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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Niger

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Niger.

bildung auf dem linken Ufer. Zuerst zweigt sich der Fluß von Diaoka ab, eine kolossale Insel umschließend, welche im Norden durch den See Deboe (Dhiebo) abgeschlossen wird, an dessen Nordufer die Inselbildung sich fortsetzt, im O. vom Majo Balleo (Schwarzer Fluß), welchen Namen der N. hier führt, im W. vom Majo Dhanneo (Weißer Fluß) eingeschlossen. Nachdem der Majo Balleo, später Eghirreu oder Issa genannt, bei Kabara, dem Hafen des etwas nördlicher gelegenen Timbuktu, eine westöstliche Richtung angenommen hat, beschränkt sich die Inselbildung auf kleinere, im Flußlauf selber eingeschlossen Eilande. Auf dieser ganzen Strecke ist das Gefälle des Stroms äußerst gering, so daß derselbe zur Zeit der Winterregen nicht nur weit über seine Ufer tritt, sondern sogar vom Deboesee aufwärts nach S. strömt. Von seiner östlichen Wendung ab begleitet das Nordufer ein 4-12 km breites Überschwemmungsgebiet, das nach dem Binnenland zu von einer höhern Dünenreihe begrenzt wird. Von Bamba ab, unterhalb dessen die Schiffbarkeit durch Stromschnellen unterbrochen wird, strömt der Fluß, wenige Stellen ausgenommen, zwischen scharf markierten Ufern dahin; ja, er wird bei der Stromenge Tosaje, wo er ein 100 m hohes Felsplateau durchbricht, bis zu 90 m Breite eingeengt. Dafür ist die Tiefe aber eine sehr große. Bei dem "Knie von Burrum" wendet sich der Strom scharf nach SO., eine Richtung, die er im allgemeinen bis 8° nördl. Br., also fast bis zur Einmündung des Binuë, beibehält. Ober- und unterhalb des Knies ist das Flußbett reich an Inseln und an einzelnen Stellen wohl 11 km breit; es gleicht einem breiten, sumpfigen, von steilen Felsrändern oder hohen Dünen umschlossenen Thal, dicht bewachsen mit Rohr und Schilf und von einem Labyrinth von schmalen Hinterwassern durchzogen. Wo der Fluß sich über abschüssige Felsriffe stürzen oder zwischen Steinmassen hindurchdrängen muß, strömt er mit einer Geschwindigkeit, welche die Schiffahrt gefährdet. Bei Gao (Gagho, Gogo) überschreitet der Fluß die Südgrenze der Sahara; der bisher überwiegende Sand an den Ufern macht jetzt mehr und mehr fruchtbarem Land Platz. Aber die Zahl der Stromschnellen und Klippen nimmt zu, die Ufersümpfe werden selten; häufig ist der Strom in mehrere Arme zerspalten und bespült langgestreckte Inseln. Von Norden und NO. her gehen dem Fluß zahlreiche Wadis zu. Den ersten perennierenden rechten Zufluß empfängt er bei Gomba. Da, wo die Städte Garu und Sinder liegen (14° 30' nördl. Br.), beginnt die Schiffbarkeit des Stroms abermals, wie es scheint, auf eine längere Strecke; denn zwischen den Städten Say und Gomba ist der N. nur von Mungo Park befahren worden, und auch darüber fehlen uns bestimmte Nachrichten. Von Gomba abwärts ist der N. durch die Gebrüder Lander, die 1830, und durch Flegel, der 1880 bis hierher gelangte, bekannt geworden. Bei Sinder ist der Fluß mit ausgedehnten Inseln angefüllt und das ganze, 10-15 km breite Thal fruchtbar, sorgfältig angebaut und gut bevölkert. Weiter unten fehlt dem Thal eine scharf markierte Grenze, bis jenseit der Einmündung des Sirba die 125-130 km lange, durchschnittlich 300 m hohe Bergkette von Bafele die Ostseite des Flusses begleitet. Von Sinder abwärts bis Say beträgt die Breite durchschnittlich 1600-2000 m; bei Say selbst dagegen, wo der Fluß um eine 200 m hohe Hochebene herum nach S. fließt, hat er nur 650 m Breite, ist von