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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Niederlande

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Niederlande (Konfessionen, Bildungsanstalten).

Im J. 1886 fanden 30,298 Eheschließungen statt; die Zahl der Gebornen belief sich auf 158,658 (darunter 7807 Totgeborne), der Gestorbenen auf 95,239, was einen Überschuß der Lebendgebornen von 55,612 (12,7 pro Mille) ergibt. Die Wohnungsverhältnisse sind sehr günstig, da 1879 auf 100 Familien 90 bewohnte Häuser und Schiffe kamen. Die Verfassung erkennt keinen Unterschied zwischen Städten und Dörfern an; man spricht deshalb auch nur von Gemeinden, deren Anzahl 1879: 1127 betrug. Die ursprünglichen Bewohner waren Germanen, im südlichen und westlichen Teil des Landes haben sich verschiedene Volksstämme miteinander vermischt; die religiöse und politische Freiheit, der große Handelsverkehr und der Reichtum der Bevölkerung haben dazu beigetragen, daß französische Hugenotten, Deutsche, Belgier, Juden (auch aus Spanien und Portugal) sich in den Niederlanden angesiedelt haben. Am reinsten von fremder Beimischung haben sich die Friesen erhalten.

In konfessioneller Beziehung teilte sich die Bevölkerung nach der Volkszählung von 1879 in 2,469,814 Protestanten, 1,439,137 Römisch-Katholische, 6251 Altkatholiken, 37 Griechisch-Katholische, 81,693 Israeliten u. 15,761 Personen unbekannter Konfession. Die reformierte Kirche steht unter einer allgemeinen Synode, welche aus einem Präsidenten, Vizepräsidenten, Sekretär, Quästor und 19 Mitgliedern besteht und jährlich am dritten Mittwoch des Juli im Haag zusammentritt. Sie zählte Ende 1885: 1349 anerkannte kirchliche Gemeinden. Die evangelisch-lutherische Kirche, deren Synode am Mittwoch nach Pfingsten zu Amsterdam abgehalten wird, zählte 58 anerkannte Gemeinden; die hergestellte evangelisch-lutherische Kirche (Altlutheraner) steht unter einer allgemeinen kirchlichen Kommission und zählt 8 anerkannte Gemeinden. Die Mennoniten haben keine Zentralverwaltung und bilden 128 anerkannte Gemeinden. Die Brüderschaft der Remonstranten, an deren Spitze eine Kommission steht, zählt 23 anerkannte Gemeinden. Die Herrnhuter haben 2 Gemeinden (Haarlem und Zeist). Die Deutsch-Evangelischen der evangelischen Kirche in Preußen bilden 2 Gemeinden (im Haag und zu Rotterdam). Die christlichen Separatisten, welche sich von der reformierten Kirche getrennt haben, zählen 340 anerkannte Gemeinden. Die römisch-katholische Kirche, welche in den Niederlanden seit 1853 organisiert ist, besteht aus 5 Diözesen: dem Erzbistum Utrecht und den Bistümern Haarlem, Herzogenbusch, Breda und Roermonde, welche in 1008 Gemeinden zerfallen. Der katholische Klerus bestand 1885 aus ca. 2000 Mitgliedern. Die Zahl der Klöster hat seit 1853 sehr zugenommen, besonders in Nordbrabant und Limburg, hauptsächlich durch Einwanderung der aus Deutschland vertriebenen Mönche und Nonnen. Die Güter im Besitz der Toten Hand repräsentieren einen Wert von etwa 125 Mill. Gulden. Die altbischöfliche Kirche hat 3 Diözesen: das Erzbistum Utrecht und die Bistümer Haarlem und Deventer, und zählt 25 anerkannte Gemeinden. Die niederländischen Israeliten stehen unter einer Zentralkommission und besitzen 178 Gemeinden und 6 Hauptrabbinate. Die portugiesischen Israeliten stehen ebenfalls unter einer Hauptkommission und besitzen nur 2 Gemeinden: in Amsterdam und Haag.

Bildung und Unterricht.

