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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Norwegen

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Norwegen (Heer und Flotte, Wappen etc.; Geschichte).

2) Seebewaffnung, wozu außer der festen Stärke von Freiwilligen die zu jeder Zeit ausgehobenen Seefahrenden sowie die Distriktsseetruppen mit Reserve und Küstenwehr gehören. Die Linientruppen sollen im Frieden von allen Waffengattungen (Infanterie, Kavallerie, Artillerie und Ingenieurtruppen) im ganzen 750 Offiziere und 12,000 Mann Korporale und Gemeine stark sein, in Kriegszeiten auf über 18,000 Mann verstärkt werden können. Die Landwehr darf nur zur Verteidigung des Landes innerhalb der Grenzen desselben zum Dienst berufen werden, und der Landsturm soll nur in Kriegszeiten zur Lokalverteidigung organisiert werden. Die Distriktsseetruppen sollen im Frieden aus 2000 Mann bestehen, im Krieg aber auf 3500 Mann gebracht werden können. Die Küstenverteidigungsmannschaft wird, gleich der Landwehr, nur zur Verteidigung des eignen Landes aufgeboten. Jeder Eingeborne, auch jeder Ausländer, der im Land ansässig geworden, ist zur Wehr verpflichtet, sofern nicht die im Gesetz namhaft gemachten Ausnahmen stattfinden. Die Dienstzeit für Infanterie, Artillerie und Ingenieurtruppen nebst Reserve und Train, auch für die Distriktsseetruppen nebst ihrer Reserve, ist 10 Jahre, für die Kavallerie mit ihrer Reserve 7 Jahre; seefahrende Wehrpflichtige gehören vom 22. bis 35. Lebensjahr zur Seebewaffnung. Die Mannschaften bleiben bei den Linientruppen 7 Jahre; davon bilden in Friedenszeiten die fünf ersten Jahrgänge die Linie, die folgenden zwei die Reserve, vom 8. bis 10. gehören sie zur Landwehr. Ebenso ist es mit den Distriktsseetruppen: 5 Jahre Friedensstärke, 2 Jahre Reserve, 3 Jahre Küstenverteidigung. Nach dieser Zeit bis zum 45. Lebensjahr tritt der Landsturm ein. Die Aushebung geschieht auf bestimmt vorgeschriebene Weise durch das Los nach zurückgelegtem 19. Lebensjahr. Die ausgehobene Mannschaft muß eine Rekrutenschule von mindestens 50 Tagen bei der Infanterie und Fußartillerie, von 90 Tagen bei den andern Waffen und eine jährliche Übung von 30 Tagen im Laufe von 3-5 Jahren durchmachen. Die Zusammensetzung der Linientruppen und Landwehr ist folgende: 1) Infanterie: 5 Brigaden von 4 Bataillonen zu 4 Kompanien (zu jeder Brigade gehört ein Depot von 2 Kompanien und 8 Kompanien der Landwehr, die jedoch nur im Fall eines Kriegs im Land in die Bataillone eingestellt werden und alsdann bei jedem derselben 2 neue Kompanien bilden) und 1 Jägerbataillon von 6 Kompanien. 2) Kavallerie: eine Brigade von 3 reitenden Jägerkorps zu 5, 4 und 2 Schwadronen. 3) Artillerie: 5 Bataillone, zusammen mit 11 Batterien zu 8 Geschützen und einer Abteilung Feuerwerker und Handwerker. 4) Genie: 20 Offiziere und 8 Untermilitärs. 5) Train: 4 Depots.

Die Flotte, deren Hauptstation Horten ist, besteht (1887) aus 2 Fregatten (mit 78 Kanonen), 2 Korvetten (mit 28 Kanonen), 4 Monitoren (8 Kanonen), 29 Kanonenboote (35 Kanonen), 6 Torpedofahrzeugen und 1 Bugsierdampfer, im ganzen 44 Dampfern von zusammen 3370 Pferdekräften und mit 151 Kanonen. Außerdem zählt sie 6 Segelschiffe mit 12 Kanonen. Die Festungen Norwegens sind unbedeutend und verdienen außer Oskarsborg bei Christiania kaum der Erwähnung.