felsigen Ufern (7-9 m hoch) eingeschlossen und hat eine Geschwindigkeit von etwa 5,5 km in der Stunde. In diesem Teil führt der Strom den Namen Kowara (Kuara, Kwora). Unter 10½° nördl. Br. wendet er sich scharf nach S. bis 9½°, wo er eine ostsüdöstliche Richtung einschlägt und in breitem Bett fortfließt. Bei Eggan wendet er sich um die bis 900 m hohen Rennellberge nach S., welche Richtung er bis zur Mündung beibehält, und strömt unter 7½-8° nördl. Br. an einem 360 m hohen Absturz vorüber. Hier sind seine Ufer außerordentlich schön, reich an malerischen Felskegeln und mit üppigster Vegetation geschmückt. Von O. her strömt ihm Lokodscha gegenüber der mächtige Binuë (s. d.) zu. Unter 5½° nördl. Br. beginnen bei Ebo am rechten und Ndoni am linken Ufer die Seitenarme sich abzuzweigen, welche das Mündungsdelta des N. umschließen und durchziehen. Ein gewaltiger Mangrovewald besäumt die unzähligen Inseln längs des Meers, zwischen denen sich auf einer Küstenstrecke von fast 600 km die Gewässer des N. durch 22 Mündungen in den Ozean (Golf von Guinea) ergießen. Die bedeutendsten derselben sind von W. her Benin, Escardos, Forcados (die Mündungen des Wari), Ramos, Dodo, Pennington, Middleton, die Hauptmündung Nun, Braß, Sombrero, Neucalabar und Bonny. Die äußerste Spitze des Delta bildet das Kap Formoso auf einer Insel zwischen der Nun- und Braßmündung. Es trennt die stürmischen Gewässer der Bai von Benin von den ruhigern der Bai von Biafra. In der Regenzeit steht das Deltaland unter Wasser; in der trocknen Jahreszeit entwickeln sich hier die verderblichen Miasmen. In diesem Nigerdelta wurde ehemals ein schwungvoller Sklavenhandel betrieben, von Bonny allein sollen in den ersten 20 Jahren dieses Jahrhunderts 350,000 Sklaven ausgeführt worden sein. An seine Stelle trat dann der Ölhandel, daher diese Nigermündungen jetzt Ölflüsse genannt werden. Die bedeutendsten Handelsplätze sind: Bonny, Okrika, Neucalabar, Braß, Akassa und Wari. Das ganze Uferland des N. von seiner Mündung bis Say aufwärts sowie das des Binuë bis in die Nähe von Wukari befindet sich nach einem mit den Sultanen von Sokoto und Gandu 1885 abgeschlossenen Vertrag jetzt in englischen Händen, deren Besitzungen hier ostwärts bis zum Rio del Rey, westwärts bis zu den alten Grenzen von Lagos reichen, das ihnen seit längerer Zeit gehört. - Der N. der Alten ist nicht der heute von uns so benannte Strom; Plinius und Ptolemäos verstanden darunter den Ued Gir im O. der Oase Tuat. In den spätern Jahrhunderten gewann die Kenntnis des N. durch Handelsverbindungen der Araber nur wenig an Klarheit; das Mittelalter mischte neue Irrtümer zu. Eine neue Epoche beginnt erst mit der Stiftung der Afrikanischen Gesellschaft, namentlich durch die Reisen Mungo Parks und Laings, welche die erste sichere Nachricht über die Quelle des N. gaben, die aber erst 1879 durch den Franzosen Moustier und den Schweizer Zweifel entdeckt wurde. Im ungekehrten ^[richtig: umgekehrten] Verhältnis zum Nil hat der N. am längsten seine Mündung wissenschaftlicher Entdeckung vorenthalten. Die ersten Vermutungen über die wahre Mündung des N. stellte 1802 der Deutsche Reichard auf; sie wurden später durch die Gebrüder Lander (1830) zur Gewißheit erhoben. Über das mittlere Nigergebiet haben wir durch Barth und Flegel sehr wichtige Aufschlüsse erhalten. In seinem untern Lauf, bis Rabba, wird der N. jetzt regelmäßig von englischen Dampfern befahren, in seinem obern sind die Franzosen unter Caron 1887 mit einem Dampfer von Bammako bis zum Hafen von Timbuktu gelangt. S. Karte bei "Guinea".