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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Phosphor

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Phosphor.

mischgares Leder oder durch Kohle filtriert, häufiger von neuem destilliert oder mit chromsaurem Kali und Schwefelsäure behandelt, schließlich in Stangen oder Sektoren gegossen, auch gekörnt und unter Wasser verpackt. Gegenwärtig wird der Gesamtbedarf an P., wie es scheint, nur von drei Fabriken (in Oldbury bei Birmingham, in Lyon und in Schweden) geliefert.

Gewöhnlicher P. ist farblos oder gelblich, durchscheinend, wachsglänzend, vom spez. Gew. 1,83, Atomgewicht 30,96; er ist bei niedriger Temperatur spröde, bei mittlerer knetbar, schmilzt bei 44,3°, siedet bei 290°, bildet farblosen Dampf, verflüchtigt sich langsam, aber schon bei gewöhnlicher Temperatur. Er ist unlöslich in Wasser, wenig löslich in Alkohol und Äther, fetten und flüchtigen Ölen, leicht in Schwefelkohlenstoff, Chlorschwefel und flüssigem Schwefelphosphor und kann aus diesen Lösungen und durch Sublimation in farblosen, diamantglänzenden Kristallen erhalten werden. An feuchter Luft oxydiert sich P. über 0° langsam zu phosphoriger Säure, dabei leuchtet er im Dunkeln und entwickelt knoblauchartigen Geruch; zugleich wird ein Teil des Sauerstoffs ozonisiert, und es entstehen Nebel von salpetrigsaurem Ammoniak, welche durch beigemengten Phosphordampf leuchten. Eine Spur von Terpentinöl- oder Ätherdampf und Schwefelwasserstoff in der Luft verhindert das Leuchten und die langsame Oxydation. Die bei dieser langsamen Oxydation entwickelte Wärme reicht hin, gehäuft liegenden P. zu schmelzen, worauf derselbe sich entzündet und mit weißer, leuchtender Flamme zu Phosphorsäureanhydrid verbrennt. Deshalb muß P. stets unter Wasser aufbewahrt werden. Auch durch Salpetersäure, Chromsäure etc. wird P. zunächst zu phosphoriger, dann zu Phosphorsäure oxydiert. Er verbindet sich direkt mit Schwefel, Chlor, Brom, Jod und vielen Metallen. Aus vielen Metallsalzlösungen fällt P. Metall oder Phosphormetall unter Bildung von Phosphorsäure, und beim Kochen mit alkalischen Laugen entstehen Unterphosphorigsäuresalz und Phosphorwasserstoff. Beim Aufbewahren des Phosphors unter Wasser überzieht er sich mit einer weißen, allmählich abspringenden Rinde, die aus gewöhnlichem P. besteht; bei Einwirkung des Sonnenlichts, beim Erhitzen auf 240-250°, schneller in geschlossenen luftleeren Gefäßen bei 300° verwandelt sich der gewöhnliche P. in eine allotropische Modifikation. Zur Darstellung dieses amorphen oder roten Phosphors erhitzt man den gewöhnlichen P. in einem geschlossenen eisernen Kessel, durch dessen Deckel ein langes, enges, an beiden Seiten offenes Rohr geht, auf 240°. Das Produkt muß wegen eines Gehalts an weißem P. unter Wasser aufbewahrt oder zerrieben und mit Natronlauge gekocht werden, um den weißen P. zu entfernen. Der amorphe P. ist in kompakten Stücken rotbraun, auf der Bruchfläche eisenschwarz, spröde, unvollkommen metallglänzend, undurchsichtig, geruch- und geschmacklos, nicht giftig, vom spez. Gew. 2,1; er verändert sich nicht an der Luft, leuchtet also auch nicht, entzündet sich nicht durch Reiben, ist unlöslich in allen Lösungsmitteln, schmilzt nicht beim Erhitzen, entzündet sich bei 240° und verwandelt sich bei 260° wieder in gewöhnlichen P. Der rote P. erscheint viel indifferenter als der letztere, wenn er auch wegen größerer Zerteilbarkeit von Salpetersäure leichter oxydiert wird. Mit Chlor verbindet er sich erst beim Erwärmen; mit chromsaurem Kali zusammengerieben, entzündet er sich; mit chlorsaurem Kali verpufft er leicht und heftig. Um gewöhnlichen P. fein zu zerteilen, schmelzt man ihn in einem verkorkten Fläschchen unter Wasser durch vorsichtiges Erwärmen und schüttelt dann heftig bis zum vollständigen Erkalten. Am Licht oberflächlich rot und undurchsichtig gewordener P. wird durch Erhitzen mit Wasser und etwas Salpetersäure oder mit alkoholischer Kalihydratlösung wieder farblos und durchscheinend. P. ist dreiwertig und bildet mit Sauerstoff unterphosphorige Säure H2PO2 ^[H_{2}PO_{2}], Phosphorigsäureanhydrid P2O3 ^[P_{2}O_{3}], phosphorige Säure H3PO3 ^[H_{3}PO_{3}], Phosphorsäureanhydrid P2O5 ^[P_{2}O_{5}], Phosphorsäure H3PO4 ^[H_{3}PO_{4}].

Der gewöhnliche P. ist höchst giftig. Beim Menschen kann eine Dosis von 0,1 g tödlich wirken. Schleunige ärztliche Hilfe ist unbedingt nötig (vgl. Phosphorvergiftung). Verwundungen durch brennenden P. sind gefährlich und heilen schwer. P. dient namentlich zur Darstellung von Zündhölzchen (in neuerer Zeit mehr und mehr der rote), ferner als Ratten- und Mäusegift, zu Brandgeschossen, zur Bereitung gewisser Teerfarben, der Phosporbronze ^[richtig: Phosphorbronze] und Phosphorsäure, des Jodäthyls, Jodmethyls und der Jodwasserstoffsäure, mit chlorsaurem Kali gemischt als explosive Armstrongsche Mischung, selten als Arzneimittel bei Schwächezuständen der Harnblasenmuskeln, verschiedenen Nervenleiden, Wurstvergiftung, äußerlich als Reizmittel. Er wurde 1669 von Brandt in Hamburg und zum zweitenmal 1678 von Kunckel entdeckt und zuerst aus Harn dargestellt; den Namen P. (griech., "Lichtträger") erhielt er von seiner Eigenschaft; im Dunkeln zu leuchten Gahn wies 1769 nach, daß die Knochen aus phosphorsaurem Kalk bestehen, und seitdem wurde die Darstellung des Phosphors in größerm Maßstab möglich. Schrötter entdeckte 1845 den amorphen P. Die jährliche Produktion in England und Frankreich beträgt etwa 65,000 Ztr.

^[Abb.: Ofen zur Destillation des Phosphors.]