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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Nieren; Nierenbaum; Nierencirrhose; Nierenentzündung; Nierenkolik; Nierenkrankheiten

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Nieren - Nierenkrankheiten.

nach durch, so sieht man unter einer etwa 1 cm dicken, gelb- oder grauroten Rinde 8-18, gewöhnlich 12-14 blässere Pyramiden, welche durch die dunklere Rindensubstanz voneinander getrennt sind und selbst aus sogen. Marksubstanz bestehen. Jede mit dem zu ihr gehörigen Teil der Rindensubstanz entspricht einem der oben genannten Nierenlappen, besitzt also an ihrer Spitze ihr Nierenwärzchen und um dasselbe meist auch einen eignen Nierenkelch. Rindensubstanz und Pyramiden (sogen. Malpighische Pyramiden) bestehen aus großen Mengen Harnkanälchen und Blutgefäßen nebst dem dieselben stützenden spärlichen Bindegewebe, mit dem Unterschied jedoch, daß in ersterer die Kanälchen meist geschlängelt, in letzterer meist gerade verlaufen, sowie daß in ersterer mehr Gefäße vorhanden sind. Die Absonderung des Harns aus dem Blut geschieht nun in folgender Weise. Die Nierenarterie (s. Tafel "Blutgefäße", Fig. 5) tritt an der innern Seite der Niere durch den sogen. Nierennabel (wo zugleich die Vene austritt) in sie ein und teilt sich sofort in mehrere Äste, deren Verzweigungen zwischen den Pyramiden hindurch zur Rinde gelangen und hier in einer enormen Anzahl feinster Zweige endigen. Von diesen windet sich jeder zu einem sogen. Gefäßknäuel (s. Wundernetz) zusammen, das eben noch mit bloßem Auge als rotes Pünktchen sichtbar sein kann, streckt sich darauf wieder glatt und löst sich dann erst in Kapillaren auf, aus denen sich die feinen Zweige der Vene zusammensetzen. Die Gefäßknäuel (glomeruli Malpighii, Malpighische Körperchen) sind jedes in ein Bläschen, das Nierenbläschen, hineingestülpt, welches sie dicht umschließt und nichts als der blinde, erweiterte Anfang eines Harnkanälchens ist. Durch die dünnen Wandungen des Gefäßknäuels und des Bläschens hindurch filtriert gewissermaßen aus dem Blut zunächst nur Wasser, welches so in das Harnkanälchen gelangt. Dieses selbst verläuft anfangs in der Rinde vielfach gewunden und nimmt während dieser Zeit aus den umspinnenden Kapillaren eine kleine Menge derjenigen Stoffe auf, welche aus dem Blut entfernt werden sollen; darauf senkt es sich in gerader Richtung zum Mark herab, kehrt in einer Schleife zur Rinde zurück und mündet in ein weiteres Kanälchen, das noch eine Reihe gleicher aufnimmt und in der Pyramide geradlinig nach ihrer Spitze hin seinen Lauf nimmt. Durch solche Vereinigung mehrerer Kanälchen wird ihre Zahl nahe ihrer Mündung auf der Spitze der Pyramiden auf ungefähr 200 reduziert. Sie sind von den Kapillaren umsponnen und lassen den Harn tropfenweise in die Nierenkelche, von denen zuweilen einer für mehrere Pyramiden zugleich bestimmt ist, fallen, worauf er dann sich in das gemeinschaftliche Nierenbecken und aus diesem durch den Harnleiter in die Harnblase (s. d.) ergießt. Die Harnleiter (Ureteres, Ureteren), gleich dem Nierenbecken mit einer besondern Muskelschicht in der Wandung ausgestattet, sind etwa 5 mm weit, 32-34 cm lang und münden in die Harnblase in der Art ein, daß sie nach Durchbohrung der Muskelhaut derselben noch 1-1½ cm weit zwischen dieser und der Schleimhaut verlaufen, ehe sie sich in die Blase öffnen. Die Nerven der N. stammen vom Sympathikus (s. d.) ab, begleiten die Arterien und sind mit kleinen Ganglien versehen. Zuweilen ist die eine Niere sehr verkleinert oder fehlt ganz, alsdann ist aber die andre um so größer; auch gibt es Fälle von Verschmelzung beider N. oder von ihrer Auflösung in mehrere Lappen. Über die Erkrankungen der N. s. Nierenkrankheiten.

