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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Nierenkrankheiten

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Nierenkrankheiten (Hydronephrose, Amyloidentartung).

Fall werden die verfetteten Gewebsteile durch den Harn entleert, sie erscheinen dann als Cylinder, welche mit Fetttröpfchen dicht besetzt sind, zum Teil werden sie auch wohl von den Lymphgefäßen aufgesogen, und die Nieren verkleinern sich, schrumpfen und bieten dann das Bild der Granularatrophie (Schrumpfniere, Nierencirrhose) dar. Der Harn ist dabei reichlich, klar, hellgelb, von geringem spezifischen Gewicht, was damit zusammenhängt, daß gerade diese Fälle mit starker Arbeitsbeteiligung des Herzens einhergehen. - Eine sehr üble Komplikation der chronischen parenchymatösen Nierenentzündung bildet hin und wieder das Erblinden der Kranken, welches auf einer Verfettung der Netzhaut (Retinitis albuminurica) beruht, ebenso Entzündungen des Brustfells und Herzbeutels. - Die interstitielle Nierenentzündung kommt vor als akutes Leiden a) nach Verletzungen und Wunden der Nieren und ist dann nur einseitig; b) als eiterige (Nephritis apostematosa) bei bösartigen, durch Bakterien bedingten Klappenentzündungen des linken Herzens, wo sie beide Organe befällt und in Form zahlloser, kaum sichtbarer bis linsengroßer sogen. metastatischer Eiterherde auftritt, welche um kleine "embolisch" durch den Blutstrom eingeschleppte Bakterienhaufen entstanden sind; c) als eiterige Entzündung im Gewebe des Nierenbeckens, dann der Mark- und erst später der Rindensubstanz (Pyelonephritis), welche als direkte Fortsetzung einer Entzündung der großen Harnwege anzusehen ist. Sie kann schon von der Harnröhre (z. B. bei Tripper) oder von der Blase ihren Ausgang nehmen, wenn der Harn der ammoniakalischen Zersetzung durch Bakterien anheimfällt und diese ihren Weg durch die angestauten Harnleiter nach auswärts finden. Diese Form bildet meistens den Abschluß für ältere Leute, welche an chronischer Prostatavergrößerung und Blasenerweiterung, an Blasen- oder Nierensteinen (Nierenkolik) oder an Erweiterung des Nierenbeckens (Hydronephrosis) gelitten haben. Die unter b) und c) genannten Entzündungen sind immer tödlich, die erste in wenig Tagen, die zweite jedenfalls nach einigen Wochen oder Monaten. - Die chronische interstitielle Nierenentzündung ist in ihren Ursachen und Erscheinungen der chronischen parenchymatösen Nierenentzündung durchaus ähnlich, sie kommen häufig zusammen vor. Anatomisch beginnt sie mit einer Neubildung von Rundzellen im interstitiellen Gerüstwerk der Drüsen, später gehen diese dann in Bildung von Bindegewebe und damit in eine narbenähnliche Schrumpfung über, welche bei gleichzeitiger Verfettung der Harnkanälchen entweder zu einer gleichmäßigen Verkleinerung bei großer Derbheit und Dicke der Organe (Atrophia laevis) oder zur Granularatrophie führt. Die letztere ist also Endstadium sowohl der reinen parenchymatösen, als auch der mit interstitieller Entzündung kombinieren parenchymatösen Nephritis. Eine ganz schleichende, zur Vergrößerung und Verhärtung der Nieren führende interstitielle Erkrankung ist die bei Herzleiden vorkommende cyanotische Stauungsniere (Induratio renum).

