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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Österreich, Kaisertum

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Österreich, Kaisertum (Jagd und Fischerei Bergbau, Industrie).

des Borstenviehs, welche in den Alpenländern, aber auch in den industriereichen Ländern (Mästung mit Fabrikabfällen) stark betrieben wird. An Viehzuchtprodukten ergeben sich jährlich (abgesehen von Fleisch, Häuten und Knochen) ca. 43 Mill. hl Milch, 625,000 metr. Ztr. Butter, 650,000 metr. Ztr. Käse und 50,000 metr. Ztr. Wolle. Die Zahl der Bienenstöcke belief sich 1880 auf 926,312, welche einen Ertrag von 33,000 metr. Ztr. Honig und 4000 metr. Ztr. Wachs lieferten. Die jährliche Erzeugungsmenge an Seidenkokons, hauptsächlich in Südtirol, dann im Küstenland, beträgt durchschnittlich 20,000 metr. Ztr.

Zu den landwirtschaftlichen Nebenbeschäftigungen gehören die Jagd und die Fischerei. Erstere brachte 1881 zum Abschuß: an Raubwild 46,500 Stück Haarwild (hauptsächlich Füchse, Iltisse und Marder, dann Dachse und Fischotter, endlich auch, in den Karpathen, Wölfe, Luchse und Bären) und 111,000 Stück Federwild (namentlich Habichte, Falken, Sperber, dann Eulen, Uhus und Adler); ferner an Nutzwild 1,117,000 Stück Haarwild (meist Hasen, dann Rehe, Kaninchen, Rotwild, Gemsen, Schwarzwild, Damwild und Murmeltiere) und 1,070,000 Stück Federwild (Rebhühner, Fasanen, Wachteln, Wildenten, Schnepfen, Hasel-, Birk- und Auerwild, Stein- und Schneehühner, Wildgänse). Die Fischerei wird als See-, Fluß- und Teichfischerei (letztere namentlich in Böhmen) betrieben. Die Seefischerei, welche für die Küstenstriche Dalmatiens und das Küstenland von wirtschaftlicher Bedeutung ist, beschäftigt ca. 11,000 Fischer mit 2800 Booten und 11,000 andre Personen und liefert einen Ertrag an Fischen, Schaltieren und Mollusken im Wert von 2½ Mill. Gulden.

Mannigfaltig sind die Produkte des Bergbaues, obwohl die vorhandenen Lagerstätte teilweise nicht gehörig ausgebeutet werden. Von Metallen wird Silber in Böhmen (Přibram), Quecksilber in Krain (Idria), Zinn in Böhmen, Zink in Galizien, Steiermark und Krain, Blei in Kärnten, Krain und Böhmen, Kupfer in Salzburg gewonnen. Der Bergbau auf Eisenerze und die Gewinnung von Roheisen sind in allen Ländern, mit Ausnahme von Oberösterreich, Dalmatien und dem österreichisch-illyrischen Küstenland, am stärksten aber in Steiermark, Kärnten, Böhmen und Mähren vertreten. Graphit wird meist in Böhmen, Mähren und Steiermark, Petroleum in Galizien gewonnen. Alle Länder, mit Ausnahme von Salzburg und der Bukowina, besitzen Kohlenlager; doch werden die größten Quantitäten von Stein- und Braunkohlen in Böhmen, Schlesien, Mähren und Steiermark produziert. Steinsalz wird aus unerschöpflichen Lagern in den Karpathen (namentlich zu Wieliczka und Bochnia in Galizien) zu Tage gefördert, während Sudsalz außerdem in den Alpen (Hallstatt, Ischl, Ebensee, Hallein, Aussee und Hall) bereitet wird. Seesalz liefern Istrien und Dalmatien. Im J. 1886 waren beim Bergbau, Hütten- und Salinenbetrieb 116,632 Arbeiter beschäftigt. Der Geldwert der Bergwerksprodukte belief sich ohne Rücksicht auf den Ertrag nutzbarer Steine u. Erdarten auf 87,4 Mill. Guld., wovon auf Steinkohlen 22,3, auf Braunkohlen 18,7, auf Salz 22,2 Mill. Guld. entfallen. Die Erzeugungsmengen betrugen im J. 1886:

^[Liste]

Gold Kilogr. 17 metr. Ztr.

