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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Ohr

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Ohr (anatomisch).

resten der zerfallenen Drüsenzellen besteht. Bleibt es zu lange im Gehörgang liegen, so verstopft es diesen, erhärtet und führt zur Schwerhörigkeit, ist auch in diesem Fall nicht immer ohne Gefahr zu beseitigen (s. Ohrenkrankheiten).

An der Grenze zwischen dem äußern und mittlern Teil des Gehörorgans liegt das Trommel- oder Paukenfell (membrana tympani, Fig. 1 b, Fig. 2 c, Fig. 4 a), eine dünne, elastische Membran von elliptischer Form, welche eine Scheidewand zwischen dem äußern Gehörgang und der Paukenhöhle bildet. Seine äußere Fläche zeigt in ihrer Mitte eine trichterförmige Vertiefung, weil es hier von dem an der innern Fläche angewachsenen Hammer einwärts gezogen wird. Nach innen vom Trommelfell liegt die rings von Knochen umgebene Trommel- oder Paukenhöhle (cavitas tympani, Fig. 1 i, Fig. 3 e). Diese ist gewöhnlich mit Luft erfüllt, enthält die drei Gehörknöchelchen und ist mit einer äußerst feinen Haut überkleidet, welche die Fortsetzung der Schleimhaut der Ohrtrompete und des Rachens ist. Ihre innere Wand, die dem Trommelfell gegenüberliegt und die Grenze zwischen Paukenhöhle und Labyrinth bildet, trägt zwei Öffnungen, das ovale und das runde Fenster. Das ovale oder eiförmige Fenster (Vorhofsfenster, fenestra ovalis s. vestibuli, Fig. 1 g, Fig. 6 b) ist eine eirunde Öffnung, welche in den Vorhof des Labyrinths führt und von einer dem Trommelfell ähnlichen Haut verschlossen wird. Das runde Fenster (Schneckenfenster, fenestra rotunda s. cochleae, Fig. 4 o) liegt unterhalb des ovalen Fensters, ist ebenfalls durch eine Haut geschlossen und führt in die Paukentreppe der Schnecke (s. unten). Völlig offen ist die Paukenhöhle nur an einer Stelle, da nämlich, wo sie sich in die Ohrtrompete oder Eustachische Röhre (tuba Eustachii, Fig. 1 c, Fig. 3 d) fortsetzt. Diese führt in den Schlund und öffnet sich dort dicht an der hintern Nasenöffnung; sie ist von einer Fortsetzung der Schleimhaut des Schlundes ausgekleidet. Die Gehörknöchelchen, durch welche die Schwingungen des Trommelfells zum Labyrinth geleitet werden, heißen Hammer, Amboß und Steigbügel. Der Hammer (malleus) liegt dem Trommelfell am nächsten und hat die Form einer Keule (Fig. 4 b c d) mit zwei Griffen, von denen der eine an das Trommelfell angewachsen ist, während der Kopf des Hammers den Amboß (incus) berührt. Dieser (Fig. 4 e f g, Fig. 2 a, Fig. 3 l) hat ebenfalls zwei Fortsätze und steht durch den einen derselben mit dem Steigbügel (stapes, Fig. 4 h, Fig. 3 k) in Verbindung, der selbst wieder sich auf den Rand des ovalen Fensters im Labyrinth stützt. Die Gehörknöchelchen sind durch Gelenke und Bänder miteinander verbunden und besitzen auch noch Muskeln zu ihrer Bewegung, nämlich den Trommelfellspanner oder innern Hammermuskel (Fig. 2 d, Fig. 3 n), den Erschlaffer des Trommelfells und den Steigbügelmuskel. Über ihre Wirkung s. Gehör, S. 15. Ebenfalls in der Paukenhöhle befindlich, aber nicht zum O. gehörig läuft zwischen Hammer und Amboß die sogen. Paukensaite (s. d., chorda tympani, Fig. 2 f) hindurch, ein feiner Nerv, der sich zur Mundhöhle begibt.

