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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Opuscŭlum; Opus operātum; Opzoomer; Or.; Ör; Orade; Ora et labōra!; Orākel

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Opusculum - Orakel.

oder Veröffentlichung mit Op. 1, 2 etc. zu numerieren). In der Baukunst bildet nach dem Vorgang Vitruvs O. den Gattungsnamen verschiedener technischer Arbeiten. So heißt O. alexandrinum ein zweifarbiger Steinbelag der Fußböden bei den Alten (s. Mosaik); O. incertum oder antiquum, unbestimmtes Werk, ein Steinverband, aus unregelmäßigen, rauhen Bruchsteinen bestehend; O. museum oder musivum, s. v. w. Mosaik; O. reticulatum, Netzwerk (s. d.); O. spicatum, ein ährenförmiges Pflaster aus Brandsteinen, wobei die Steine auf die hohe Kante unter einem Winkel so aneinander gelegt werden, daß sie wie die Körnerreihen zu beiden Seiten der Ähre gegeneinander stehen; O. tectorium, Bekleidungswerk, der äußerste und feine Mauerüberzug von Marmorstucco; O. tessellatum oder quadratarium, ein aus würfelähnlichen, gefärbten Steinen zusammengesetzter Mosaikfußboden; O. rusticum, Mauerwerk aus Bossenquadern oder Buckelsteinen (s. Rustika).

Opuscŭlum (lat.), ein kleines Schriftwerk, Mehrzahl: Opuscula, eine Sammlung kleiner Schriften.

Opus operātum (lat.), eine nur zum äußern Schein unternommene Handlung, welche also keinen moralischen Gehalt hat, z. B. gedankenloses Beten, Fasten, Wallfahrten etc.

Opzoomer, Karel Willem, niederländ. Philosoph und Jurist, geb. 20. Sept. 1821 zu Rotterdam, studierte in Leiden, ward 1846 Professor der Philosophie zu Utrecht und 1848 Mitglied und Sekretär einer königlichen Kommission, die ein neues Gesetz über die Universitäten entwerfen sollte. In dieser Stellung veröffentlichte er einen "Gesetzentwurf über die Reform der Universitäten". Opzoomers philosophischer Standpunkt ist der eines nationalen Empirismus. In "De weg der wetenschap" (Utrecht 1851; deutsch von Schwindt, das. 1852; dann umgearbeitet unter dem Titel: "Het wezen der kennis", 2. Aufl., Amsterd. 1867) gab er ein Handbuch der Logik, in welchem er die Methode der Naturwissenschaften und ihre Anwendung auf die ethischen Disziplinen darzulegen suchte. Ferner schrieb er: "Oratio de philosophiae natura" (Utrecht 1852); "Konservatismus und Reform" (das. 1852); "Wetenschap en wijsbegeerte" (Amsterd. 1857); "De waarheid en hare kenbronnen" (das. 1862); "De godsdienst" (das. 1864; deutsch von Mook, Elberf. 1868); "Scheiding van kerk en staat" (Amsterd. 1875) u. a. Als Jurist lieferte er viele Schriften über öffentliches und Privatrecht, darunter eine ausführliche Erklärung des holländischen Zivilgesetzbuchs (bis jetzt 11 Bde.). Während des deutsch-französischen Kriegs 1870/71 trat er in zwei auch ins Deutsche übersetzten Reden mit Wärme für das Recht der Deutschen ein. Seit 1861 ist er Präsident der königlichen Akademie der Wissenschaften.

Or., Abkürzung für Oregon (Staat).

Ör, 1) frühere Rechnungs- und geprägte Scheidemünze in Schweden, in Silber (Stüber, Witten) und in Kupfer (Rundstücke); von letztern gingen drei auf ein Silberör. Das Silberör = 3⅜ Pfennig, das Kupferör also = 1⅛ Pfennig = 1/100 Riksdaler Riksmünt. - 2) Jetzige Scheidemünze, = 1/100 Kronor (Krone), ebenfalls = 1⅛ Pfennig.

Ora et labōra! (lat.), bete und arbeite!

Orade, s. Goldbrasse.

