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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Palästina

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Palästina (Geschichte).

subtropische Flora besitzt. Zeder und Cypresse kommen jetzt nur noch selten vor. Die Knoppereiche wächst im N. und O. Palästinas, die Steineiche südlich vom Karmel, die Terebinthe und der Johannisbrotbaum überall, die Tamariske und Pappel im untern Jordanthal. Weizen, von welchem der Bauer meist lebt, dann Gerste, Dinkel, Hirse, Sorghum, Bohnen, Erbsen, Linsen, auch Roggen und Mais sind die hauptsächlichsten Getreidearten, welche schon im Altertum angebaut wurden. Auch Anis, Fenchel, Senf, Kümmel, Sesam, Hanf und Flachs kommen vor; ferner Blumenkohl, Gurken, Lattich, Zwiebeln, Melonen, Artischocken, Spargel, Trüffeln in der Wüste (letztere drei wild wachsend). Baumwolle gedieh in P. in alter wie neuer Zeit; im Mittelalter war die Baumwollweberei berühmt, jetzt arbeitet sie meist nur für den inländischen Verbrauch. Maulbeerbäume gab es schon in alten Zeiten; Morus alba jedoch, jetzt namentlich im Libanon verbreitet, wurde erst in byzantinischer Zeit eingeführt. Zuckerrohr und Balsamstaude gediehen einst bei Jericho, ersteres jetzt noch bei Jafa und Akka; die Dattelpalme findet sich im S. Palästinas und wild am Toten Meer. Weit verbreitet waren und sind Ölbaum, Feigenbaum und Weinstock. Erst seit neuester Zeit keltern wieder deutsche Kolonisten in Hebron, Bethlehem etc. gute Weinsorten. Birn- und Apfelbäume waren zu jeder Zeit selten, Granaten anscheinend einst verbreiteter als jetzt. Berühmt sind die ausgedehnten Baumgärten des heutigen Jafa, wo Apfelsinen, Zitronen, Pfirsiche, Mandeln etc. in üppiger Fülle gedeihen. Die Viehzucht bildete einen der Haupterwerbszweige der Bewohner Palästinas. Heute wie vorzeiten gibt es zahlreiche Herden von Schafen und Ziegen, welche neben Hühnern ausschließlich die Fleischnahrung liefern. Das Rind diente mehr zum Pflügen und Dreschen; der zahme Büffel wird jetzt im Jordanthal gehalten; Kamele finden sich mehr im Ostjordanland und in der südlichen Wüste als im W. Pferde sind jetzt häufiger als in alter Zeit, dafür waren damals Esel und Maultiere weit mehr im Gebrauch als jetzt. Besonders geschätzt sind heute die großen weißen Esel aus der Wüste. Schweine fanden sich nur bei den heidnischen Bewohnern des Ostjordanlandes. Die Gans scheint in alten Zeiten nicht gezüchtet worden zu sein, das heute verbreitete Haushuhn erst seit dem Exil. Der Hund und die erst spät gezähmte Katze lebten stets in P. in halbwildem Zustand. Von wilden Tieren kamen und kommen vor: Hyänen, Schakale, Füchse, Dachse, Igel, Stachelschweine, Löwen (jetzt ausgestorben), Leoparden (jetzt sehr selten), Geparden, Wildschweine, Bären (im Libanon), Gazellen, Steinböcke; sodann Fledermäuse, allerlei Nagetiere, Klippschliefer, wilde Enten, Rebhühner, wilde Tauben, Wachteln, Störche, Adler, Geier; allerlei Schildkröten, Schlangen und Eidechsen. Im See Genezareth ward einst bedeutende Fischerei getrieben; die Bienenzucht liefert Ersatz für den Zucker. Von Ausbeutung etwa vorhandener Metalle ist in P. nie die Rede gewesen. Von den verschiedenen, zum Teil sehr verheerenden Landplagen Palästinas stehen die häufigen Erdbeben obenan, deren in der Heiligen Schrift mehrere erwähnt werden. Heiße, versengende Ostwinde, Hagelwetter, Wolkenbrüche, Heuschreckenzüge, allgemeine Dürre behaupten noch jetzt, wie ehedem, ihre Gewalt und vermehren die Unsicherheit der Existenz in dem Grad, als ihnen eine geregelte Kultur durch geeignete Präservativmittel nicht mehr entgegenwirkt. Auch die Plage des Aussatzes sucht jetzt noch die Bewohner Palästinas, namentlich die ärmern Klassen, heim.

