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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Pflanzenkrankheiten

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Pflanzenkrankheiten.

Wenn giftig wirkende Bestandteile im Boden vorhanden sind, z. B. wenn gedüngt worden ist mit stark alkalischer Asche oder mit Kalkmilch aus Gasfabriken, welche Schwefelwasserstoff entwickelt, so wird die Krankheit bemerklich, nachdem von diesen Stoffen so viel in den Blättern sich angesammelt hat, daß die schädliche Wirkung auf die Gewebe eintritt; die Blätter färben sich dann von den Spitzen aus gelb oder braun, oder sie bekommen solche Flecke und vertrocknen, und zwar in der Folge ihres Alters; die Pflanze geht dann häufig vorzeitig ein.

Zahlreichen und wichtigen Krankheiten sind die Pflanzen aber auch ausgesetzt durch den Einfluß der belebten Natur. Das Pflanzenreich selbst zählt eine Menge Wesen, welche andern Pflanzen schädlich werden. Mittelbar können die Pflanzen bei dichtem Stande durch ihresgleichen oder durch andre in ihrer Gesellschaft wachsende Arten (Unkräuter) geschädigt werden, insofern diese mit ihnen konkurrieren in den Ansprüchen an die Nährstoffe des Bodens und an Genuß von Licht und Luft. Auch mechanisch schaden diejenigen Unkräuter, welche zu den Schlingpflanzen gehören, indem sie die in ihrer Nähe wachsenden Pflanzen erwürgen und niederdrücken. Die gefährlichsten Pflanzenfeinde finden sich aber unter den Schmarotzerpflanzen, indem diese direkt den andern Pflanzen organische Säfte und Bestandteile rauben und dadurch ausgeprägte Krankheitserscheinungen hervorrufen. Von höhern Gewächsen kommt hier fast nur die Flachs- und Kleeseide (Cuscuta) in Betracht. Dagegen wird eine ganze Anzahl der allgemeinsten und verderblichen Krankheiten der Kulturgewächse durch Pilze verursacht. Die Veränderungen, welche das auf oder in dem Körper der Nährpflanze entwickelte Mycelium dieser Pilze an denselben hervorbringt, und das Eigenartige der Fruchtbildung derselben, die bald als gefärbte, staubartige Sporenmassen, bald in Form eigentümlich gestalteter Körper an den befallenen Pflanzen sichtbar wird, bedingt die gewöhnlich sehr charakteristischen Symptome dieser Krankheiten. Die unmittelbare krankmachende Wirkung besteht in der Tötung derjenigen Gewebe, auf oder in welchen der Pilz sich entwickelt. Entweder löst das Mycelium die Zellen vollständig, insbesondere die Membranen derselben, also die festen Teile des Gewebes, auf, so daß der Pflanzenteil völlig zerstört wird und der Pilz an dessen Stelle tritt, oder die Zellen bleiben unverletzt, aber das Mycelium saugt daraus die wichtigsten Inhaltsbestandteile aus, so daß die Zelle getötet wird und der betreffende Pflanzenteil gewöhnlich unter Verlust seiner natürlichen Farbe abstirbt, vertrocknet und zu Grunde geht. Mitunter geht dabei eine abnorme Vergrößerung des befallenen Pflanzenteils unter monströser Formbildung voraus. Je nach dem Organ, welches auf diese Weise durch den Schmarotzer zerstört wird, ist die Folge der Krankheit für den Gesamtorganismus der leidenden Pflanze verschieden. Fallen nur die Blüten oder reifenden Früchte dem Pilze zum Opfer, so entwickelt sich die Pflanze im übrigen normal; aber sie bleibt steril und gewährt keine Ernte an Früchten oder Samen. Werden aber die Blätter und Stengel oder die Wurzeln durch den Schmarotzer angegriffen, so verliert die Pflanze Organe, die bei der Ernährung unentbehrlich sind, und es kann dadurch schon frühzeitig die Entwickelung überhaupt gehemmt, der Tod herbeigeführt und somit ebenfalls die Produktion vereitelt werden. Während man