Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Ostpreußen

546

Ostpreußen (Geschichte von Altpreußen).

das Reich und die angesehensten Fürstenfamilien zur Hilfe gegen Polen zu veranlassen, erreichte er nichts. Beide Hochmeister wurden, als sie die Lehnshuldigung verweigerten und es auf einen Krieg mit Polen ankommen ließen, von Kaiser und Reich im Stiche gelassen, und ihre eignen Hilfsmittel waren zu gering. Albrecht mußte nach fruchtlosem Kampf aus Mangel an Geld 7. April 1521 zu Thorn einen Waffenstillstand mit Polen schließen. Hierauf ernannte er den Bischof von Samland, Georg von Polenz, zum Statthalter und reiste 1522 nach Deutschland, um durch Vermittelung des Kaisers einen annehmbaren Frieden zu erlangen. Aber seine Bemühungen scheiterten, und mit dem Deutschmeister verwickelte er sich in einen ärgerlichen Streit. Auf dieser Reise hatte er 1523 eine Zusammenkunft mit Luther, welcher ihm den Rat erteilte, den Orden aufzugeben und Preußen in ein weltliches Herzogtum zu verwandelt. In Preußen nämlich hatte die Reformation bereits viele Anhänger gefunden, und der Bischof Georg von Polenz erklärte sich 1524 öffentlich für dieselbe. Da Albrecht keine Hoffnung hatte, den Krieg erfolgreich führen zu können, so faßte er den Entschluß, Luthers Rat zu folgen und dem König von Polen als weltlicher Herzog zu huldigen.

So kam 8. April 1525 der Friede von Krakau zu stande. König Siegmund I. belehnte Albrecht 10. April zu Krakau mit Preußen in den durch den zweiten Thorner Frieden festgestellte Grenzen, also dem jetzigen O., das seitdem das herzogliche Preußen genannt wurde im Gegensatz zum königlich polnischen Westpreußen, als einem weltlichen Herzogtum, weil der Orden durch hartnäckige Verweigerung der Huldigung seine Ansprüche auf Preußen verwirkt habe. Am 9. Mai hielt nun Albrecht I. seinen Einzug in Königsberg, wo er von den zahlreichen Anhängern der Reformation mit offenen Armen empfangen wurde. Am 25. Mai setzten königliche Bevollmächtigte den Herzog in die landesherrliche Gewalt ein, und die Bischöfe von Pomesanien und Samland sowie die Städte huldigten ihm als erblichem Fürsten, wogegen er dem Adel und den Städten landständische Rechte zuerkannte. Die wenigen Ritter, welche dem Orden treu blieben, wandten sich mit dem Herzog Erich von Braunschweig nach Deutschland. Bei weitem die meisten blieben im Land, erhielten Lehnsgüter und verheirateten sich. Der Herzog selbst vermählte sich 1526 mit der Prinzessin Anna Dorothea von Dänemark. Der Papst Clemens III. erklärte nun zwar das Verfahren des Herzogs für unrechtmäßig, der Deutsche Orden protestierte gegen die Säkularisierung des Ordensgebiets und stellte in Walther von Kronberg einen neuen Hochmeister auf, welcher seinen Sitz in Mergentheim aufschlug; auch der Kaiser verlangte 1530 vom Herzog die Räumung des Landes und bestätigte die 1533 vom Reichskammergericht gegen Albrecht ausgesprochene Acht. Allein dieser blieb im ungestörten Besitz des Landes, da der Kaiser die Reichsacht gegen ihn nicht durchzuführen vermochte.

