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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Papst

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Papst (Geschichte des Papsttums bis 858).

annahmen. Zu derselben Zeit kamen auch die Ausdrücke auf: "apostolischer Herr", "apostolischer Sitz" etc. Den Ehrentitel P., den in der griechischen Kirche alle Kleriker führten, gebrauchte in der lateinischen zuerst der römische Bischof Siricius zur Bezeichnung seiner Stellung. Auch unter den übrigen römischen Bischöfen dieser Periode ist noch mancher staatskluge und charakterstarke Mann. Liberius, zuerst wegen seiner Opposition gegen den Arianismus von Constantius exiliert, erwarb 358 durch Übertritt zum Semiarianismus seinen Bischofstuhl wieder, den seit 355 der Arianer Felix II. eingenommen hatte, wodurch die Orthodoxie Roms zum erstenmal befleckt erschien. Übrigens sind diese beiden ketzerischen Päpste von spätern Päpsten heilig gesprochen worden.

Die dritte Periode reicht vom Anfang des 7. bis in die Mitte des 9. Jahrh. oder von Gregor I. bis auf Pseudo-Isidor. Immer fester begründete Rom seine Hierarchie unter den germanischen Stämmen. Die fränkischen Könige zwar behaupteten lange Zeit auch in kirchlichen Dingen große Selbständigkeit, dasselbe war in Spanien zur Blütezeit des Westgotenreichs der Fall. England dagegen war durch seinen Apostel Augustinus in möglichst enge Beziehung zu dem römischen Stuhl gebracht, und auch Bonifacius, der "Apostel der Deutschen", hatte dem römischen Stuhl den Eid der Treue geleistet und war vom P. zum Primas von Deutschland ernannt worden. Dieses Beispiel entschied auch für Frankreich, wohin gleichfalls Bonifacius, um die desorganisierten kirchlichen Verhältnisse zu ordnen, berufen ward. Gleichzeitig trennte der Bilderstreit (s. Bilderdienst und Bilderverehrung) die Päpste, welche hier ganz offen als Feinde der byzantinischen Kaisermacht auftraten, und Rom auf die Dauer von der letztern. Das Exarchat fiel zwar zunächst den Langobarden zu, aber eben gegen diese ging nun das Papsttum einen dauernden Bund mit den Karolingern in Frankreich ein. So wurde es vorbereitet, daß Pippin die fränkische Krone aus der Hand des Papstes sich geben ließ und zum Gegendienst diesen dafür von den Langobarden befreite u. mit einem ansehnlichen Land belieh, welches Karl d. Gr. nachmals noch bedeutend erweiterte. So kam das Land zwischen Ravenna und Ancona unter päpstliches Regiment. Die weltliche Herrschaft des Bischofs von Rom war begründet (s. Kirchenstaat). Die Landeshoheit zwar behielt sich Pippin unter dem Titel eines Patriziers der Stadt Rom vor, und auch sein großer Sohn betrachtete und behandelte fortwährend den P. als seinen Vasallen; indem er aber aus den Händen Leos III. die römische Kaiserkrone empfing, räumte er dem apostolischen Stuhl eine Ehre ein, die bald nachher als Recht von den Päpsten beansprucht und geltend gemacht wurde, und in welcher die nachmalige Erhebung des Papstes über den Kaiser selbst vorgebildet war. Erstreckte sich die Gewalt des Papstes auch nur auf Sachen des Dogmas und des religiösen Zeremoniells, da der Kaiser das eigentliche Kirchenregiment selbst übte, Bischöfe ernannte, Synoden berief, kirchliche Gesetze bestätigte und ihnen durch Aufnahme in die Kapitularien erst verbindende Kraft verlieh: so ließ doch jene Stellung den römischen Bischof als den ersten Mann nächst dem Kaiser erscheinen und schon die Möglichkeit ahnen, daß der P. einem schwachen Kaiser gegenüber als der absolute Gebieter der Christenheit auftreten könne. Jetzt erst war sein Primat nicht mehr bloß ein Primat des Ranges. Aber der Ruhm der Rechtgläubigkeit wurde auch in dieser Periode schwer kompromittiert durch Honorius I., welchen das sechste ökumenische Konzil 680 und Papst Agatho selbst als Ketzer verdammt hatten. Die Päpste der dritten Periode (im Verzeichnis der Päpste 65-108) sind:

