). Die nichthistorischen Volkslieder spiegeln das Leben der Neugriechen in allen seinen Äußerungen treu wider; Wiegenlieder ("νανναρίσματα"), Schwalbenlieder ("χελιδονίσματα"), Mailieder, erotische Lieder in buntem Überfluß, Ständchen, Hochzeitslieder, Schnitter- und Winzer-, Schiffer- und Hirtenlieder, endlich die ergreifenden Myrologien oder Totenklagen mit der düstern Gestalt des Charos sind die Hauptgattungen dieser Poesie. Besondere Erwähnung verdienen die in raschem Wechselgesang improvisierten, an feinen Gedanken und warmem Gefühl reichen erotischen Distichen, die uns aus verschiedenen Gegenden von Hellas bekannt geworden sind. Aus der überreichen, wenn auch oft unkritischen Litteratur über die Volkslieder seien hervorgehoben: Fauriel, Chants populaires de la Grèce moderne (Par. 1824-25, 2 Bde.; Ausgabe mit deutscher Übersetzung von W. Müller, Leipz. 1825); Sanders, Neugriechische Volks- und Freiheitslieder (das. 1840); Passow, Popularia carmina Graeciae recentioris (das. 1860); Chasiotis, "Συλλογὴ τῶν κατὰ τὴν Ἤπειρον δημωτικῶν ᾀσμάτων" (Athen 1866); Tefarikis, "Διανοτραγοῦδα" (das. 1868), die reichhaltigste Sammlung von Distichen; Sakellarios, "Κυπριακά" (das. 1868, Bd. 3); Legrand, Recueil de chansons populaires grecques (Par. 1874); Jeannarakis, Kretische Volkslieder (mit Glossar, Leipz. 1876); B. Schmidt, Griechische Märchen, Sagen u. Volkslieder (das. 1877); Aravandinos, "Συλλογὴ δημοδῶν ᾀσμάτων τῆς Ἠπείρου" (Athen 1880); v. Hahn, Griechische und albanesische Märchen (Leipz. 1864); Pio, Contes populaires grecs (Kopenh. 1879). Die von italienischem Geist nicht unberührt gebliebene Volkspoesie der unteritalischen Griechen lernen wir kennen aus Comparetti, Saggi dei dialetti greci dell' Italia meridionale (Pisa 1866); Morosi, Studj sui dialetti greci della terra d'Otranto (Lecce 1870); Pellegrini, Il dialetto greco-calabro di Bova, Bd. 1 (Tur. u. Rom 1880).

Als Hilfsmittel zum Studium der neugriechischen Litteratur sind zu empfehlen: Zaviras, "Θέατρον ἑλληνικὸν ἤτοι Νέα Ἑλλάς" (reichhaltige Sammlung von Biographien, nach dem bereits 1804 erfolgten Tode des Verfassers hrsg. von G. Kremos, Athen 1872); Vretos, "Νεοελληνικὴ φιλολογία" (das. 1854-57, 2 Bde.); Sathas, "Νεοελληνικὴ φιλολογία" (das. 1868); Paranikas, "Σχεδίασμα περὶ τῆς ἐν τῷ ἑλληνικῷ ἔθνει καταστάσεος τῶν γραμμάτων" (Konstantin. 1867); Iken, Leukothea, Briefe über Staatswesen, Litteratur und Dichtkunst des neuen Griechenland (Leipz. 1825, 2 Bde.); Nerulos, Cours de la littérature grecque moderne (2. Ausg., Genf 1828); Kind, Beiträge zur bessern Kenntnis des neuen Griechenland (Neust. a. O. 1831); Nicolai, Geschichte der neugriechischen Litteratur (Leipz. 1876); A. R. Rangabé, Précis d'une histoire de la littérature néohellénique (Berl. 1877, 2 Bde.); Gidel, Études sur la littérature grecque moderne (Par. 1866-78, 2 Bde.); Rangabé und Sanders, Geschichte der neugriechischen Litteratur (Leipz. 1884).

Neugriechische Sprache. Die neugriech. Schriftsprache, das Romaische, schließt sich verhältnismäßig sehr eng an das Altgriechische an, weit enger als z. B. irgend eine romanische Sprache an das Latein. Anderseits weichen aber auch die neugriechischen Dialekte weit stärker von der Schriftsprache ab, als dies bei den meisten andern europäischen Sprachen der Fall ist. Diese eigentümliche Erscheinung erklärt sich aus der Geschichte des Romaischen, das unmittelbar aus dem byzantinischen Griechisch des Mittelalters hervorgegangen ist, welches seinerseits immer