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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Persische Litteratur

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Persische Litteratur (Geschichtschreibung, Geographie, Religionsgeschichte etc.).

beit in Anspruch genommen werden. Das erste größere persische Geschichtswerk ist die auf Befehl des Samanidenfürsten von Chorasan, Abû Sâlih ben Mansûr, von Abû Alî Mohammed Al-Bal'amî 963 verfaßte persische Übersetzung der großen arabischen Chronik des Tabarî (s. Arabische Litteratur), von welcher eine vollständige französische Übersetzung von Zotenberg vorliegt (Par. 1867-74, 4 Bde.). Die Vorliebe für Poesie stand der Fortbildung der Geschichtschreibung lange im Weg, und nur wenige Werke dieser Art sind aus dem 11. und 12. Jahrh. zu nennen, unter ihnen das "Sein ulachbâr", das noch unter den Ghasnawiden verfaßt ist. Erst in der Zeit der Mongolenherrschaft sind größere Fortschritte sichtbar. Eine Universalgeschichte von den ältesten Zeiten bis 1259 vollendete al-Dschûsdschâni unter dem Titel: "Tabakât-i-Nâçirî", eine andre, das "Tarîch-i-Guside", Hamdullah Mustaufî im J. 1329. Alâ eddin al Dschuweinî (gest. 1282) verfaßte eine Geschichte Dschengis-Chans und seiner Nachfolger unter dem Titel: "Tarîch-i-Dschahânkuschâ" und Raschîd eddin von Hamadan eine Geschichte der Mongolen: "Dschâmi-ettâwârîch" (verfaßt 1310, hrsg. von Beresin, Petersb. 1861; zum Teil übersetzt von Quatremère: "Histoire des Mongols", Par. 1836). Zu erwähnen sind ferner: die Chronik des Wassâf (beendigt 1328), welche die Geschichte der Nachkommen Dschengis-Chans enthält und in einem überaus kunstreichen Stil geschrieben ist (persisch u. deutsch von Hammer, Bd. 1, Wien 1856); ebenso das "Zafarnâme" oder die Geschichte Timurs von Scharaf eddin Jasdî (gest. 1446), französisch von Pétis de la Croix (Par. 1722, 4 Bde.); die Geschichte der Timuriden von 'Abd errasâk (gest. 1482), betitelt: "Matla'-essa'dain", und die große, in überaus rhetorischem Stil abgefaßte Universalgeschichte "Rausat essafâ" ("Lustgarten der Lauterkeit") von Mirchond (s. d.). Andre Geschichtswerke gleichen Inhalts sind das "Habîb-essijar" von Mirchonds Enkel Chondemir, das "Lubb-etta-wârich" ("Mark der Chroniken", verfaßt 1541) von Jahja Kaswînî (gest. 1563) und das "Nusach-i-Dschahânârâi" von Ahmad al Ghaffârî (gest. 1567).