Das Wappen Norwegens ist der gekrönte goldene Löwe auf rotem Feld mit der Streitaxt des heil. Olaf (s. Tafel "Wappen"). Die Flagge ist rot, durch ein dunkelblaues, mit weißen Kanten eingefaßtes Kreuz der schwedischen entsprechend geteilt (s. Tafel "Flaggen I"). An Orden bestehen: der Ritterorden des heil. Olaf, gestiftet 1847, und eine Medaille für bürgerliche Verdienste, gestiftet 1819, erweitert 1844. Hauptstadt und königliche Residenz ist Christiania, Krönungsstadt Drontheim.

[Litteratur.] Vgl. Kraft, Topographisk-statistisk Beskrivelse over Kongeriget Norge (2. Aufl., Christ. 1830-38, 6 Bde.); Ders., Topographisk Haandbog over Kongeriget Norge (das. 1845-48); Keilhau, Gaea Norvegica (deutsch, das. 1838-50, 3 Bde.); Schübeler, Pflanzenwelt Norwegens (das. 1873-1875); Ders., Viridarium norvegicum (das. 1885 f.); Broch, Le royaume de Norvège et le peuple norvégien (2. Aufl., das. 1878); Kjerulf, Die Geologie des südlichen und mittlern N. (deutsch von Gurlt, Bonn 1880); Passarge, Sommerfahrten in N. (2. Aufl., Leipz. 1884); Aschehoug, Das Staatsrecht der vereinigten Königreiche Schweden und N. (Freiburg 1887); Kiaer, Norges Land og Folk (Christ. 1886); Paludan, Det høiere Skolewesen i Danmark, Norge og Sverig (Kopenh. 1885); Nielsen, Reisehandbuch (5. Aufl., Leipz. 1887); "Annuaire statistique de la Norvège" (offiziell, seit 1879); "Norges officielle Statistik" (Quellenwerk). Kartenwerke: Topographische Karte (1:100,000, auf 216 Blätter projektiert, unvollendet); Generalkarte von Südnorwegen (1:400,000, unvollendet); Karte der Ämter (seit 1826, in Südnorwegen 1:200,000, im äußersten Norden 1:400,000); Munch, Karten des südlichen und nördlichen N. (1:700,000, je 2 Blätter, Christ. 1845 u. 1852) und Übersichtskarte (1:1,400,000, das. 1855); Rosen (3. Aufl., das. 1875, 2 Blätter); Wergeland u. Waligorski (7. Aufl.); Geologische Übersichtskarte (1:1,000,000, 1878). Spezialkarten über die ganze Küste sind seit 1835 nach amtlichen Vermessungen ausgegeben worden.

Geschichte.

[Norwegen als selbständiges Königreich.] N. (Norveger oder Noregr, d. h. der Nordweg, der nördliche Strich, bei Plinius Nerigon) wurde in ältester Zeit von finnischen Lappen bewohnt, welche von den germanischen Einwanderern, den Nordmänd oder Norrönern, in das Innere und nach Norden zurückgedrängt wurden. Die Norweger standen, in viele Völkerschaften geteilt, unter erblichen Königen, die ihr Geschlecht von Odin herleiteten, und kriegerischen Edelleuten (Jarlen), über denen das "Thing", die Versammlung aller freien Männer, als oberstes Gericht und Reichstag stand; Kriegsgefangene dienten als Sklaven. Da das Land seine Bewohner nicht ernähren konnte, drängten sich dieselben an den Meeresküsten zusammen, trieben Seeräuberei und suchten jahrhundertelang die europäischen Küstenländer mit ihren Plünderungszügen heim (vgl. Normannen); als sie in fremden Ländern Reiche gründeten, wurde N. eine bedeutende Menschenmenge entzogen.

Ein Nachkomme des um 600 in Schweden gestürzten Königsgeschlechts der Ynglinger, Olaf Trätelgja, Sohn von Ingjald Ildrade, der nach N. floh, gründete hier ein größeres Königreich mit dem Haupttempel und Königshof in Skiringsal und eroberte Jütland und Schleswig; sein Sohn Halfdan Hvitbein ("Weißbein", 640-700) und dessen Sohn Eystein Fretr (700-720) vergrößerte N. ebenfalls durch Eroberung benachbarter Landstriche. Halfdan der Schwarze (841-863) und sein Sohn Harald Harfagar ("Schönhaar", 863-930) machten sich die Unterkönige und Jarle der einzelnen Stämme gänzlich unterthan und führten das Lehnswesen ein, infolge dessen zahlreiche Normannen auswanderten und sich in Island, auf den Orkneyinseln und in Grön-^[folgende Seite]