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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Odeion; Odelsthing; Ödem; Ödenburg

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Odeion - Ödenburg.

religiöse (geistliche O.) oder weltliche (weltliche O.) sind; ihre Einheit (wie jedes lyrischen Gedichts) die der Gemütsstimmung und daher weder an die zeitliche Auf- noch an die logische Aufeinanderfolge ihrer Gedanken gebunden (lyrische Sprünge); ihre Phantasie großartig und schwungvoll; die dichterische Persönlichkeit durch des Dichters selbstvergessene Hingabe an die sein Gemüt bewegenden Ideen geläutert und verklärt; die rhythmische Wiederkehr der durch das Übermaß der Verzückung unvermeidlichen Pausen des Affekts durch strophische Gliederung versinnlicht. Die O. findet sich als geistliche O. am frühsten bei den Hebräern (Psalmen Davids), als weltliche bei den Griechen (Pindars olympische Oden) und Römern (Horaz). Das christliche Altertum erhebt sich in den Clementinischen Hymnen, das Mittelalter unter dem bezeichneten Einfluß des Franz von Assisi, Jacopone da Todi ("Stabat mater"), Thomas von Celano ("Dies irae") und Thomas von Aquino ("Lauda Sion") zum geistlichen Odenschwung. In Italien kam die O. im 16. Jahrh. in Aufnahme (Bernardo Tasso, Luigi Alamanni); aber erst Gabriello Chiabrera (gest. 1637) schuf bedeutende Dichtungen dieser Art. Unter den spätern italienischen Poeten haben sich besonders Vincenzo da Filicaja, Vittorio Alfieri und Alessandro Manzoni ("Il cinque Maggio") als Odendichter ausgezeichnet. Die Litteraturgeschichte der Spanier erkennt Ponce de Leon (gest. 1591), Fernando de Herrera und unter den Neuern Juan Baptista de Arriaza ("Cantos patrioticos") den Preis zu. Von den ältern Franzosen genießt den ausgezeichnetsten Ruhm als Odendichter der frostige Jean Baptiste Rousseau, von den neuern A. Chénier, Victor Hugo, A. de Musset ("Dieu"), Lamartine u. a. In England errangen Abraham Cowley, John Dryden ("Alexander's feast, or the power of music") und Alex. Pope den größten Beifall. Unter den Slawen haben die Russen Dershawin, Puschkin und Lermontow Oden gedichten. In Deutschland ist die O. durch den "deutschen Pindar" Klopstock und den "deutschen Horaz" Ramler sowie deren Nachahmer: Gärtner, J. A. ^[Johannes Andreas] Cramer, J. A. ^[Johann Arnold? eher passend: Karl Egon] Ebert, Uz, Klamer-Schmidt, J. H. Voß, Hölty, die Brüder Stolberg, Denis, Gleim, Schubert u. a. gepflegt, durch den Geistesverwandten der Griechen, Hölderlin, in antikem Geiste, durch das klassische Sprachtalent Aug. v. Platens in antiker Form ausgebildet, letztere neuestens durch Minckwitz, A. Kopisch, A. Möser u. a. mehr oder minder glücklich nachgeahmt worden. - In der Musik ist O. im 1-18. Jahrh. der Name des einstimmigen begleiteten Liedes sowie der Festkantate (Purcells "Welcome songs", Huldigungskantaten etc. heißen Oden). O.-symphonie, bei den Franzosen s. v. w. Symphonie mit Chor.

Odeion (griech.), s. v. w. Odeum.

Odelsthing (dän.), die aus Grundbesitzern bestehende Abteilung des norwegischen Storthings; s. Norwegen, S. 251.

