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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Persien

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Persien (Heerwesen, Provinzeinteilung etc.; Geschichte).

meisten Hakim haben Recht über Leben und Tod; andre können nur mit Schlägen, Verstümmelungen oder Gefängnis bestrafen. Der Scheich ul Islam hat noch eine Anzahl Kadi als Einzelrichter unter sich. Bestechung findet leicht und oft statt. Die Einkünfte des Schahs erwachsen ordentlicherweise aus der Grundsteuer (Mal i Diwan) und aus Zöllen. Jene wird teils in Geld, teils in Produkten bezahlt, und die Eintreibung derselben hat der Kedchuda zu besorgen. Die Güter zahlen nominell ⅕, in der That aber ⅓ des Ertragswerts; was über ⅕ hinausgeht, bleibt in den Händen der Steuererheber. Wer Kronland bebaut, zahlt die Hälfte des Ertrags. Wer eignen Boden besitzt, muß nicht bloß für das bebaute, sondern auch für das brach liegende Feld Steuer entrichten, und wer mit der Steuer im Rückstand bleibt, geht des ganzen Grundstücks verlustig. Dazu kommt die unregelmäßige Steuer (Sadir Awariz), die bei Ausrüstung eines Heers oder unter irgend einem andern Vorwand ausgeschrieben wird und den Unterbeamten ganz besondere Veranlassung zu Erpressungen bietet. Die ordentlichen Einkünfte der Regierung werden auf 45 Mill. Toman geschätzt, mögen jetzt aber stark heruntergegangen sein; die Ausgaben werden zu 4¼ Mill. Toman angenommen. Eine Staatsschuld besteht nicht, dagegen ein Schatz, in welchem an Gold, kostbarem Geschirr und Edelsteinen ca. 9 Mill. Toman sich befinden sollen, und in den auch die Überschüsse aus der Staatsverwaltung fließen. Das Heer, für welches seit 1875 die allgemeine Wehrpflicht mit zwölfjähriger Dienstzeit vom 20. Lebensjahr an eingeführt ist, ist teilweise von europäischen Offizieren eingeübt und besteht aus Fußvolk (Serbaz), Reiterei (Savareh) und Artillerie (Toptschi). Zu Anfang 1879 zählte es nominell 77 Regimenter Infanterie zu 800-1000 Köpfen, zusammen ca. 70,000 Mann; 79 Regimenter Kavallerie zu etwa je 400 Pferden, zusammen ca. 30,000 Pferde; 20 Regimenter Artillerie von 13 Batterien zu 48 Geschützen, zusammen 5000 Mann mit 200 Geschützen; ein Pionierregiment zu 500 Mann. Neben diesen regulären 105,000 Mann, von denen aber kaum die Hälfte wirklich unter Waffen steht, gibt es noch 24 Bataillone Miliz von 250-500 Köpfen für den Gendarmerie- und Polizeidienst, zusammen ca. 10,000 Mann. Ein Teil der Truppen führt Chassepot-, ein andrer Werndl-Gewehre, die Artillerie Uchatius-Geschütze. Uniformiert ist das Heer neuerdings ganz nach österreichischem Muster. Die persische Fahne besteht aus einem dreieckigen, sehr langen Stück Seidenzeug, worauf ein Löwe gemalt ist, über dessen Rücken eine breite Sonne strahlt (s. Tafel "Flaggen"); die Fahnenspitze bildet eine ausgestreckte Hand von Silber. Der Schah bedient sich jedoch nicht dieses Wappens, sondern führt in seinem Siegel nur seine Namenschiffer. - Das Reich zerfällt administrativ in 9 Hakimnischin (Provinzen.), die wieder in Buluk oder Mehal (Kreise) abgeteilt sind. Jeder Provinz ist, wie schon erwähnt, ein Hakim vorgesetzt, der aber gewöhnlich in der Hauptstadt seinen Sitz hat, während er in der Provinz durch einen Wesir vertreten wird. Die Provinzen sind: Aserbeidschân, Ispahan (nebst Fars, Arabistan, Jezd, Irak Burudschird, Luristan, Kirmanschahan, Kurdistan, Bachtiar etc.), Chorasan mit Seïstan, Teheran (mit Gilan, Masenderan, Astrabad, Kaschan etc.), Chamseh, Kazwin, Hamadan, Kirman nebst Belutschistan und Semnan (mit Danghan und Schahrud). Hauptstadt des Reichs ist Teheran.