^[Liste]

Sabinianus (bis 606),

Bonifacius III. (bis 607),

Bonifacius IV. (608-615),

Deusdedit (bis 618),

Bonifacius V. (619-625),

Honorius I. (bis 638),

Severinus (640),

Johann IV. (bis 642),

Theodorus I. (bis 649),

Martin I. (bis 653),

Eugen I. (654-657),

Vitalianus (bis 672),

Adeodat (bis 676),

Donus (bis 678),

Agatho (bis 681),

Leo II. (682-683),

Benedikt II. (684-685),

Johann V. (686),

Conon (bis 687),

Theodorus II. (687),

Sergius I. (bis 701),

Johann VI. (bis 705),

Johann VII. (bis 707),

Sisinnius (708),

Konstantin I. (bis 715),

Gregor II. (bis 731),

Gregor III. (bis 741),

Zacharias (bis 752),

Stephan II. (752),

Stephan III. (bis 757),

Paul I. (bis 767),

Konstantin II. (bis 768),

Philippus (768),

Stephan IV. (bis 772),

Hadrian I. (bis 795),

Leo III. (bis 816),

Stephan V. (817),

Paschalis I. (bis 824),

Eugen II. (bis 827),

Valentin (827),

Gregor IV. (bis 844),

Sergius II. (bis 847),

Leo IV. (bis 855),

Benedikt III. (bis 858).

Die vierte Periode begreift die Zeit von der Mitte des 9. bis gegen Ende des 11. Jahrh., d. h. von Pseudo-Isidor bis auf Gregor VII. Waren schon seit etwa 500 eine Reihe von einflußreichen Fälschungen zur Verherrlichung des Papsttums vorgenommen worden, und waren schon fast zu Lebzeiten Pippins und Karls ihre Schenkungen an den römischen Bischof in die Anfangszeiten der Reichskirche zurückverlegt, zur mythischen "Schenkung Konstantins" an Silvester I. umgedichtet worden: so gewann jetzt das Papsttum eine neue und zwar weitaus die mächtigste Stütze durch die zu Reims aufgetauchten, angeblich vom Bischof Isidor von Sevilla verfaßten Dekretalen (s. Pseudo-Isidorus). Durch die Aufnahme von vielen der neuen Dekretalen in die Rechtsbücher der Kirche gingen jene allmählich in das gemeine Recht über. Päpsten aus den frühsten Jahrhunderten werden hier die entsprechenden Worte in den Mund gelegt und so eine andre Vergangenheit dem damaligen Zustand untergeschoben. Mit dem Ausdruck eines Episcopus ecclesiae universalis werden Rechte und Befugnisse in Verbindung gesetzt, wodurch die kollegialische Gleichheit aller Bischöfe nach der Cyprianischen Idee völlig vernichtet ward. Der Inhaber dieses Stuhls heißt das von Gott eingesetzte Haupt, von dem die ganze Kirchenregierung ausgeht, auf dessen Veranstaltung und unter dessen Autorität nur Synoden gehalten werden dürfen, dem höchste Jurisdiktion zukommt etc. Was in den abgelaufenen 800 Jahren nicht hatte errungen werden können, das galt jetzt auf einmal als bestätigt durch das Zeugnis einer ehrwürdigen Vergangenheit, und keine Kritik enthüllte eine so ungeheure Täuschung. Die Päpste nahmen gern an, was ihnen das Zeitalter bot. Nikolaus I., einer der ersten Päpste, die sich krönen ließen, war ganz der Mann, Vorteil aus dem neuen Privilegienbuch zu ziehen. Er zwang den König Lothar II. von Lothringen, seine verstoßene Gemahlin wieder anzunehmen, bot, die Dekretalen in der Hand, dem ganzen französischen Klerus unter seinem Führer Hinkmar von Reims die Spitze, kassierte die in bester Form schon vollzogene Absetzung des Bischofs Rothad von Soissons und setzte die Bischöfe von Köln und Trier ab. Sein Nachfolger Hadrian II. gab zwar dieses ganze Gebiet wieder preis; dagegen gelangte Johann VIII., nachdem er Karl dem Kahlen die Kaiserkrone zugewendet hatte, wieder zur ausgedehn-^[folgende Seite]