Nichtsdestoweniger hatte der Herzog einen schweren Stand: Unruhen, Religionsstreitigkeiten und Zwistigkeiten mit den Ständen machten ihm viel zu schaffen. Der Adel suchte die fürstliche Gewalt zu seinen gunsten zu schwächen und ein Privilegium nach dem andern zu erringen. In allen Streitigkeiten riefen die Stände die Einmischung Polens an, das bereitwilligst die Gelegenheit ergriff, sein Oberlehnsrecht geltend zu machen. Indes wurde die Reformation in Preußen doch dauernd begründet und 1544 durch Stiftung der Universität Königsberg die Herrschaft deutschen Geisteslebens gesichert. Am 20. März 1568 starb Herzog Albrecht. Sein Sohn Albrecht Friedrich, obwohl noch minderjährig, empfing 1569 die Belehnung mit Preußen. Hierbei erlangte Kurfürst Joachim II. von Brandenburg für sich und seine Leibeserben die Mitbelehnung. 1572 übernahm Albrecht Friedrich die Regierung, zeigte aber infolge der Anmaßungen des Adels und der streit- und herrschsüchtigen lutherischen Geistlichkeit bald Spuren von Schwermut. Daher wurde 1577 Markgraf Georg Friedrich von Brandenburg von der fränkischen Linie zum Administrator des Herzogtums ernannt u. regierte das Land unter mancherlei Zerwürfnissen mit den Ständen bis zu seinem Tod (1603). Im J. 1605 wurde Kurfürst Joachim Friedrich von Brandenburg Administrator von Preußen. Nach seinem Tod (1608) erlangte Kurfürst Johann Siegmund, der 1594 Albrecht Friedrichs ältere Tochter, Anna, geheiratet hatte, 1609 die Vormundschaft über seinen blödsinnigen Schwiegervater und wurde 1611 mit Preußen förmlich belehnt. Dadurch, daß er Polen zuliebe den Katholiken in Preußen freie Religionsübung gestattete, und daß er 1613 selbst von der lutherischen zur reformierten Kirche übertrat, geriet er in mißliche Stellung zu den streng lutherischen Ständen, welche, nach völliger Unabhängigkeit strebend, dem neuen Herrscherhaus, dessen Macht ihnen Gefahr drohte, alle möglichen Schwierigkeiten bereiteten und bei der Krone und dem Reichstag von Polen für alle Klagen und Beschwerden ein stets offenes Ohr fanden.

So war die Stellung des Kurfürsten eine äußerst schwierige und seine Gewalt eine höchst geringe. Auch als nach dem Tode des blödsinnigen Herzogs Albrecht Friedrich (28. Aug. 1618) Preußen an Brandenburg fiel und mit dem brandenburgisch-preußischen Staat vereinigt wurde, änderten sich die Verhältnisse nicht zum Bessern. Bei jedem Regierungswechsel verlangten die Stände als Preis ihrer Huldigung Erweiterung ihrer Rechte und Privilegien und Beschränkung der landesfürstlichen Gewalt, und Polen kam ihnen mit Verweigerung der Belehnung zu Hilfe, welche sowohl Georg Wilhelm (1619-40) als Friedrich Wilhelm (1640-88) erst nach jahrelangen Verhandlungen durch namhafte Geldopfer erreichen konnten. Dazu kam, daß Preußen durch seine Lage und sein Lehnsverhältnis zu Polen in die schwedisch-polnischen Kriege verwickelt wurde. Während des Dreißigjährigen Kriegs, der übrigens Preußen mit seinen Verheerungen verschonte, besetzte Gustav Adolf mehrere Jahre die bedeutendsten Häfen Preußens und bemächtigte sich der Zolleinnahmen, welche sehr beträchtlich waren, da Preußens Handel noch immer in hoher Blüte war. Namentlich während des Kriegs von 1655 bis 1660 hatte Preußen durch Verwüstungen seitens der Polen, Tataren und Moskowiter furchtbar zu leiden. Indes brachte dieser Krieg dem Großen Kurfürsten endlich die ersehnte Befreiung von der fremden Oberlehnshoheit. Nachdem er 1656 Preußen von dem siegreichen König Karl X. Gustav von Schweden hatte zu Lehen nehmen müssen, erlangte er nach der Schlacht bei Warschau von diesem, 1657 im Wehlauer Vertrag auch von Polen die Anerkennung der Souveränität seines Herzogtums Preußen, welche im Frieden von Oliva (1660) bestätigt wurde. Daß die selbstsüchtigen und anmaßenden Stände ihm die Huldigung als souveränem Landesfürsten verweigerten, wenn er nicht ihre früher erpreßten Vorrechte anerkenne, veranlaßte ihn, sofort den Kampf mit denselben aufzunehmen und sie 1662 zur Unter-^[folgende Seite]