Heute zerfällt P. in die vier Liwas El Kuds e'-Scherif (Jerusalem), Nabulus, welches auch die Belka jenseit des Jordans umfaßt, Akka und Hauran des Wilajets Surija (Syrien), deren Gesamtbevölkerung, soweit jene Bezirke Teile des alten P. umfassen, höchstens 650,000 Seelen beträgt. Dagegen lassen die (freilich wohl übertriebenen) Angaben der Bibel schließen, daß die Juden etwa in der Stärke von 2½ Mill. einwanderten und in der Zeit der Richter vielleicht das Doppelte (?) zählten. Immerhin mag das Land einst vier- bis fünffach stärker bevölkert gewesen sein, also 2½ Mill. Seelen besessen haben, was die heutige Bevölkerungsdichtigkeit der Schweiz überträfe. Ethnographisch setzt sich die heutige Bevölkerung aus Syrern und Arabern zusammen, wozu in kleinerer Zahl noch Griechen, Türken, Juden und Franken (Deutsche in Haifa, Jafa, Jerusalem etc.) kommen. Nach der Religion scheiden sie sich in Mohammedaner (80 Proz.), Christen der verschiedenen Riten und Juden, welch letztere übrigens keine Reste der alten Juden, sondern in neuerer Zeit aus Europa eingewandert sind.

Geschichte.

Die ältesten Einwohner von P. waren, abgesehen von den im Pentateuch und im Buch Josua erwähnten, die semitischen oder kanaanitischen Stämme der Chetiter, des hervorragendsten, mächtigsten Volkes, dessen Gebiet sich um das Bergland von Hebron vom Jordan bis zum Mittelmeer erstreckte, der Jebusiter in und um Jerusalem (früher Jebus), der Cheviter und Amoriter nördlich, der Moabiter östlich, der Philister südlich von den Chetitern. Sie hatten eine zahlreiche Bevölkerung, wohnten in stattlichen ummauerten Städten und betrieben nicht nur einträglichen Ackerbau, sondern auch Handelsverkehr und Gewerbe. Ihre höchsten Götter waren Baal und Astarte. Hof und Heer ihrer Könige waren stattlich und wohlgeordnet. Die Chetiter konnten im 14. Jahrh. v. Chr. 2500 Streitwagen stellen. Schon um 2000 wurden die Kanaaniter von Elam und Babylonien aus bekriegt, und nach der Vertreibung der Hyksos aus Ägypten zwangen die Pharaonen von Theben die Kanaaniter wiederholt zur Zahlung ansehnlicher Tribute, ohne jedoch eine dauernde Herrschaft über sie zu erlangen. Im 13. Jahrh. trat eine bedeutende Veränderung in P. ein, indem die Amoriter nach Unterwerfung der Moabiter das Reich der Chetiter stürzten und auch den Chevitern den südlichen Teil ihres Gebiets entrissen. Die Chetiter flohen teils nach Phönikien, teils blieben sie inmitten der Amoriter wohnen, die ebenfalls kein einheitliches Gemeinwesen bildeten, so daß P. in zahlreiche kleine Fürstenherrschaften zerfiel. Um 1250 fielen die Israeliten unter Josua in Kanaan ein, eroberten Jericho und besiegten mit Hilfe der Cheviter die Amoriter in der Schlacht bei Gibeon. Hierauf eroberten sich die einzelnen Stämme (Ruben, Gad und der größere Teil von Manasse blieben auf dem östlichen Jordanufer) in Einzelkämpfen ihre Gebiete; lange Zeit blieben noch Reste der alten Einwohner (Kanaaniter und Gibeoniten) unter den Israeliten wohnen. Die Philister behaupteten nicht nur ihre Unabhängigkeit, sondern eroberten sich in den Zeiten der Spaltung der Israeliten einen großen Teil des Landes, und erst unter David wurde ihre Macht gebrochen und die Unterwerfung von ganz P. unter die Herrschaft der Israeliten vollendet, die sich 953 in die Reiche Juda und Israel teilten. Im Verlauf der geschichtlichen Entwickelung (s. Juden) erlitt die alte Einteilung Palästinas bedeutende Abänderungen. Seit der Babylonischen Gefangenschaft verlor die Unterscheidung