Vgl. außer den Reisewerken von M. Wagner (Leipz. 1852), Brugsch ("Reise der preußischen Gesandtschaft nach P.", das. 1862; "Im Lande der Sonne", Berl. 1886), Petermann (Leipz. 1861), Vambéry (Pest 1867), Arnold (Lond. 1876), Anderson (das. 1880): Polak, Persien (Leipz. 1865, 2 Bde.); Khanikow, Ethnographie de la Perse (Par. 1866); Piggot, Persia ancient and modern (Lond. 1874); "Eastern Persia: an account of the journeys of the Persian boundary commission 1870-72" von Goldsmid, Blanford u. a. (das. 1876, 2 Bde.); "Aus Persien. Aufzeichnungen eines Österreichers" (von Postrat v. Riederer, Wien 1882); Stolze und Andreas, Die Handelsverhältnisse Persiens (Ergänzungsheft zu "Petermanns Mitteilungen", Nr. 77, Gotha 1885); Wills, In the land of the lion and the sun (Lond. 1883); Derselbe, Persia at it is (das. 1886); Benjamin, Persia and the Persians (das. 1886).

Geschichte.

Die Perser gehören zu dem arischen (indogermanischen) Völkerstamm und bewohnten seit ältester Zeit den südwestlichen Teil des Hochlandes von Iran, die schöne und fruchtbare Landschaft Persis. Sie führten als Ackerbauer und Hirten, Jäger und Krieger ein abgehärtetes, mäßiges Leben und waren in zehn Stämme eingeteilt, unter denen die Pasargaden die vornehmsten waren. Sie verehrten gleich den übrigen Ariern Ahuramasda (Ormuzd) als ihren höchsten Gott, den Gott des Lichts und des Guten, dem Angramainyus (Ahriman), der Gott der Finsternis und des Bösen, feindlich gegenüberstand; die Sonne beteten sie als besondere Gottheit (Mithra) an, und das Feuer war ihnen namentlich heilig. Im 9. Jahrh. v. Chr. wurden sie zuerst von den Assyrern bekriegt und von Salmanassar II. (859-823) zur Zahlung eines Tributs gezwungen. Sie blieben den Assyrern unterthan bis zu der Zerstörung des Reichs derselben. Die Erzählung Herodots von der Befreiung der Meder und der Unterwerfung der Perser durch den medischen König Phraortes (660) ist eine medisch-persische Sage, deren historischer Kern sich auf eine vereinigte Empörung der Meder und Perser unter Phraortes gegen die Assyrer 640 beschränkt, welche 633 niedergeschlagen wurde. Von 606 bis 558 bildeten die Perser unter der Herrschaft von Unterkönigen aus dem Geschlecht der Achämeniden einen Teil des medischen Reichs, bis Kyros den König Astyages stürzte und die Herrschaft von den Medern auf die Perser übertrug, ein Ereignis, welches schon früh von vielgestaltigen schönen Sagen umwoben und verdunkelt wurde. Hiermit beginnt die Geschichte des altpersischen Reichs, das 558-330 bestand. Nachdem Kyros das ganze Hochland von Iran, besonders das kriegerische Volk der Saken, unterworfen hatte, zog er gegen den König Krösos von Lydien, den er nach der unentschiedenen Schlacht am Halys 548 in seiner Hauptstadt Sardes selbst gefangen nahm. Hierauf unterjochte Harpagos 546 die griechischen Städte an der Küste, und so ward ganz Kleinasien mit dem persischen Reich vereinigt. 538 eroberte Kyros Babylon und dehnte seine Herrschaft über das Euphrat- und Tigrisgebiet sowie ganz Syrien aus. Nachdem er 529 im Kampf gegen die Derbikker seinen Tod gefunden, folgte ihm sein Sohn Kambyses, der 525 nach dem Sieg bei Pelusion das ägyptische Reich eroberte. Als er 522 aus Ägypten nach P. zurückkehrte, empfing er die Nachricht von einem Aufstand, den ein medischer Magier, Namens Gaumata, angezettelt hatte, indem er sich für den auf Kambyses' Befehl heimlich bereits vor dem ägyptischen Feldzug ermordeten Bruder desselben, Bardija (Smerdis), ausgab. Kambyses starb an einer durch unglücklichen