Der innerste und wichtigste Teil des Gehörorgans, das Labyrinth (Fig. 1 d-h, Fig. 6), enthält die Endigung des Gehörnervs. Man unterscheidet, wie schon oben erwähnt, das häutige und das es umgebende knöcherne Labyrinth; beide zerfallen in Schnecke, Bogengänge und Vorhof. Der knöcherne Vorhof (vestibulum) ist eine kleine, rundliche Höhle, in welcher, ohne jedoch die Wandung zu berühren, der häutige Vorhof in Gestalt zweier Säckchen liegt. Von letztern steht das eine (utriculus) mit den drei Bogengängen, das andre (sacculus) mit der Schnecke in offener Verbindung. Die Bogengänge oder halbzirkelförmigen Kanäle (canales semicirculares) sind drei C-förmig gekrümmte Kanäle (Fig. 1 d e f, Fig. 4 l m n, Fig. 6 c d e), welche je mit einem angeschwollenen Teil (Ampulle) beginnen und in drei aufeinander senkrechten Richtungen angeordnet sind. Die Schnecke endlich (cochlea, Fig. 1 h, Fig. 4 i, Fig. 6 a) hat in ihrem knöchernen Teil einen Kanal, welcher in 2½ Windungen ansteigt und durch eine dünne, ebenfalls spiralförmig gewundene, halb knöcherne, halb häutige Scheidewand, die Spiralplatte, in zwei Gänge oder Treppen geteilt (Fig. 5, 7, 8) wird. Von diesen heißt die obere, engere und längere die Vorhofstreppe (scala vestibuli), weil sie im Vorhof ihren Eingang hat, die untere dagegen die Paukentreppe (scala tympani), weil sie an dem runden Fenster der Paukenhöhle anfängt. In der Spitze der Schnecke stehen beide durch ein Loch miteinander in Verbindung, so daß die in den Treppen enthaltene Flüssigkeit einheitlich ist. Die häutige Schnecke, welche aber die knöcherne nur zu einem Drittel und zwar auch nur in der Vorhofstreppe ausfüllt (Fig. 7 e, Fig. 8 d), ist gleichfalls voll Flüssigkeit. Auf dem Querschnitt ist sie dreieckig und wird von dem übrigen Raum der Vorhofstreppe durch die Reißnersche Haut (Fig. 8 e, Fig. 7 f) getrennt. Zu einem Gehörorgan wird nun das Labyrinth durch den Hinzutritt des Hörnervs (nervus acusticus). Dieser, das achte Hirnnervenpaar, entspringt weit hinten im Gehirn (s. d., S. 3) und gelangt sogleich durch den sogen. innern Gehörgang zum innern O., nachdem er sich zuvor schon in den Vorhofs- und den Schneckennerv gespalten hat. Ersterer breitet sich an der Innenfläche der Vorhofssäckchen und der Ampullen der Bogengänge aus und endet dort wahrscheinlich in der nämlichen Weise wie die andern Sinnesnerven auch (s. Sinnesorgane), indem er sich in feine Fasern auflöst, die an die mit je einem Hörhaar besetzten Hörzellen herantreten. Die Hörhaare ragen nicht frei in den Hohlraum des Vorhofs hinein, sondern sind in eine gallertige, mit Hörsteinchen (Otolithen) oder Ohrsand, d. h. Kristallen aus Kalksalzen, untermengte Masse eingebettet. Die vom Trommelfell in das innere O. gelangenden Schallwellen werden von der Flüssigkeit im Vorhof auf diese Kristalle und von ihnen auf die Hörhaare übertragen. Der in die Schnecke gelangende Teil der Schallwellen jedoch wird in andrer, viel komplizierterer Weise den Fasern des Schneckennervs zugeführt. Dieser nämlich verläuft in der Achse der Schnecke (Fig. 7 a) und schickt fortwährend Zweige innerhalb der knöchernen Spiralplatte (Fig. 8 a) zu den einzelnen Windungen der häutigen Schnecke ab. Diese selbst hat auf der häutigen Fortsetzung (Fig. 7 h) der Spiralplatte eine ganz eigentümliche Bildung, das sogen. Cortische Organ (Fig. 9). Es ist für das O. dasselbe, was für das Auge die Netzhaut ist, und zeigt gleich dieser einen merkwürdigen, trotz vieler Forschungen noch nicht ganz aufgeklärten Bau (s. Gehör, S. 16). Auch über die Bedeutung der Bogengänge sind die Ansichten sehr verschieden. Teils werden sie als wirklich zum O. gehörig aufgefaßt, teils als besondere Organe zur Erhaltung des Gleichgewichts bei Bewegungen betrachtet, da man gefunden haben will, daß nach ihrer künstlichen Entfernung Tiere sich nicht