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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Parma

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Parma (Stadt).

Wiener Kongreßakte von 1815 kamen die Herzogtümer P., Piacenza und Guastalla als souveränes Eigentum an die bisherige Kaiserin von Frankreich, die Erzherzogin Marie Luise, jedoch mit der 1817 hinzugefügten Bestimmung, daß die Herzogtümer nach dem Tode derselben an die in Lucca herrschenden Bourbonen, die Nachkommen des Königs Ludwig von Etrurien, fallen sollten. Als sie daher 18. Dez. 1847 starb, fiel das Herzogtum P. an den bisherigen Herzog von Lucca, Karl II. Ludwig von Bourbon. Sogleich nach dem Übergang des Landes an den Herzog Karl hatten die Bewohner Parmas an denselben eine Adresse abgehen lassen, welche die dringende Bitte um verschiedene notwendige Reformen enthielt. Als Antwort erfolgte von seiten des Herzogs ein noch engerer Anschluß an Österreich, und ein Korps ungarische Truppen besetzte das Land (9. Febr. 1848). Nachdem 19. März vergebens Entfernung der Truppen und freie Institutionen begehrt worden waren, brach 20. März eine Revolution aus, die den Herzog zur Nachgiebigkeit zwang. Das seitherige Ministerium wurde entlassen, und alle Forderungen des Volkes wurden bewilligt, worauf der Herzog, nachdem er noch eine Regentschaft eingesetzt hatte, 19. April das Land verließ. Als Karl Albert von Sardinien sich an die Spitze der italienischen Bewegung stellte und Österreich den Krieg erklärte, schloß sich auch P. durch Proklamation vom 10. Mai 1848 an Sardinien an und wurde von salinischen Truppen besetzt. Infolge des Waffenstillstands vom 9. Aug. 1848 zwischen Sardinien und Österreich mußte sich ersteres verdichten, Modena sowie P. und Piacenza zu räumen, u. 12. Aug. nahm der österreichische Feldzeugmeister Baron d'Aspre wieder Besitz von P. Nach Kündigung des Waffenstillstand 12. März 1849 erklärte sich der Magistrat der Stadt P. 16. März für die Einverleibung in Sardinien, und es rückten abermals Sardinier unter dem General Lamarmora in P. ein. Allein nach der Schlacht von Novara (23. März) mußte sich Sardinien verpflichten, P. zu räumen, worauf bereits 6. April die Österreicher wieder einrückten. Inzwischen hatte 14. März 1849 Herzog Karl II. Ludwig zu gunsten seines Sohns Karl III. die Regierung niedergelegt, der im August 1849 dieselbe antrat und sofort die schärfste Reaktion begann. Alle Teilnehmer am Aufstand wurden bestraft. Schwer Gravierte wurden nach einem kurzen Verfahren hingerichtet, andre ausgepeitscht. Das Land erhielt darauf eine strenge Polizei und eine österreichische Besatzung. Die Citadelle von Parma ward zur Festung umgewandelt. Am 26. März 1854 ward Herzog Karl von einem Meuchelmörder so gefährlich verwundet, daß er tags darauf verschied, worauf sein älterer Sohn, Robert (geb. 9. Juli 1848), als Herzog proklamiert wurde. Da derselbe noch minderjährig war, übernahm seine Mutter Luise Bourbon, Schwester des Grafen Chambord, die Regierung. Am 7. Febr. 1857 verließen die Österreicher das Herzogtum, nur Piacenza blieb vertragsmäßig von ihnen besetzt. Beim Ausbruch der italienischen Bewegung von 1859 forderte das Volk in P. sofort Anschluß an Sardinien. Als 30. April selbst die Offiziere der Truppen Parmas die Regentin ersuchten, offen gemeinschaftliche Sache mit Viktor Emanuel zu machen, verließ dieselbe, um ihre Neutralität bewahren zu können, mit ihrem Sohn das Land und begab sich nach Mantua. Kaum war sie abgereist, als sich der größte Teil der Truppen und fast die gesamte Bevölkerung für die unmittelbar Vereinigung mit Sardinien erklärten. Nur ein kleiner Teil des parmesanischen Truppenkorps war für die Aufrechterhaltung der Selbständigkeit und rief 4. Mai die Herzogin zurück. Dieselbe leistete der Aufforderung sofort Folge und ließ die Nationalgarde entwaffnen, suchte aber im übrigen ihre Neutralität streng zu wahren. Ein Teil des Herzogtums empörte sich jedoch und ward im Namen Viktor Emanuels vom General Ribotti besetzt. Am 27. Mai flüchteten die Kinder der Herzogin nach der Schweiz, und als die Österreicher nach der Schlacht bei Magenta Anstalt trafen, Piacenza zu räumen, entband jene 9. Juni ihre Truppen des Eides der Treue und reiste noch an demselben Tag nach der Schweiz ab. Die bereits 8. Juni in der Stadt P. konstruierte revolutionäre Behörde wählte hierauf eine provisorische Regierung von drei Mitgliedern, und diese ersuchte nun Viktor Emanuel, die Regierung des Herzogtums zu übernehmen. Bereits 16. Juni kam der von der sardinischen Regierung ernannte Gouverneur an. Die allgemeine Volksabstimmung in P. über die Vereinigung mit Sardinien ergab 63,403 Stimmen dafür und 506 dagegen, und durch Dekret vom 18. März 1860 erfolgte hierauf die Einverleibung Parmas in das neue Königreich Italien. Die Herzogin Luise starb 1. Febr. 1864. Herzog Robert mit seiner Familie wohnt in Rom oder auf Schloß Wartegg im schweizerischen Kanton St. Gallen.