Ödem (griech., Anschwellung, Geschwulst), das Durchtränktsein von Bindegewebe oder Fettgewebe mit wässeriger, aus den Blutgefäßen ausgeschwitzter Flüssigkeit. Das Ö. ist also gleichbedeutend mit Wassersucht (s. d.) der Gewebe. Es kommt teils durch örtliche Störungen des Kreislaufs durch Entzündungen (Rotlauf, Furunkel, Milzbrand), teils durch Druck auf größere Venen bei Geschwülsten, teils durch allgemeine Kreislaufsstörungen bei Herz- und Nierenkrankheiten zu stande. Die ödematösen Teile sind vergrößert, von blasser Farbe, mehr oder weniger durchscheinend, meist teigig anzufühlen, selten härter; die sie überziehende Haut oder Schleimhaut ist glatt, faltenlos, blutarm und dünn. Die Eigenwärme der Teile ist infolge der verlangsamten Blutbewegung in der Haut vermindert; beim Fingerdruck auf dieselben bleibt eine Grube zurück, welche sich meist langsam wieder ausgleicht. Bei allgemeinem Ö. sind die verschiedenen Körperstellen stets in verschiedenem Grad ödematös. Bei längerer Dauer des Ödems kann es zur Dehnung und Zerreißung der Haut, Durchsickern der Flüssigkeit aus den Rißstellen und zur Bildung falscher Narben kommen. Zur Beseitigung allgemeiner Ödeme gibt man Medikamente, welche starke wässerige Abscheidungen seitens der Haut, des Darms und der Nieren zur Folge haben. Vgl. Wassersucht.

Ödenburg (ungar. Soprony), ungar. Komitat am rechten Donauufer, grenzt im N. und W. an Niederösterreich, im S. an das Komitat Eisenburg und im O. an Raab, den Neusiedler See und Wieselburg und umfaßt 3307 qkm (60,1 QM.). Den westlichen Teil durchziehen die Vorberge der Steirischen. Alpen und das Leithagebirge; der südöstliche Teil ist eine sehr fruchtbare Ebene. An der Ostgrenze fließen die Raab, Rabnitz und Repcze. Ö. hat (1881) 245,787 meist kath. Einwohner (Ungarn und Deutsche), erzeugt viel Getreide (namentlich Weizen von vorzügliche Güte), Kukuruz, Heidekorn, Raps, Hanf, Kartoffeln, Zucker- und Futterrüben, guten Wein (Ruster und Ödenburger), ausgezeichnetes Obst, dessen Kultivierung rationell betrieben wird, Kastanien, Tabak, Geflügel und Vieh. In Brennberg (bei Ödenburg) sind 1760 entdeckte reiche Braunkohlenlager, in Margarethen (s. d.) vorzügliche Sandsteinbrüche. Industrie und Handel sind hervorragend. Sitz des Komitats, welches von der Südbahn und Raab-Ö.-Ebenfurther Bahn durchschnitten wird, ist die königliche Freistadt Ö., 5 km westlich vom Neusiedler See, Station der erwähnten beiden Bahnen. Ö. besteht aus der ehemals befestigten innern Stadt (mit 2 Thoren), welche die sogen. Grabenrunde (mit vielen Kaufläden, dem Korso und der Széchenyipromenade) umgibt, und den äußern Stadtteilen und hat 8 kath. Kirchen, eine evangel. Kirche, 4 Klöster und (1881) 22,322 meist deutsche Einwohner, die hauptsächlich den von altersher berühmten Weinbau betreiben. Daselbst bestehen Fabriken für Zucker, Kanditen, Spiritus, Essig, Seife, Stärke, Glocken, landwirtschaftliche Maschinen, Feuerwehrrequisiten und Wagen, eine Gasfabrik, ein Brauhaus und 2 Ringofenziegeleien. Das dortige kandierte und gedörrte Obst ist berühmt und wird weithin versandt. Ö., welches auch bedeutenden Wein- und Viehhandel betreibt, hat ein kath. Obergymnasium, eine kath. Lehrerpräparandie, eine Oberrealschule, ein evang. Lyceum und Seminar, eine Handelsakademie, 2 Waisenhäuser, 2 Spitäler, ein Theater, ein prachtvolles Kasinogebäude, 7 Kasernen, darunter die neue große Kavalleriekaserne, 2 Bahnhöfe etc. und ist Sitz einer Finanz- und einer Post- und Telegraphendirektion, eines Gerichtshofs und einer Filiale der Österreichisch-Ungarischen Bank. Beliebte Ausflugsorte in der schönen Umgebung sind der Neuhofgarten, Wandorf, das Schwefelbad Wolfs am Neusiedler See etc. - Ö. gilt für das altrömische Scarabantia. Die Stadt wurde vom böhmischen König Ottokar zerstört, von Deutschen aus Österreich und Steiermark aber wieder aufgebaut. Als Ö. dem ungarischen König Salomo gegen die Bulgaren Beistand leistete, wurde es zur königlichen Freistadt erhoben, darauf 1605 von den Türken belagert, 1619 von Gabriel Bethlen erobert und ge-^[folgende Seite]