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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Paulus

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Paulus (Apostel) - Paulus (Zuname).

und als Gefangener nach Cäsarea zum Verhör vor den Prokurator gebracht. Da er aber an den Kaiser appellierte, wurde er im Herbst 61 nach Rom gesandt, wo er im nächsten Frühjahr anlangte, um in einer nicht allzu drückenden Gefangenschaft zwei volle Jahre zuzubringen. Mit dieser Nachricht schließt die Apostelgeschichte. Angaben späterer Väter zufolge soll P. aus dieser römischen Gefangenschaft befreit worden sein, noch mehrere apostolische Reisen, insbesondere auch nach Spanien, gemacht haben, endlich wieder in Rom verhaftet und unter Nero zugleich mit Petrus hingerichtet und zwar enthauptet worden sein. Wahrscheinlicher schlossen schon die zwei Jahre der Apostelgeschichte mit Prozeß und Hinrichtung ab. Die Kirche hat ihm zugleich mit Petrus den 29. Juni als Peter-Paulstag und den 25. Jan. als Pauli Bekehrungstag gewidmet.

Wir besitzen unter P.' Namen eine Anzahl von Sendschreiben an mehrere Christengemeinden und an einzelne Personen, sogen. Episteln oder Lehrbriefe, welche noch dadurch einen besondern Wert erhalten, daß die biblische Kritik die Echtheit der wichtigsten von ihnen (der Briefe an die Galater, Römer und der beiden an die Korinther) fast unbestritten konstatiert. Das Altertum hat einstimmig 13 Briefe Pauli als echt angenommen; nur der 14., der Brief an die Hebräer, war streitig. Neuerdings sind auch die sogen. Pastoralbriefe, der zweite Thessalonicher- und der Epheserbrief mit steigender Sicherheit als später in seinem Namen und Geist verfaßt erkannt worden; sehr angefochten steht auch der Kolosserbrief, und selbst der Philipperbrief erregte allerlei Bedenken. Die Reihenfolge, in welcher die Paulinischen Episteln im Kanon stehen, beruht auf einer ziemlich willkürlichen Rangordnung der Gemeinden und Personen, an welche sie gerichtet sind. Über die einzelnen Briefe siehe die denselben gewidmeten Artikel. In den Kanon nicht aufgenommen und entschieden unecht sind: ein Brief an die Laodikeer, ein Briefwechsel mit Seneca und ein dritter Brief an die Korinther.

P. hat dem Christentum erst seinen universalen Charakter, seine Bedeutung als Weltreligion errungen, indem er das Menschheitliche in dem Auftreten und Selbstbewußtsein Jesu geltend machte und das mehr lokal und national Bedingte, woran sich die jerusalemische Gemeinde hielt, zurücktreten ließ. Er zuerst hat das Christentum als eine neue Religion in sich erlebt und nach außen zur Darstellung gebracht. Waren es aber solchergestalt auch zunächst vollkommen praktische Grundsätze: die Universalität des Christentums und die Abrogation des mosaischen Gesetzes, deren Anerkennung im Leben er durchzusetzen und dem Judenchristentum abzuringen hatte, so lag es doch in der Natur seines Geistes, diese seine praktische Auffassung des Christentums in ihre letzten theoretischen Konsequenzen und in ihre abstraktesten Vordersätze zu verfolgen. Stets sind es daher praktische Lebensverhältnisse und Zustände, die ihm Veranlassung zum Schreiben geben; stets aber operiert er, um ihnen gerecht zu werden, so, daß er bald einen göttlichen Geschichtsplan entrollt, auf welchem die Leser sich zu orientieren haben, bald die Grundzüge einer spekulativen, schon nahe an die spätere Gnosis herantretenden Weltanschauung zeichnet, welche ganz auf die Gegensätze Fleisch und Geist, Adam und Christus, Gesetz und Gnade, Gerechtigkeit aus Werken und Gerechtigkeit aus Gnade, Tod und Leben gebaut ist. Summa dieses sogen. Paulinischen Lehrbegriffs bleibt immer die Idee der Neuheit und Selbständigkeit des Christentums, welches sich zum Judentum verhalte wie die Freiheit des Mannes zum Gehorsam des Knaben, wie der Geist zum Buchstaben, wie die Sache selbst zum Schattenbild. Insonderheit begründete er die Universität des messianischen Heils und die an keine Bedingung vorangegangener Gesetzeserfüllung geknüpfte Aufnahmefähigkeit auch der Heiden in das Gottesreich auf die allgemeine Sündhaftigkeit, vermöge deren Juden und Heiden unter gleichem Fluch liegen, und auf den diesen Fluch tilgenden Versöhnungstod des Sohns Gottes, welcher durch eben diesen Tod seinen frühern Beziehungen zum Judentum abgestorben ist und seitdem als verklärtes Haupt der Menschheit zu Juden wie Heiden in gleichmäßigem Verhältnis steht. Vgl. Baur, P., der Apostel Jesu Christi (2. Aufl., Leipz. 1866); Hausrath, Der Apostel P. (2. Aufl., Heidelb. 1872); O. Pfleiderer, Der Paulinismus (Leipz. 1873); Holsten, Das Evangelium des P. (Berl. 1880, Bd. 1).