Parma, die alte Hauptstadt und Residenz des frühern Herzogtums Parma (s. d.), in einer fruchtbaren Ebene, 58 m ü. M., an der Eisenbahnlinie Piacenza-Bologna und den Zweiglinien P.-Spezia, P.-Suzzara und P.-Piadena gelegen und von dem Fluß P. durchströmt, über den drei Brücken führen, ist von breiten Mauern umgeben, welche zugleich als Spaziergänge dienen und in das südlich gelegene, 1591 errichtete Kastell auslaufen, und hat fünf Thore (aus den Jahren 1792-1865). Die Straßen sind vorwiegend breit und gerade, aber wenig belebt; als Hauptverkehrsader zieht sich die antike Via Ämilia (hier Strada Maestra genannt) durch die Stadt und erweitert sich im Zentrum zum Viereck der Piazza grande, welche durch einen Uhrturm und die Statue Correggios (1872) geschmückt ist. In der Nähe des genannten Platzes ist die Piazza della Steccata mit einem Denkmal Parmegianinos (1879). Größere Plätze sind außerdem die Piazza Garibaldi und der Domplatz. Von den mehr als 60 Kirchen Parmas ist die Kathedrale, 1059-1074 im lombardisch-romanischen Stil erbaut, die älteste. Sie hat an der Fassade drei Galerien von Zwergsäulen und drei Löwenportale; das weite dreischiffige Innere enthält in der Kuppel schöne, aber beschädigte Fresken von Correggio. Südwestlich neben dem Dom steht das Battisterio, der bedeutendste Bau dieser Art in Oberitalien (1196 begonnen), mit drei prächtigen Portalen und alten Wandgemälden. Hinter dem Dom steht die Kirche San Giovanni Evangelista, ein schöner Renaissancebau von Zaccagni (1510), im Innern mit Fresken von Correggio. Andre interessante Kirchen sind: San Paolo, mit schönem Marmorgrabmal des Grafen Neipperg, Gemahls von Marie Luise; Madonna della Steccata, die schönste Renaissancekirche Parmas (1521 nach Zaccagnis Plan erbaut), mit Fresken von Parmegianino und der Gruft der Herzöge aus dem Haus Farnese. In dem ehemaligen Kloster San Paolo befindet sich ein von Correggio 1518 mit mythologischen Fresken geschmückter Saal. Zu den hervorragenden weltlichen Gebäuden gehören: der riesige Palazzo della Pilotta, ein unvollendeter Backsteinbau mit gewaltigen Arkaden, welcher die Kunstsammlun-^[folgende Seite]