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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Petrefakten

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Petrefakten (Entstehung, Bestimmung).

drucke unter Umständen ein vorzügliches, zur Bestimmung vollkommen ausreichendes Bild der ursprünglichen Organismen namentlich dann bilden, wenn auch Weichteile derselben der Abdrückung unterlegen sind: Nervatur und Fruktifikationen der Farnkräuter, Chitinmantel der Belemniten etc. - 2) Eine feine abformende Masse kann auch die innern Hohlräume der Organismen, so namentlich der Konchylienschalen, erfüllen und nach Zerstörung der organischen Form einen sogen. Steinkern (Fig. 1) hinterlassen, in einzelnen seltenen Fällen verknüpft mit dem äußern Abguß, so daß zwischen beiden ein Hohlraum, der Dicke des ehemals vorhandenen Körpers entsprechend, vorhanden ist (Fig. 2). Ist der Steinkern allein erhalten, so ist bei der Bestimmung der Reste Rücksicht darauf zu nehmen, daß bei diesem Erhaltungszustand z. B. die äußern Schalenornamente der Konchylien nicht beobachtet werden können, während dagegen andre, unter Umständen sehr wichtige Charaktere (Muskelansätze der Bivalven, Lobenlinien der Cephalopoden etc.) gerade am Steinkern zum Ausdruck kommen. - 3) Verwesung (Kalcination, Auslaugung); ihr fallen die Weichteile entweder vollkommen zum Opfer, oder werden doch ihrer Form nach wesentlich entstellt; auch die organischen Bestandteile der festen äußern und innern Skelette werden entfernt (Ausbleichen der Molluskenschalen, Verlust der Knochen der Wirbeltiere an Gewicht durch Fortführung der Leimsubstanz, wodurch die Knochen in einen porösen Zustand übergeführt werden, der sich durch Kleben an der Zunge zu erkennen gibt). Je weniger organische Substanz ursprünglich vorhanden, je widerstandsfähiger die vom Organismus selbst erzeugte Mineralsubstanz ist, desto besser werden sich die Formen bei diesem Prozeß erhalten, so die vielgestalteten Panzer der im Leben Opal absondernden Diatomeen. - 4) Verkohlung, meist bei pflanzlichen, seltener bei tierischen Organismen eintretend, beruht auf einem meist unter Wasser und bei erschwertem Luftzutritt sich vollziehenden Desoxydationsprozeß. Ergreift der Verkohlungsprozeß größere Mengen aufgehäuften Pflanzenmaterials (Kohlenflöze), so führt dies gewöhnlich zu vollständiger Vernichtung der Form durch Pressung und Verquickung der einzelnen Individuen; bisweilen gelingt es aber auch, selbst mitten aus den Kohlenflözen heraus zur mikroskopischen Untersuchung geeignetes Material zu erhalten. Ganz gewöhnlich sind in diesem Zustand besserer Erhaltung die Kohlenhäutchen, die sich einzeln als Hauch auf den Abdrücken vorfinden und fast ausnahmslos ihre Mikrostruktur bewahrt haben. - 5) Versteinerung; fremde, nicht durch den Lebensprozeß der Organismen selbst erzeugte Mineralstoffe füllen entweder Hohlräume aus, welche nach Vernichtung der eingehüllten Organismen zurückgeblieben sind, oder ersetzen nach Art des Pseudomorphosenprozesses (s. Pseudomorphosen) die organische Substanz langsam, Atom für Atom, so daß mitunter die feinste mikroskopische Struktur erhalten bleibt (verkieselte Koniferen aus dem Rotliegenden, Keuper etc.). Derartige Versteinerungen sind echte Pseudomorphosen; die Form, dem organischen Reich entstammt und ursprünglich von organischer Substanz getragen, wird heute von einem andern, anorganischen, der Formerzeugung fremden Material dargestellt, daher Phyto- und Zoomorphosen. Das häufigste Versteinerungsmittel ist Kalkspat, welcher selbst dann oft als neugebildet angenommen werden muß, wenn schon die Organismen durch ihren Lebensprozeß kohlensauren Kalk absetzten. So bilden die Stielglieder der Kriniten, die einzelnen Tafeln und die Stacheln der Cidariten oft mineralogische Individuen mit durch den ganzen Körper hindurchsetzender Spaltbarkeit, ein Verhältnis, welches man als Paramorphose (s. d.) anorganischen Kalks nach organisch erzeugtem bezeichnen könnte. Von sonstigen Mineralstoffen kommt als Versteinerungsmittel Kieselerde (namentlich Feuerstein, Chalcedon, Opal: Verkieselung) noch besonders häufig vor, und es lassen sich dann oft die Versteinerungen, wenn sie in Kalken eingeschlossen sind, durch vorsichtiges Ätzen besonders schön bloßlegen, z. B. das innere Knochengerüst der verkieselten Brachiopoden; ferner Schwerspat, Cölestin, Schwefel, Flußspat, Dolomit, Magnesit, Talk etc. sowie von Erzen (Vererzung) namentlich Eisenkies und Strahlkies, aber auch Roteisenstein, Brauneisenstein, Blende, Kupferglanz, Bleiglanz, Spateisenstein, Zinkspat, Malachit, Blaueisenerde etc. - 6) Als die unvollkommensten, am wenigsten zur systematischen Bestimmung geeigneten Hinweise aus früher existierende Organismen sind die Fährten (Spurensteine) anzusehen, unter denen die des Chirotheriums (s. Labyrinthodonten und Triasformation) auf Gesteinen der Triasformation die bekanntesten sind.

Als offene Frage muß bezeichnet werden, wie lange Zeit ein solcher wirklicher Versteinerungsprozeß in Anspruch nimmt, da die gewöhnliche Angabe, daß die Balken der im Jahr 104 von Trajan bei Belgrad über die Donau geschlagenen Brücke von der Oberfläche aus einen halben Zoll tief verkieselt seien, nicht beweisbar scheint.

Die Schwierigkeit der Bestimmung der P. liegt zunächst in der Unvollkommenheit der Erhaltung der Organismen. Sind schon ganze Ordnungen der Tierwelt, weniger der Pflanzenwelt, als nur aus Weichteilen bestehende Organismen umfassend, in den meisten Fällen der vollständigen Vernichtung unterlegen, so ist dies Fehlen der Weichteile auch bei P., deren festere Organe erhalten sind, oder der Mangel der Möglichkeit, die feinere Struktur untersuchen zu können, für eine sichere Bestimmung der P. verhängnisvoll. So wurden, um ein Beispiel von vielen anzuführen, kleine, im Gestein der Triasformation aufgefundene Doppelschalen lange Zeit einer Bivalve, Posidonia minuta, zugezählt, bis später die mikroskopische Untersuchung der Schalenstruktur besser erhaltener Exemplare die Abstammung von einem zweischaligen Krebs, Estheria, bewies. Hierzu kommt, daß nur selten die einzelnen Teile eines Individuums (die sämtlichen Knochen eines Skeletts, Stamm und Blätter eines Baums) ungetrennt bei einander liegen oder doch in aufeinander beziehbarer Nähe gefunden werden; der Regel nach sind sie vielmehr nach dem Absterben des Organismus voneinander ge-^[folgende Seite]

^[Abb.: Fig. 1. Steinkern. Fig. 2. Steinkern mit Abguß.]