Als Hydronephrose bezeichnet man die krankhafte Erweiterung des Nierenbeckens mit Schwund der Nierensubstanz. Wird nämlich der Abfluß des Harns aus dem Nierenbecken in die Blase auf irgend eine Weise dauernd gehemmt, so übt der stauende Harn einen Druck auf die Nierenpapillen aus, und es bilden sich allmählich aus den letztern bauchige Ausbuchtungen; schließlich wird die Niere in einen mehr oder weniger dickwandigen, mit wässerigen, schleimiger oder eiteriger Flüssigkeit ausgefüllten Sack umgewandelt. Der Harn kann sich im Nierenbecken stauen, wenn sich in dem Harnleiter für die Dauer Steine eingeklemmt haben, oder wenn der Harnleiter durch Geschwülste der Nachbargegend zusammengedrückt wird. In andern Fällen sind die Harnleiter durch Entzündungen, welche zu Wulstungen ihrer Schleimhaut oder zu Verwachsung ihrer Wände miteinander geführt haben, oder durch Neubildungen verschlossen, was z. B. beim Krebs der Gebärmutter fast zur Regel wird. Der Wassersack, in welchen die Niere in solchen Fällen umgewandelt wird, kann die Größe eines Kindskopfes, ja selbst eines Mannskopfes erreichen. Nur solche hohe Grade, wobei sich auch äußerlich eine Geschwulst bemerkbar macht, können erkannt werden. Schmerzen fehlen gewöhnlich. Die Menge des ausgeschiedenen Harns ist nicht vermindert, da die andre Niere für die unthätig gewordene vikarierend eintritt. Breitet sich das Hindernis, welches den Abfluß des Harns aus einem Harnleiter hemmte, auch auf den andern aus, so daß aus beiden Nieren kein Harn in die Blase gelangen kann, so hört die Harnsekretion ganz auf, und der Kranke geht schnell unter den Zeichen der Urämie (Harnstoffvergiftung des Bluts) zu Grunde. Da die Ursache der Harnstauung im Nierenbecken fast nie gehoben werden kann, so gibt es auch gegen die Hydronephrose keine Hilfe. Erst neuerdings hat man versucht, die Ureteren zu katheterisieren.

Die Amyloidentartung (s. d.) der Nieren kommt unter denselben schweren Ernährungsstörungen vor wie diese Degeneration überhaupt, namentlich bei Syphilis, Lungenschwindsucht, lang dauernden Eiterungen, besonders wenn sie vom Knochen ausgehen, beim Krebs etc. Die Krankheit besteht darin, daß die Wandung der feinsten Gefäße, besonders der Malpighischen Gefäßknäuel, in eine eigentümliche glasige Substanz umgewandelt wird, wobei das Lumen der Gefäße sich beträchtlich verengert, die Wandung derselben sich aber stark verdickt. Diese Veränderung geht stets mit fettiger Entartung der Drüsenzellen einher. Die Niere ist dabei vergrößert, blutarm, blaß, mehr oder weniger fest. Der Blutumlauf und die Harnausscheidung sind in einer solchen Niere schwer gestört. Der Harn ist eiweißhaltig, enthält sogen. granulierte Cylinder, ist blaß, spärlich. Die Speckentartung der Nieren ist meist mit der gleichen Affektion des Darms, der Leber und Milz verbunden; sie ist eine chronische Krankheit, welche zur Blutverarmung und Wassersucht führt und niemals heilbar ist. Sie kommt übrigens in jedem Alter vor. Die Aufgabe der Behandlung kann nur darin bestehen, die Kräfte der Patienten durch kräftige Kost so lange wie möglich aufrecht zu erhalten.

Die Tuberkulose der Nieren kommt in zwei verschiedenen Formen vor. Einmal nämlich begleitet sie die allgemeine Miliartuberkulose und ist dann klinisch von keiner besondern Wichtigkeit; das andre Mal tritt sie primär auf und ist dann fast stets mit Tuberkulose der Hoden, der Prostata, der Samenbläschen oder des Uterus und der Tuben oder der Harnwege verbunden. Die Tuberkelablagerung erfolgt bei dieser zweiten Form sehr massenhaft, und die einzelnen Knötchen fließen zu großen Herden zusammen. Die Niere hat an Größe zugenommen, hat eine grobhöckerige Oberfläche, und man findet in derselben teils umfangreiche käsige Herde, teils mit eiterähnlicher Masse erfüllte Höhlen. Eine Heilung wurde nie beobachtet.

Nierenkolik nennt man eine höchst schmerzhafte