Orākel (lat. oraculum), im Altertum eins der Mittel, wodurch die Götterwelt mit den Menschen in unmittelbar Wechselbeziehung trat, und als solches einer der wichtigsten Träger der Religion, zugleich aber auch durch Priestereinfluß ein nicht unbedeutendes Moment in der Geschichte der alten Völker. Die O. bilden einen Hauptteil der Divination, insofern sie besondere Offenbarungen eines Gottes sein sollen, die an einem bestimmten Orte den Verlangenden gegeben und durch gewisse Mittelspersonen, meist Priester des Gottes, mitgeteilt und verdeutlicht werden. Die Art und Weise, wie die Gottheit ihren Willen in den Orakeln mitteilte, war verschieden, weshalb man die ganze Gattung der O. zunächst in die drei Arten der Traumorakel, der Spruchorakel und der Zeichenorakel einteilt. In dem berühmtesten aller, zu Delphi, erregte ein Dampf, welcher aus dem Schlund emporstieg, die Begeisterung der Wahrsagerin; in Dodona ward aus der Bewegung der Blätter an der heiligen Eiche, aus dem Ton der aufgestellten Erzbecken, aus dem Murmeln der Quelle auf den Willen der Gottheit geschlossen; in Delos beobachtete man das Rauschen des Lorbeers, im libyschen Ammonium gewisse Erscheinungen an dem aus Edelsteinen zusammengesetzten Bildnis des Gottes; bei den sibyllinischen Orakeln schlug man auf Befehl des Senats und in Gegenwart eines Magistrats die von den Sibyllen herstammenden Sammlungen nach. Inwieweit die Priester selbst von der Wahrheit dieser Offenbarungen überzeugt waren, läßt sich schwer entscheiden; jedenfalls aber würde es einseitig und unhistorisch sein, in denselben lediglich absichtlichen Priesterbetrug zu sehen. Sogar aus der dunkeln Form der Antworten, welche besonders das delphische O. charakterisiert, darf nicht sofort auf absichtliche Täuschung geschlossen werden, wenn auch zugegeben werden muß, daß sich die Priesterschlauheit gern durch die zweideutigen Antworten für alle Fälle sicherstellte. Die besondern Anlässe, denen die einzelnen Orakelsitze ihre Entstehung verdankten, waren in der Regel physische, welche wegen ihrer vom Gewöhnlichen abweichenden Natur den Glauben an die Nähe der weissagenden Gottheit veranlaßten. Bald war es eine wohlthätige Quelle, woran das griechische sowohl als auch das germanische Altertum die Nähe einer Gottheit knüpfte, bald waren es Naturerscheinungen (Wasserdämpfe aus heißen Quellen etc.), welche begeisternde Wirkungen hervorbrachten, bald Orte, wo die Überreste eines berühmten Sehers ruhten. Im letztern Fall fand in der Regel auf den Fragenden selbst noch eine unmittelbar göttliche, begeisternde Einwirkung statt; so mußte z. B. bei dem O. des Amphiaraos der Fragende nach eintägigem Fasten und dreitägiger Enthaltsamkeit von Wein im Tempel des Heiligtums schlafen, damit ihm im Traum der Wille der Gottheit kund würde (sogen. Inkubation), wobei jedoch eine Deutung des Traums durch die Priester nicht ausgeschlossen war. Der mit den Orakeln verbundene Zweck war übrigens nicht nur, im Namen der Gottheit Auskunft über zukünftige Dinge zu geben, sondern das gesamte Leben und Thun einer noch vielfach ratbedürftigen Bevölkerung durch göttliche Autorität da zu leiten, wo die eigne Einsicht den Einzelnen oder ganze Staaten im Stiche ließ, oder auch, wo der einzelne, geistig höher stehende und die Verhältnisse klarer als die Menge überschauende Mann ohne Beihilfe des Ansehens der Religion mit seinem Rat nicht durchdringen konnte. In diesem Sinn benutzten Staatsmänner häufig die O., weshalb man sie nicht mit Unrecht für gewisse Perioden der griechischen Geschichte geradezu politische Institute nennen darf. So übten die O. großen Einfluß auf Erhaltung des Bewußtseins gemeinsamer Nationalität sowie zur Erreichung allgemeiner vaterländischer Interessen unter den staatlich sehr geteilten und zwiespältigen Griechen, indem man