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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Peloponnesischer Krieg

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Peloponnesischer Krieg.

Erst nachdem alle Kykladeninseln der türkischen Herrschaft einverleibt worden waren, verstand sich Venedig im Frieden von 1540 zur Räumung seiner letzten Besitzungen auf dem griechischen Festland. Der P. bildete seitdem ein türkisches Sandschak mit der Hauptstadt Tripolizza, welches von dem zu Modon residierenden Mora-Bei unter der Jurisdiktion des Beglerbegs von Griechenland verwaltet wurde. Nachdem sich Venedig 1684 dem Bündnis gegen die Pforte angeschlossen, eroberte der venezianische Feldherr Morosini den ganzen P., der durch den Frieden von Karlowitz 1699 förmlich wieder an die Republik Venedig fiel. Aber schon 1714 ward die Halbinsel von den Türken wiedererobert, und der Friede von Passarowitz (21. Juli 1718) bestätigt diese in dem Besitz derselben. Von nun an teilte der P. die Geschicke Griechenlands (s. d., S. 708 ff.). Vgl. Curtius, P., historisch-geographische Beschreibung (Gotha 1851-1853, 2 Bde.); Buchon, Histoire de la domination française aux XIII., XIV. et XV. siècles dans les provinces de l'empire grec (Par. 1840, 2 Bde.); Fallmerayer, Geschichte der Halbinsel Morea (Stuttg. 1830-36, 2 Bde.); Beulé, Études sur le Peloponnèse (2. Aufl., Par. 1875).