Silber " 35697 Braunstein 92464

Roheisen metr. Ztr. 4853133 Alaun 18082

Kupfer " " 7448 Graphit 172674

Blei u. Glätte " " 111324 Braunkohlen 109313522

Zinn " " 418 Steinkohlen 74212776

Zink " " 38432 Kochsalz 2515997

Quecksilber " " 5413 Industriesalz 311020

Der Ertrag der Torfstiche belief sich 1885 auf 848,650 metr. Ztr. Schließlich muß auch der Steinbrüche gedacht werden, welche Marmor, Pflastersteine, Platten etc. liefern. Geognostisch-montanistische Vereine, montanistische Lehranstalten und vor allem die ausgezeichnete k. k. geologische Reichsanstalt zu Wien sind wichtige Förderungsmittel des Bergbaues. Bei den meisten Bergbauen sind die neuesten Fortschritte im Bergbaubetrieb in Anwendung gebracht; "Bruderladen" (Knappschaftskassen) sorgen für die Unterstützung verarmter und verunglückter Bergarbeiter.

Industrie.

Der Reichtum an mannigfaltigen Rohstoffen, Wasserkräften und Brennmaterial, das große Absatzgebiet in Ö. und Ungarn sowie in den benachbarten südlichen und östlichen Ländern, verhältnismäßig billige Arbeitskräfte in der genügsamen, ziemlich dichten Bevölkerung, die Errichtung von zahlreichen Real- und Gewerbeschulen, Versuchsanstalten und Gewerbemuseen, die Gründung von Gewerbevereinen und Gewerbekammern, die Gesetzgebung über Erfindungsprivilegien, Muster- und Markenschutz, die Ausbreitung und Vervollkommnung der Verkehrswege und des gewerblichen Kreditwesens: dies alles zusammengenommen hat in Ö. ein sehr rühriges Leben auf dem Feld industrieller Thätigkeit erzeugt. Die Gewerbeordnung vom J. 1859, welche die alten Zunftprivilegien abschaffte und im allgemeinen das Prinzip der Gewerbefreiheit zur Geltung brachte, hat seither 1883 und 1885 Modifikationen erfahren, indem die sogen. handwerksmäßigen Gewerbe an einen Befähigungsnachweis gebunden wurden, ferner die Zwangsgenossenschaften eine neue eingehende Organisation erfuhren und ein Arbeiterschutzgesetz (mit: Sonntagsruhe und Normalarbeitstag) geschaffen wurde. Zur Handhabung dieses Gesetzes wurden Gewerbeinspektoren bestellt. Nach deutschem Muster wird auch die Unfall- und Krankenversicherung der Arbeiter durchgeführt. Unbestritten hat die Industrie in Ö. erfreuliche Fortschritte gemacht, welche den auf dem Gebiet der Landwirtschaft bemerkbaren Fortschritt weit überragen. Allerdings herrscht hierin unter den einzelnen Kronländern noch eine große Verschiedenheit. In Niederösterreich, Böhmen, Mähren, Schlesien, Vorarlberg ist das Fabrik- und Manufakturwesen bereits sehr blühend; in andern Kronländern sind größere Fabrikunternehmungen zwar noch selten, aber das gewöhnliche Handwerk oder Kleingewerbe ist für den Lokalbedarf in ausreichendem Umfang vertreten, was nur in Galizien, der Bukowina und Dalmatien weniger der Fall ist. Die Hausindustrie ist auf vielen Gebieten noch von großer Bedeutung. Nach der Volkszählung vom J. 1880 gehörten dem Beruf der gewerblichen Industrie in ganz Ö. 4,710,047 Personen, d. h. von je 1000 Personen der Gesamtbevölkerung 213 Personen, an, ein Verhältnis, das sich in Niederösterreich auf 371, in Böhmen auf 327, in Vorarlberg auf 283, in Schlesien auf 274, in Mähren auf 268 und in Oberösterreich auf 255 stellt. Den Glanzpunkt des österreichischen Gewerbfleißes bildet Leinen-, Woll-, Seiden-, Leder-, Gold-, Silber-, Eisen-, Stahl-, Glas- und Thonwarenfabrikation. Auch in den übrigen Zweigen der Textilindustrie, ferner in Holzwaren, Chemikalien, Maschinen, musikalischen Instrumenten, Bier, Branntwein, Zucker u. a. steht Ö. auf hoher Stufe.

Unter den metallverarbeitenden Industrien ist der wichtigste Zweig die Eisenindustrie, für welche das Material in reichlichem Maß und vorzügliche Qualität vorhanden ist. Nach der letzten Erhebung