Paulus, 1) Heinrich Eberhard Gottlob, theologisches Haupt des Rationalismus, geb. 1. Sept. 1761 zu Leonberg, widmete sich auf einer wissenschaftlichen Reise durch Deutschland, Holland, England und Frankreich dem Studium der orientalischen Sprachen, ward 1789 Professor derselben zu Jena und 1793 ordentlicher Professor der Theologie. 1803 ging er in gleicher Eigenschaft nach Würzburg. 1807 kam er als Schulrat nach Bamberg, 1808 nach Nürnberg, 1810 nach Ansbach und folgte 1811 einem Ruf als Geheimer Kirchenrat und Professor nach Heidelberg. Seit 1844 in den Ruhestand versetzt, starb er daselbst 10. Aug. 1851. Seine theologische Richtung war eine ausgeprägt verstandesmäßige, seine ganze Art, die Dinge zu betrachten und zu beurteilen, mehr juristisch als religiös. Unter seinen zahlreichen Schriften sind heute noch bekannt: "Neues Repertorium für biblische und morgenländische Litteratur" (Jena 1790-91, 3 Bde.); "Clavis über die Psalmen" (2. Aufl., Heidelb. 1815); "Philologisch-kritischer und historischer Kommentar über das Neue Testament" (2. Aufl., Leipz. 1804-1808, 4 Tle.); "Sophronizon, oder unparteiische, freimütige Beiträge zur neuern Geschichte, Gesetzgebung und Statistik der Staaten u. Kirchen" (Heidelb. 1819-30); "Der Denkgläubige, theologische Zeitschrift" (das. 1825-29); "Das Leben Jesu" (das. 1828, 2 Bde.); "Exegetisches Handbuch über die drei ersten Evangelien" (das. 1830-33, neue Ausg. 1841-42); "Neuer Sophronizon" (Darmst. 1841-42, 3 Bde.); "Vorlesungen Schellings über die Offenbarung" (das. 1843). Am bekanntesten sind seine noch zu seinen Lebzeiten durch Strauß vernichteten Wundererklärungen geworden. Vgl. P.' "Skizzen aus meiner Bildungs- und Lebensgeschichte" (Heidelb. 1839); Reichlin-Meldegg, P. und seine Zeit (Stuttg. 1853, 2 Bde.). - Seine Gattin Karoline P., geb. 14. Dez. 1767 zu Schorndorf als, Tochter eines Amtmanns Paulus, verheiratet sich mit ihrem Vetter 1789 und machte sich (unter dem Pseudonym Eleutheria Holberg) durch eine Anzahl von Romanen, wie "Wilhelm Dümond" (Lüb. 1808), "Adolf und Virginie" (Nürnb. 1811), "Erzählungen" (Heidelb. 1823) etc., einen Namen. Sie starb 11. März 1844 in Heidelberg.

2) Eduard, Schriftsteller, geb. 16. Okt. 1837 zu Stuttgart als Sohn des durch seine Arbeiten über römische Altertümer bekannten Finanzrats Eduard P., studierte Architektur und Kunstgeschichte, bereiste wiederholt Italien und Deutschland und ist als Mitglied des königlichen statistisch-topographisches Büreaus in Stuttgart (mit dem Titel Professor) und als