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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Ostindien

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Ostindien (Geschichte).

vom wirklichen Leben, flüchteten sich ganz in die Welt der Phantasie.

Im 6. Jahrh. erstand der Buddhismus (s. d.) als eine Reaktion gegen das Brahmanentum und drohte eine Zeitlang, dasselbe zu besiegen. Aber, obwohl schließlich aus O. verdrängt, übte er doch auf die Umgestaltung der brahmanischen Religion durch die Lehre von den Inkarnationen und der Trimurti einen wesentlichen Einfluß aus. Doch den passiven Charakter des Volkes veränderte er nicht, und nach dem Sieg des Brahmanentums nahm es nicht nur die Religion desselben mit allen Dogmen und Zeremonien wieder an, sondern hing auch seitdem an ihr mit einer Zähigkeit, welche keine Gewalt fremder Eroberer, kein Eindringen ausländischer Sitte zu überwinden vermochte. Schon Dareios I. von Persien eroberte 517 einen Teil des Indusgebiets. Alexander d. Gr. drang 326 bis an die Ostgrenze des Pandschab vor und fuhr den Indus bis zu seiner Mündung hinab; er gründete Kolonien in dem eroberten Land und ließ makedonische Truppen zurück. Das Verdienst, die fremden Krieger vertrieben zu haben, wird dem König Tschandragupta (Sandrakottos, 315-291) zugeschrieben, der, in Patna residierend, fast das ganze nördliche Indien unter seiner Herrschaft vereinigte. Sein Enkel Asoka (293-226) begünstigte die Ausbreitung des Buddhismus; sein Reich erstreckte sich bis an den Ganges. Im letzten Jahrhundert v. Chr. bemächtigten sich türkisch-tatarische Völker aus Zentralasien, Saka oder Indoskythen genannt, des Pandschab; aus dem mittlern Indien wurden sie vom König Wikramaditya von Malwa 57 v. Chr. (mit diesem Jahr beginnt die Samwat-Ära) wieder vertrieben und 78 n. Chr. bei Multan vom König Saliwahana besiegt (daher die Saka-Ära von 78 ab).

Von Iran aus drangen 705 die Araber in Sind ein; völlig erobert wurde es 712 vom Meer aus durch den arabischen Statthalter von Chorasan, Mohammed ben Kasim, der drei Statthalterschaften errichtete, und dessen Nachfolger auch die Halbinsel Gudscharat besetzten. 1001 unternahm der Ghasnawide Mahmud seinen ersten Heereszug nach Indien; auf den weitern Kriegszügen drang er bis Dehli vor und zerstörte Städte und Tempel. Doch behaupteten die Ghasnawiden dauernd nur die Indusprovinzen, bis sie Ende des 12. Jahrh. von den afghanischen Ghoriden gestürzt wurden. Sultan Schahab ed din aus dieser Dynastie eroberte 1190 das Pandschab, ward jedoch siebenmal vom König Prithwiradscha von Dehli zurückgeschlagen. Erst 1192 siegte er am Flusse Saraswati (Gogra) und brachte Dehli unter seine Gewalt; in allen unterworfenen Ländern wurde der Islam ausgebreitet. Auf die erste von Schahab ed din begründete Dynastie folgten in Hindostan noch vier afghanische Dynastien bis 1526, welche in Dekhan und dem nordöstlichen Indien aber nur vorübergehend Einfluß gewannen.

