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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Pflicht; Pflichtenlehre; Pflichtstreit; Pflichtteil; Pflockmaschine; Pflug

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Pflicht - Pflug.

tigen Denken, Wollen und Handeln. Alles pflichtmäßige Handeln geschieht daher mit einer sittlichen (moralischen) Notwendigkeit, welche wir als "Sollen" bezeichnen. Man unterscheidet allgemeine (ursprüngliche, unbedingte) Pflichten, welche für alle Menschen ohne Ausnahme gegeben und von keiner anderweiten Bedingung abhängig sind, und besondere (abgeleitet, bedingte) Pflichten, welche durch besondere Lebensverhältnisse bedingt sind; ferner Rechts- oder Zwangspflichten, welche durch das Rechtsgesetz bestimmt werden, und deren Erfüllung erzwingbar ist, und Tugend- oder Gewissenspflichten, welche vom Tugendgesetz abhängen, und deren Erfüllung der Gewissenhaftigkeit des Menschen überlassen bleibt; endlich reine Pflichten, sofern dieselben durch das Vernunftgesetz im allgemeinen bestimmt sind (transcendentale), und angewandte Pflichten, wie sie in den menschlichen Lebensverhältnissen der Erfahrung nach wirklich vorkommen (empirische). Das von der praktischen Vernunft ausgehende sittliche Gesetz heißt Pflichtgebot (Pflichtgesetz). Unter Pflichtgefühl versteht man teils das allgemeine Gefühl der Verbindlichkeit, seine Pflichten zu erfüllen, teils das Gefühl der sittlichen Nötigung zu einem vernünftigen Handeln. Pflichtenkollision (Pflichtstreit) ist das Zusammentreffen mehrerer Verbindlichkeiten, von denen nach Lage der Verhältnisse nur eine erfüllt werden kann (vgl. Kollision).

Pflicht (Plicht), der hinterste Raum auf Flußschiffen.

Pflichtenlehre, s. v. w. Sittenlehre (Ethik), s. Moral.

Pflichtstreit, s. Pflicht.

Pflichtteil (lat. Portio legitima, auch bloß Legitima), derjenige Teil des Vermögens eines Erblassers, welchen gewisse Verwandte desselben gesetzlich beanspruchen können, wofern sie sich dies Recht nicht durch schlechtes Betragen verscherzt haben. Dem Prinzip nach ist nämlich im römischen Recht sowohl als in den modernen Gesetzbüchern die Testierfreiheit, d. h. das Recht des Erblassers, über seinen Nachlaß letztwillig beliebig zu verfügen, anerkannt. Eine Ausnahme davon ist nur zu gunsten der nächsten Verwandten statuiert, deren Enterbung als ein Akt der Lieblosigkeit und eben darum als unbillig erscheinen würde. Diese Verwandten sind die Deszendenten oder Verwandte in absteigender Linie, wie Kinder und Enkel, die Aszendenten oder Verwandte in aufsteigende Linie, wie Eltern und Großeltern, und die Geschwister, letztere aber nur dann, wenn ihnen eine anrüchige Person (persona turpis) vorgezogen worden ist. Neuere Gesetze und so auch der Entwurf eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs (§ 1975 ff.) zählen die Geschwister nicht mehr zu den Pflichtteilsberechtigten, während sie dem überlebenden Ehegatten ein Recht auf den P. einräumen. Diese Pflichtteilsberechtigten können einen gewissen Teil desjenigen Erbteils beanspruchen, welcher ihnen zufallen würde, wenn kein Testament vorhanden und wenn also die gesetzliche Erbfolge eingetreten wäre. Dieser Teil der sogen. Intestatportion ist eben der P., und der Erblasser ist also in seiner Testierfreiheit zu gunsten jener sogen. Noterben nur insofern beschränkt, als er ihnen wenigstens den P. hinterlassen muß, wofern nicht etwa ein gesetzlicher Enterbungsgrund vorliegen sollte. Ein Hauptgrund, warum insbesondere Eltern die Kinder enterben können, ist die Lieblosigkeit der letztern, bethätigt durch Lebensnachstellungen, Thätlichkeiten oder sonstige grobe Injurien. Die Größe des Pflichtteils bestimmt sich nach gemeinem (römischem) Recht nach der Zahl der im einzelnen Fall vorhandenen Pflichtteilsberechtigten. Sind dies mehr als vier, so beträgt er ½, sind es weniger Noterben, ⅓ der Intestatportion. Neuere Gesetzgebungen, wie die österreichische und die italienische, statuieren dagegen für Deszendenten stets ½, für Aszendenten ⅓ der Intestatportion. Das preußische Landrecht hat den P. für 1-2 Noterben auf ⅓, für 3-4 auf ½ und für 5-6 und mehr Berechtigt auf ⅔ der Intestatportion festgestellt, während nach französischem Rechte dem Erblasser gestattet wird, beim Vorhandensein eines Kindes über ½, bei zwei Kindern über ⅓ und bei drei oder mehreren Kindern nur über ¼ des Nachlasses frei zu verfügen, so daß also hiernach der P. ½, ⅔, ¾ der Intestatportion oder ½, ⅓, ¼ etc. des Nachlasses beträgt. Nach dem Entwurf eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs beträgt der P. die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Der Pflichtteilsberechtigte muß sich in seinen P. alles dasjenige mit einrechnen lassen, was er aus dem Nachlaß durch den letzten Willen des Erblassers oder bei dessen Lebzeiten mit der ausdrücklichen oder stillschweigenden Bedingung erhalten hat, es sich dereinst auf seinen Erbteil anrechnen zu lassen, wie z. B. Mitgift, Berufsausstattung, Studienkosten u. dgl. Übrigens wird auf die Klage des Pflichtteilsberechtigten hin nicht das ganze Testament hinfällig, sondern es wird eben nur insoweit aufgehoben, als der P. verletzt ist. Vgl. außer den Lehrbüchern des Privatrechts Francke, Das Recht der Noterben (Götting. 1831); Schultzenstein, Beitrag zur Lehre vom Pflichtteilsrecht (2. Ausg., Berl. 1883).

Pflockmaschine, s. Schuh.

Pflug (hierzu Tafel "Pflüge"), Gerät zur Bearbeitung des Bodens zum Zweck der Bestellung desselben mit Kulturgewächsen. Der P. ist wohl so alt wie der Ackerbau; wir besitzen Beschreibungen desselben aus den ältesten Zeiten von allen Völkern, die sich mit Ackerbau beschäftigten. Die ersten Formen des Pflugs waren freilich sehr rohe; ein hakenförmiger Baumast, von Sklaven oder Tieren gezogen, bildete das Ackergerät (Hakenpflug, Textfig. 1), wie es noch jetzt in einigen Ländern angetroffen wird. Bei den Kulturvölkern des Altertums war der P. bereits weit vollkommener. Die Griechen kannten bereits das Vordergestell, die Römer das Streichbrett, sogar den Häufelpflug mit doppelten Streichbrettern. Bis zur Mitte des 18. Jahrh. machte die Ausbildung des Pflugs nur geringe Fortschritte; erst von dieser Zeit an bestrebte man sich, sowohl durch Verwendung des zweckentsprechenden Materials den einzelnen Teilen des Pflugs eine möglichst große Dauerhaftigkeit zu verleihen, als auch mit Hilfe mathematische Gesetze die passendsten Formen des wichtigsten arbeitenden Teils des Pflugs, des Streichbretts, zu ermitteln. Seitdem hat die Ausbildung des Pflugs außerordent-^[folgende Seite]

^[Abb.: Fig. 1. Altetruskischer Hakenpflug.]