Peloponnesischer Krieg, der Entscheidungskampf zwischen Athen und Sparta über die Hegemonie (Herrschaft) in Griechenland 431-404 v. Chr. Lange hinausgeschoben durch die Mäßigung beider Teile, kam er endlich zum Ausbruch durch Korinth, das auf Athens Seemacht eifersüchtig und durch die Unterstützung seiner Kolonie Kerkyra, mit der es wegen Epidamnos in Streit geraten, in der Schlacht bei Sybota 432 sowie durch den gewaltsamen Angriff der Athener auf die korinthische Kolonie Potidäa gereizt war, und durch Megara, welches sich über Beschränkungen seines Handels durch Athen beschwerte; beide rissen die Spartaner und übrigen Peloponnesier 432 auf der Bundesversammlung in Sparta zu dem Beschluß fort, von Athen nicht bloß die Freigebung von Ägina und Potidäa, sondern auch die Wiederherstellung der Freiheit und Unabhängigkeit aller griechischen Staaten, d. h. die Auflösung des Seebundes, zu fordern und, als dies die Athener auf den Rat des Perikles ablehnten, den Krieg zu erklären. Sparta kämpfte dem Scheine nach für die Befreiung Griechenlands von der Herrschaft der Athener und fand daher auch außerhalb des Peloponnes an Megaris, Lokris, Böotien und Phokis Bundesgenossen; mit diesen konnte es eine Landmacht von 60,000 Hopliten aufstellen, war aber an Flotte und Geldmitteln schwach, und überdies wurde seine natürliche Unbeholfenheit und Langsamkeit noch durch die Bundesverfassung gesteigert. Athen gebot über die gesamten Streitmittel der zahlreichen Staaten seines Seebundes, konnte eine Flotte von 300 Schiffen und ein Heer von 30,000 Hopliten aufbringen, hatte 6000 Talente im Schatz und 2000 Talente jährliche Einkünfte, stand unter der weisen und thatkräftigen Leitung eines Perikles und konnte daher wohl auf Sieg rechnen, der die Einigung Griechenlands unter seiner Hegemonie bedeutet hätte. Der Krieg begann mit dem verunglückten nächtlichen Angriff der Thebaner auf Platää, worauf das peloponnesische Heer unter König Archidamos in Attika einfiel. Diese Einfälle wurden 430, 428, 427 und 425 wiederholt, aber ohne wesentlichen Erfolg, da die Athener auf Rat des Perikles das flache Land räumten, sich hinter ihre langen Mauern zurückzogen und sich durch Verwüstung von Megaris und der Küsten des Peloponnes sowie durch Vertreibung der Ägineten rächten. Aber 430 brach in dem übervölkerten Athen die Pest aus, welche auch 429 fortdauerte, 5000 Hopliten, dann auch Perikles selbst wegraffte und die Bande der Sitte und Ordnung im Volk löste. Zwar wurde Potidäa 429 erobert, und Phormion kämpfte glücklich in den westlichen Meeren; aber schon war der Staatsschatz der Athener erschöpft, und sie sahen sich genötigt, sich selbst mit einer Vermögenssteuer zu belasten und die Bundesgenossen härter zu bedrücken, um die neuen Rüstungen zu bestreiten. Die entschiedene Überlegenheit des von keinem hervorragenden Staatsmann, sondern von ehrgeizigen selbstsüchtigen oder leichtsinnigen Parteiführern geleiteten athenischen Staats war verloren, und der Krieg nahm bereits den unentschiedenen, wechselvollen Charakter an, infolge dessen beide Teile ihre Kräfte aufrieben, Haß und Erbitterung zu furchtbaren Blutthaten gesteigert wurden und die Parteileidenschaften Nationalgefühl und Vaterlandsliebe erstickten. 428 fiel der erste der athenischen Bundesgenossen, Lesbos, ab und ward erst 427 von Paches wieder unterworfen und grausam gezüchtigt, indem 1000 vornehme Mytilenäer hingerichtet wurden, während die Peloponnesier 427 Platää eroberten und völlig verwüsteten. 425 gelang dem Athener Demosthenes die Besetzung von Pylos in Messenien, das er gegen die peloponnesische Flotte siegreich behauptete; die Erschließung von 420 Spartanern auf der Insel Sphakteria bewog Sparta zu Friedensanträgen, welche aber von Athen auf den Rat des Demagogen Kleon abgewiesen wurden. Zwar eroberte Kleon Sphakteria und nahm 120 Spartiaten gefangen, die als Geiseln festgehalten wurden, um neue Einfälle in Attika zu verhindern, und Nikias besetzte 424 Kythera und Thyrea; aber sein Angriff auf Megara ward durch Brasidas vereitelt, und der Versuch der Athener, die Hegemonie über Böotien zu gewinnen, endete mit ihrer Niederlage bei Delion. Brasidas zog hierauf mit einem spartanischen Heer nach Makedonien und brachte hier zahlreiche mit Athen verbündete Städte zum Abfall. Als er indes zugleich mit Kleon 422 bei Amphipolis fiel, kam auf Betreiben der gemäßigten Männer in beiden Staaten 421 ein 50jähriger Friede (Friede des Nikias) sowie ein Bündnis zwischen Athen und Sparta zu stande, wodurch die Herstellung des Status quo ante bellum festgesetzt und der sogen. Archidamische Krieg (431-421) beendigt wurde. Athen behielt also seine Seeherrschaft, Sparta die Führung zu Lande.

Sparta verfeindete sich jedoch durch diesen Frieden mit seinen bisherigen Bundesgenossen, namentlich Korinth, welche den Krieg unternommen hatten, um Athen zu vernichten, und es bildete sich zwischen Korinth, Argos, Elis und Mantineia ein Peloponnesischer Bund, den Alkibiades, der inzwischen in Athen den meisten Einfluß gewonnen, sofort zur Vernichtung der spartanischen Macht im Peloponnes benutzen wollte. Dieser Versuch scheiterte an der Niederlage der Verbündeten bei Mantineia 418. Von unruhigem Ehrgeiz getrieben, betrieb Alkibiades die Ausbreitung der athenischen Seeherrschaft. 416 ward das dorische Melos, weil es seine Neutralität aufzugeben sich weigerte, grausam vernichtet und 415 beschlossen, den Egestäern in Sizilien gegen die korinthische Pflanzstadt Syrakus zu Hilfe zu kommen. Von dieser sizilischen Expedition (415-413) versprach sich die durch die Demagogen erhitzte Phantasie der Athener die großartigsten Erfolge, und mit ungeheuern Kosten wurde ein auserlesenes Hoplitenheer und eine vortreffliche Flotte ausgerüstet und unter dem Oberbefehl des Nikias, Lamachos und Alkibiades nach Sizilien geschickt. Die Abberufung des letztern,