Der letzte afghanische Sultan von Dehli, Ibrahim, fiel 1526 bei Panipat im Kampf gegen den tatarischen Sultan Baber, der nun das Reich der Großmoguls gründete. Der berühmteste und bedeutendste derselben war Akbar (1556-1605), der seine Waffen siegreich bis zur West- und Ostküste trug, großartige Paläste und Moscheen erbaute und eine vortreffliche Verwaltung schuf. Sein Sohn Dschehangir (1605-28) dagegen war ein blutgieriger Fanatiker für den Islam, ebenso dessen Sohn Aurengzib (1658 bis 1707), nach dessen Tode das Reich zerfiel. Die mohammedanischen Statthalter und die Hinduradschas, welchen ihr Land gegen bestimmte Abgaben zu Lehen gegeben war, machten sich mehr und mehr unabhängig. Besonders das von Siwadschi (gest. 1682) gegründete Reich der Marathen (s. d.) wurde dem Großmogul gefährlich. 1739 überzog der persische Schah Nadir Hindostan mit Krieg, richtete in Dehli ein schreckliches Blutbad an und schleppte eine ungeheure Beute (angeblich 2500 Mill. Mk.) mit sich fort. Ein Einfall der Afghanen unter Achmed Schah Abdalli (1760) befreite Nordindien von der Herrschaft der Marathen, die es 1758 erobert hatten, durch die Schlacht bei Panipat (6. Jan. 1761), verhalf aber dem Großmogulreich nicht zu neuer Macht.

Inzwischen war 1498 nach der Umschiffung Afrikas der Portugiese Vasco da Gama in Kalikat an der Küste Malabar gelandet, wo er von dem einheimischen Landesfürsten mit Ehren aufgenommen wurde. Die Portugiesen machten sich aber bald durch Grausamkeit und Einführung der Inquisition verhaßt. Gleichwohl entrissen sie den Arabern den einträglichen Handel mit O. und befestigten unter Almeida und Albuquerque ihre Herrschaft; 1509 nahmen sie Goa ein. Als Portugal unter spanische Herrschaft kam (1580), suchten sich die Holländer in O. festzusetzen und gründeten 1594 die niederländische Ostindische Handelskompanie, der 1600 eine englische, 1616 eine dänische, 1664 eine französische folgten. Die niederländische Handelskompanie, welche ihr Hauptaugenmerk auf die Inseln richtete, und die dänische gelangten auf dem Festland zu keiner Bedeutung; die Besitzungen der erstern gingen Mitte des 18. Jahrh., die der letztern (Trankebar, Frederiksnagar und Serampur) 1845 durch Kauf an England über. Die englisch-indische Handelskompanie gab sich 1612 eine festere Organisation und erhielt 1624 die peinliche Gerichtsbarkeit verliehen; von da an ward die Handelsgesellschaft zugleich als politische Regierung anerkannt. Die erste Faktorei ward 1612 mit Bewilligung des Großmoguls Dschehangir in Surate gegründet, der an der Ostküste 1620 Masulipatam und Armeghon folgten. 1639 ward das Fort St. George in Madras erbaut; 1640 gelangten die ersten englischen Schiffe nach der Mündung des Hugli in Bengalen. Durch Duldsamkeit, Nachgiebigkeit und Unterstützung des einen Gewalthabers gegen den andern gelangten die Engländer zu vorteilhaften Handelsverträgen. Wichtig waren der Erwerb der Insel Bombay, die, 1532 von den Portugiesen besetzt, 1661 als Mitgift der Gemahlin Karls II. an die englische Krone kam und von dieser 1668 an die Handelskompanie abgetreten wurde, und die Gründung des Forts William am Hugli (Kalkutta).

Die von Colbert gegründete Französisch-Ostindische Handelskompanie blühte anfangs rasch auf, erwarb 1674 durch Kauf Ponditscherri und Tschandarnagar in Bengalen und hatte auch vorübergehend (1746-48) Madras im Besitz. Fast ganz Südindien war damals dem Nizam von Haidarabad unterthan, der Nabob von Karnatik (Arkot) war sein Vasall. Die Franzosen begünstigten nun Tschanda Sahib, einen Nachkommen der Dynastie, welcher der Nizam die Nabobwürde von Karnatik entzogen hatte, während die Engländer dessen Feind, den Fürsten von Tandschor, einen Vasallen der Marathen, begünstigten. In dem sich nun entspinnenden Kampf erfochten die Franzosen Sieg auf Sieg, bis Clive die Führung der Engländer erhielt und durch die Einnahme von Arkot (30. Aug. 1751) dem Krieg eine andre Wendung gab; er befreite Tritschinapalli von der französischen Belagerungsarmee und nahm diese im Juni 1752 gefangen. Clive wandte sich darauf nach Ben-^[folgende Seite]