Was die geistige Kultur betrifft, so ist der Volks- unterricht in den Niederlanden allgemein verbreitet. Öffentliche, von den Gemeinden unterhaltene (neutrale, d. h. konfessionslose) Elementarschulen zählte man 1885: 2923 mit 462,312 Schülern und 12,574 Lehrern, Privatschulen, d. h. meistens konfessionelle Schulen: 1174 mit 161,344 Schülern und 4640 Lehrern. Kinderbewahranstalten gab es 1885: 1017 (124 öffentliche, 893 private) mit resp. 21,581 und 85,982 Kindern. In diesen Angaben sind nicht begriffen die 136 Bewahrschulen in Amsterdam. Bildungsanstalten für Lehrer bestehen zu Herzogenbusch, Groningen, Haarlem, Middelburg und Deventer, vom Staat unterhalten; außerdem besitzen verschiedene Gemeinden solche Anstalten, welche sie selbst in Verbindung mit öffentlichen Elementarschulen unterhalten. Die Oberaufsicht über das Schulwesen führen drei Inspektoren, unter diesen zahlreiche Distrikts- und Arrondissementsschulaufseher; in den Gemeinden örtliche Schulkomitees (plaatselyke schoolcommissies). Für den mittlern Unterricht waren Anfang 1885 in Wirksamkeit: 1 Bürgertagschule, 38 Bürgerabendschulen, 61 höhere Bürgerschulen und 13 höhere Bürgerschulen für Mädchen. Das Polytechnikum in Delft ist eine Anstalt zur Bildung von Ingenieuren, Technikern und Architekten. In Leiden und Delft sind Anstalten zur Ausbildung von Beamten für die ostindischen Kolonien. Die Armee hat eine Bildungsanstalt zu Breda, die Marine zu Willemsoord am Helder. Gewerbeschulen sind die Schule für Handel zu Amsterdam und verschiedene Handwerkerschulen. Für die Ausbildung von Künstlern bestehen Akademien der schönen Künste zu Amsterdam, Rotterdam und Groningen, Musikschulen im Haag: zu Amsterdam, Rotterdam, Leiden und Maastricht. Außerdem bestehen verschiedene Bau-, Zeichen- und Industrieschulen, eine landwirtschaftliche Schule zu Wageningen, Navigationsschulen zu Amsterdam, Rotterdam, Leiden, Helder, Harlingen, Groningen, Delfzyl, Veendam etc., eine Landesveterinärschule zu Utrecht. Für den höhern Unterricht (neugeregelt durch Gesetz von 1876) bestehen Gymnasien und Lateinschulen (1885/86: 30 mit 393 Lehrern und 2295 Schülern) und die drei Staatsuniversitäten zu Leiden, Utrecht und Groningen (1884 mit 116 Professoren); außerdem die Gemeindeuniversität zu Amsterdam, welche 1877 aus dem frühern Athenäum entstanden ist, ebenso wie die drei Staatsuniversitäten das Recht hat, wissenschaftliche Grade zu verleihen, und 45 Professoren zählt. Die Oberaufsicht über die Gymnasien führt ein Inspektor. Die Prediger der reformierten Kirche erhalten ihre Ausbildung auf den Universitäten und einer freien (konfessionellen) Universität zu Amsterdam, die der übrigen Konfessionen auf besondern Seminaren. Die Römisch-Katholischen haben 9 Seminare (zu Driebergen, Warmond, St. Michielsgestel, Culemburg, Haaren, Hoeven, Roermonde, Ginneken, Kerkrade). Die Militär- und Marineärzte empfingen früher ihre Ausbildung auf der Universität zu Amsterdam, jetzt auf allen Universitäten. Als Bildungsanstalten sind noch zu erwähnen: 3 Taubstummenanstalten zu Groningen, St. Michielsgestel in Nordbrabant und Rotterdam, 2 Blindeninstitute zu Amsterdam und Grave, eine Idiotenschule im Haag und eine Ackerbaukolonie für verwahrloste Knaben, Mettray genannt, zu Rysselt bei Zütphen. Reich sind die N. an Gesellschaften für Wissenschaft und Kunst, hinsichtlich deren wir auf den Artikel "Akademie" (S. 249) verweisen. Die vornehmsten Reichsmuseen und Sammlungen sind: Het Rijksmuseum van Schilderijen (Gemälde) zu Amsterdam; Het Prentenkabinet, ebendaselbst; De Rijksverzameling van moderne Kunst zu Haarlem; Het Rijksmuseum van Oudheden und Het Rijks Ethnographisch