Als die persische Herrschaft sich auch über Indien ausdehnte, d. h. als die Zeit der indischen Großmoguls mit Baber, Humajûn und Akbar begann, wanderte mit der Poesie auch die Geschichtschreibung dahin und trug daselbst reiche Blüten. Eine vorzügliche und nahezu vollständige Sammlung aller Dokumente aus persischen Historikern, die auf die Geschichte Indiens von der Zeit der ersten mohammedanischen Eroberung bis zur Besitzergreifung durch die Engländer Bezug haben, ist in Elliotts, von Dowson fortgesetzter "History of India as told by its own historians" (Lond. 1867-77, 8 Bde.) gegeben. Wir greifen aus der Fülle dieser Geschichtswerke nur einige heraus, z. B. Abd el kâdir Badâûnis "Muntachab-ettawârîch", eine allgemeine Geschichte Indiens, vollendet 1595 (Kalkutta 1868-69); Nisâm eddin Ahmeds "Tabakât-i-Akbarî" gleichen Inhalts, verfaßt 1593; das "Akbarnâme", die Geschichte Kaiser Akbars von Abulfasl (1551-1602) mit dem Supplementband des "Ajîn-i-Akbarî", einer statistischen Schilderung des Mongolenreichs in Indien (hrsg. von Blochmann, Kalkutta 1867-77, 2 Bde.; nebst dem Anfang einer englischen Übersetzung, das. 1873); Firischtahs Universalgeschichte Indiens: "Gulshan-i-Ibrâhîmî" (um 1606; lithographiert Bombay 1832, 2 Bde.; übersetzt von Briggs, Lond. 1829, 4 Bde.); ferner das "Ikbâlname-i-Dschahângîrî", eine Geschichte Akbars und Kaiser Dschehangîrs von Mu'tamad Chan (gest. 1639; Kalkutta 1865); das "Pâdischâhnâme", eine Geschichte Kaiser Schâhdschahâns von 'Abd ul Hamîd von Lahor (gest. 1854; das. 1867-68, 2 Bde.), und Mohammed Sâlihs "Amal-i-Çâlih", verfaßt nach 1665 und dieselbe Regierungszeit umfassend; Mohammed Kaßims 1688 verfaßtes "Âlamgîrnâme", eine Geschichte der ersten zehn Jahre der Regierung Kaiser Aurengzib Alamgîrs (das. 1868), und Musta'idd Chans "Maâsir-i-Âlamgîrî", eine vollständige Darstellung der gesamten Regierungszeit dieses Kaisers, verfaßt 1710 (das. 1873); außerdem eine Geschichte Bahâdur Schahs, des Nachfolgers von Aurengzib, u. Gholâm Hußeins "Sijar-elmutaakkherîn" in 2 Bänden, die Periode von 1700 bis 1786 umfassend (das. 1832; engl., das. 1789, 3 Bde). Ferner sind zu erwähnen: die verschiedenen Autobiographien großer Mongolenfürsten, so die "Tusukât" oder "Malfuzât-i-Tîmur", eine persische Übersetzung der ursprünglich dschagataisch geschriebenen Memoiren Timurs (pers. u. engl. von White, Oxf. 1783); die "Wâkiât-i-Bâbarî", Sultan Babers Aufzeichnungen, ebenfalls ursprünglich in dschagataischem Gewand (2. Ausg., Lond. 1844); das "Dschahângîrnâme", Kaiser Dschehangîrs Autobiographie (engl. von Price, das. 1829) etc. Neben diesen Werken über die Geschichte Indiens haben wir zahlreiche andre über die Geschichte Persiens, so das "Tarîch-i-Âlamârâi-'Abbâsî" von Iskender Munschi (geb. 1561), die Regierungszeit Schah Abbas' d. Gr. behandelnd (verfaßt gegen 1630); das "Tarîch-i-Shâh Safî" (bis 1642) und die Geschichte Nadir Schahs von Mohammed Mehdîchân (vollendet 1757; lithographiert Tebriz 1271 u. 1272 d. H.), über die Geschichte der Afghanen, die Geschichte von Taberistan, Kaschmir und andern angrenzenden Ländern, über die Geschichte aller der kleinern Dynastien in Indien, Spezialhistorien von einzelnen Provinzen und Städten, Darstellungen der Thaten Mohammeds und der Kalifen etc. Ein Kreis von derartigen Werken, welcher sich auf die Geschichte der kaspischen Länder bezieht, ist herausgegeben von Dorn: "Mohammedanische Quellen etc." (Petersb. 1850-58, 4. Bde.). Ebenfalls sehr reich ist die p. L. an Biographien von Gelehrten und Dichtern, besonders an litterarhistorischen Werken, von 'Aufis "Lubâb-elalbâb" (um 1200 verfaßt) an bis zu dem modernsten, erst im Anfang des 19. Jahrh. verfaßten "Machsan-ulgharâib". Am bekanntesten unter diesen sind der ziemlich wertlose Dauletschâh (s. d.) und Lutf Alîbegs (1722 bis nach 1782) vorzüglicher "Ateschkede" ("Feuertempel").

Spärlicher, aber immerhin noch ansehnlich genug sind die Früchte, welche die p. L. auf dem Boden der eigentlichen Fachwissenschaft aufzuweisen hat. Hier tritt überall der bedeutende Einfluß arabischer Wissenschaft und Kunst und die geringe Selbständigkeit der persischen hervor. Nur das Gebiet des mystischen Pantheismus, der so recht in iranischem Boden wurzelt, ist selbständig angebaut und hat eine wahre Unzahl von mehr oder weniger systematischen Werken hervorgebracht. Das älteste derselben ist das schon im 11. Jahrh. verfaßte "Kaschf-almahdschûb" (vgl. hierzu Tholuck, Ssufismus, Berl. 1821). Die Geographie wird häufig in Geschichtswerken mit behandelt; als selbständige Werke sind zu erwähnen: "Nushat-elkulûb" vom Verfasser des "Tarîch-i-Gusîde" (s. oben), und "Haft Iklîm" oder "Die sieben Klimate" von Amin Ahmad Râsî (verfaßt 1601), eine unerschöpfliche Fundgrube geographischen, biographischen und bibliographischen Wissens. Für die Religionsgeschichte sind wichtig: "Ulemâï Islâm",