In der Kochkunst werden N. vom Hammel, Kalb und Schwein vielfach verwendet und gelten als Leckerbissen, während Rindsnieren zu fest sind u. meist nur zur Verbesserung des Geschmacks der Fleischbrühe dienen. Hammel-, Kalbs- und Schweinsnieren werden gebraten, gebacken, mit feinen Kräutern (aux fines herbes) gedämpft (sauté), mit Wein und Champagner zubereitet; man verwendet sie zu Suppen, Pasteten, als Füllung von Omeletten und zu Ragouts. In Süddeutschland sind saure N. allgemein beliebt.

Nieren (Putzen), Abscheidungen von erzführenden Partien in unförmlichen, mehr oder weniger umfangreichen Massen, in besondern Lagerstätten oder in der ganzen Gebirgsmasse ohne Zusammenhang zerstreut.

Nierenbaum, s. Anacardium.

Nierencirrhose, s. Nierenkrankheiten.

Nierenentzündung, s. Nierenkrankheiten.

Nierenkolik, s. Harnsteine und Nierenkrankheiten.

Nierenkrankheiten. Die Erkrankungen der Niere bieten der Diagnose am Krankenbett große Schwierigkeiten dar, denn obgleich es leicht festzustellen ist, daß eine Nierenerkrankung vorliegt, so ist es doch oft nicht möglich, die Art der Entwickelung von andern Krankheitsformen zu unterscheiden. Der Grund hierfür liegt darin, daß jede der vielen anatomischen Veränderungen vorübergehend oder dauernd einen Teil des Drüsengewebes außer Thätigkeit setzt. Sobald dies geschieht, wird der Harn bald auffallend spärlich, bald sehr reichlich, bald außerordentlich reich an Salzen, bald arm daran und enthält meist Substanzen, welche im normalen Harne nicht vorkommen. Unter diesen letztern nimmt wegen der Häufigkeit des Vorkommens und der hohen Bedeutung für die gestörte Ernährung die erste Stelle das Eiweiß ein. Die Absonderung von gelöstem Eiweiß (s. Eiweißharnen) ist oft das einzige Merkmal einer Nierenkrankheit und bleibt, da die Substanz ohne chemische Reaktion nicht erkennbar ist, meist so lange Zeit verborgen, bis andre spätere Folgen des Leidens die Aufmerksamkeit des Arztes auf diese Untersuchung hinleiten. Ist das Eiweiß dann wirklich nachgewiesen, so weiß man eben gerade, daß eine Nierenkrankheit vorliegt, aber nichts Genaueres. Etwas bestimmter wird die Vorstellung, wenn sich außerdem kleinste, mikroskopisch erkennbare Teilchen von Nierenkanälen, sogen. Fibrincylinder, in der Absonderung vorfinden, da diese darauf deuten, daß der Prozeß etwas älter ist, daß Abschnitte des Nierengewebes zu Grunde gegangen sind; sofern blutige Beimischungen gefunden werden, die nachweislich nicht aus den größern Harnwegen oder der Blase herrühren, so spricht dies für einen akuten, in frischem Fortschreiten begriffenen Vorgang; aber die Befunde im Harn decken sich nicht mit den anatomischen Veränderungen, sie variieren mehr graduell, in Menge und Verhältnis der einzelnen abnormen Bestandteile, während die anatomischen Veränderungen, die ihnen zu Grunde liegen, in ihrem Wesen, in ihrer Entstehung und ihrem schließlichen Ablauf verschieden sind. Sofern ein größerer Abschnitt von harnabsonderndem Drüsengewebe zu Grunde gegangen ist, so genügt der Rest nicht mehr, die im Blut angehäuften Verbrauchsprodukte der Gewebe auszuscheiden, und diese entfalten nun, je nachdem der Nierenschwund plötzlich oder langsam entstanden war, ihre mehr oder weniger stürmischen und gefahrbringenden Wirkungen. Ist die Menge dieser hoch oxydierten, dem Harnstoff nahestehenden Produkte sehr reichlich, so üben sie auf das