früher glaubte, bei den in Rede stehenden Krankheiten sei der Schmarotzerpilz nur eine sekundäre Erscheinung, er siedle sich nur auf der schon krankhaft disponierten Pflanze an, ist es in der jüngern Zeit allgemein nachgewiesen und anerkannt, daß diese Pilze durch ihre Sporen sich fortpflanzen und an jedem normalen Individuum ihrer betreffenden Nährpflanzen zur Entwickelung kommen können, damit zugleich aber die spezifische Krankheit hervorbringen. Insofern lassen sich die Sporen dieser Parasiten zugleich als die Keime der Krankheit betrachten, und bei der Massenhaftigkeit, in der sie erzeugt werden, erklärt es sich, daß diese Krankheiten ansteckend sind, und daß sie sogar als Epidemien auftreten, die sich über ganze Länder verbreiten und in manchen Gegenden endemisch geworden sind. Zugleich ist dadurch der Weg bezeichnet, wie man diese Krankheiten zu bekämpfen und zu verhüten hat: daß man nämlich die Sporen dieser Pilze vernichten oder keimunfähig machen muß und die Bedingungen ihrer Keimung und Weiterentwickelung, unter denen dauernde Feuchtigkeit des Bodens und der Luft oben anstehen, möglichst zu beseitigen sucht. Hierzu ist selbstverständlich die Kenntnis der Lebensweise der betreffenden Schmarotzerpilze das erste Erfordernis. Die wichtigsten hier in Betracht kommenden Schmarotzer sind die Brandpilze (Ustilagineae) und die Rostpilze (Uredineae); Peronosporeen verursachen die Kartoffelkrankheit und den weißen Rost, Exoascus die an den Pflaumen vorkommenden Taschen, Erysiphe-Arten den eigentlichen Meltau, Oidium Tuckeri Berk. die Traubenkrankheit; Pyrenomyceten erzeugen den Rußtau, die Fleckenkrankheit der Blätter, und zu ihnen gehören auch der Wurzeltöter der Luzerne, der Rübentöter und der Erzeuger des Mutterkorns; Diskomyceten erzeugen den Tannen- und Fichtenritzenschorf, den Runzel- oder Blattschorf am Ahorn und an den Weiden, den Kleekrebs und den Lärchenkrebs, endlich von den Hymenomyceten Agaricus melleus Vahl am Grunde der Stämme und an den Wurzeln verschiedener Bäume den Erdkrebs (Harzsticken). Die Tafel "Pflanzenkrankheiten" gibt charakteristische Habitusbilder einiger der wichtigsten P. und zugleich die Entwickelung der die letztern verursachenden Pilze. Tiere schädigen die Pflanzen, indem sie Teile derselben abfressen, benagen etc. Hierher gehören die Schäden, welche das Wild besonders im Winter veranlaßt, indem es die Knospen und jungen Zweige, desgleichen die Sämlinge der Baumschulen verbeißt und die Rinde der Stämme bis auf den Splint abnagt. Besonders aber fallen den pflanzenfressenden Insekten die verschiedensten Teile der Pflanzen zum Opfer, bald die Wurzeln (z. B. Engerlingen), bald Rinde und Bast (z. B. Borkenkäfern), bald Blüten und Früchte, besonders der Obstbäume, den Raupen verschiedener Schmetterlinge; am größten aber ist die Zahl der laubzerstörenden Insekten. Die eigentlich parasitischen Tiere zerstören dagegen die Pflanzenteile durch ihre Freßwerkzeuge nicht, sie benutzen die Pflanze als Wohnplätze entweder zeitlebens oder nur während ihres Ei- und Larvenzustandes und saugen dabei bloß flüssige Säfte aus denselben oder nähren sich nur von innern Teilen, ohne das Organ der Pflanze, welches ihnen ein Asyl gewährt, zu zerstören; aber sie verursachen abnorme, krankhafte Erscheinungen, Verlust der natürlichen Farbe, vorzeitiges Absterben des unmittelbar bewohnten Teils oder entferntere Teile, wenn diese durch das Leidendes direkt infizierten Organs in Mitleidenschaft gezogen werden. So bewirken kleine, achtbeinige Milben aus der Gattung Tetranychus, welche auf der Unterseite der Blätter vieler Kräuter und Sträucher