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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Platoden

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Platoden.

unter ihnen, nämlich den Strudelwürmern oder Turbellarien und den Schnurwürmern oder Nemertinen, flimmert die Haut in ihrem ganzen Umfang, während bei den durch Parasitismus veränderten Gruppen, den Bandwürmern oder Cestoden und den Saugwürmern oder Trematoden, diese Wimperung in Wegfall gekommen und nur noch bei den Larven der letztern zu finden ist. Der Verdauungsapparat ist vergleichsweise vollständig nur bei den Turbellarien und den Nemertinen, schon reduziert bei den Trematoden und völlig eingegangen bei den Cestoden, die sich also durch Endosmose mittels ihrer ganzen Körperoberfläche von den Säften ihrer Wirte nähren müssen. Besondere Blutgefäße und Atmungswerkzeuge kommen nur den Nemertinen zu. Eine vom Darm getrennte Leibeshöhle, wie sie für alle höhern Tiere charakteristisch ist und sich schon bei den höhern Würmern findet, zeigt sich zweifellos ebenfalls nur bei den Nemertinen, ist in Gestalt von größern oder kleinern Lücken vielleicht bei den Turbellarien vorhanden und fehlt wiederum den parasitischen Gruppen. Das Nervensystem ist stets sehr einfach und besteht meist nur aus zwei miteinander verbundenen Ganglienknoten am Vorderende des Körpers und zwei oder vier davon ausgehenden Längsstämmen; bei einigen Trematoden kommen dazu, in den Lauf der letztern eingeschaltet, noch ein oder mehrere Ganglien, während bei den Nemertinen die vordern Ganglien auch durch eine Kommissur um den Rüssel herum verbunden sind. Augenflecke, zuweilen mit lichtbrechenden Körpern, sind vielfach vorhanden. Als Exkretionsorgane fungieren die sogen. Wassergefäße, d. h. einfache oder verzweigte Schläuche, die in der Längsrichtung des Tiers verlaufen und gewöhnlich am Hinterende desselben mit einer oder zwei kontraktilen Blasen nach außen münden. Fast alle P. sind Zwitter und besitzen sehr komplizierte Fortpflanzungsorgane, befruchten sich aber nicht selbst. Die Entwickelung ist vielfach mit einer bedeutenden Metamorphose, bei den Trematoden und Cestoden auch mit Generationswechsel verbunden und führt bei den letztern sogar zu gegliederten Formen.

Man teilt die P. in vier Ordnungen: 1) Die Turbellarien (Strudelwürmer) leben in feuchter Erde, süßem oder salzigem Wasser und bewegen sich durch Schlängelung des ganzen Körpers fort. In der mit Wimpern bedeckten Haut finden sich eigentümliche Nesselorgane und bei einigen Arten auch Bläschen mit grünem Farbstoff, welcher dem Chlorophyll der Pflanzen ähnlich ist und gleich diesem Sauerstoff absondert. Der Mund liegt nicht immer am vordern Leibesende, sondern rückt sogar bis über die Mitte des Körpers hinaus und führt durch einen Schlundkopf in einen Darm, der entweder stabförmig ist (Rhabdocölen), oder sich vielfach verzweigt (Dendrocölen) und wahrscheinlich stets des Afters entbehrt. Bei einzelnen Formen ist jedoch kein mit besondern Wandungen versehener Darm, sondern an seiner Statt eine Hohle von wechselnder Begrenzung vorhanden, in welcher sich die Speisen aufhalten, um von den Zellen des Leibesinnern direkt aufgenommen und verdaut zu werden. Hermaphroditi sind alle Turbellarien mit Ausnahme der Mikrostomeen; beiderlei Geschlechtsorgane haben meist eine gemeinschaftliche Öffnung. In manchen Fällen werden sowohl Eier mit dicker Schale (sogen. Wintereier) als auch solche mit dünner Haut (Sommereier) gebildet; letztere entwickeln sich im mütterlichen Körper, erstere außerhalb desselben. Die Süßwasserformen und viele im Meer lebende Arten haben direkte Entwickelung; ihre Jungen sind infusorienähnlich. Andere hingegen besitzen sonderbar gestaltete Larven mit Wimperlappen. In einzelnen Fällen ist auch ungeschlechtliche Vermehrung durch Teilung nachgewiesen. Die Größe der Turbellarien schwankt zwischen 2 mm und 5 cm.

2) Die Nemertinen (Schnurwürmer) besitzen eine wesentlich höhere Organisation als die Turbellarien und werden darum auch von manchen Forschern als eine besondere, den Platoden gleichwertige Gruppe hingestellt. Sie erreichen eine Länge von 5 m und mehr, besitzen ein verhältnismäßig wohl entwickeltes Nerven- und Gefäßsystem, einen oberhalb des Darms gelegenen Rüssel, welcher durch eine eigne Öffnung aus dem Körper ausgestülpt werden kann, und sind mit ganz wenigen Ausnahmen geschlechtlich getrennt. Ihr Körper zeigt eine eigentümliche Gliederung; der Darm besitzt nämlich eine große Anzahl hintereinander gelegener Ausbuchtungen, welche durch Bindegewebszüge voneinander geschieden werden; diese Art von Kammerung setzt sich aber nicht auf die äußere Haut fort, vielmehr erscheint diese durchaus einheitlich, ungegliedert. Einige Nemertinen gebären lebendige Junge, meist jedoch entwickeln sich die in einer Gallerte abgelegten Eier außerhalb des Muttertiers. Bei manchen Formen ist bedeutende Metamorphose vorhanden; die wie ein Schäferhut gestaltete Larve erhielt, da sie eine Zeitlang als besonderes Tier galt, den Namen Pilidium. Die Nemertinen leben meist im Meer unter Steinen oder im Schlamm, einige jedoch sind Landbewohner. Die in Muscheln schmarotzende Gattung Malacobdella wurde wegen ihres Saugnapfes früher zu den Blutegeln gestellt. Man unterscheidet Nemertinen mit bewaffnetem, d. h. mit kleinen Stacheln versehenen, Rüssel (Enopla; hierher das Vierauge, Tetrastemma, s. Tafel "Würmer") und mit unbewaffnetem Rüssel (Anopla).

3) Als durch Parasitismus zurückgekommene Turbellarien müssen die Trematoden (Saugwürmer) aufgefaßt werden. Sie sind charakterisiert durch einen, zwei oder mehrere Saugnäpfe, welche zur Anheftung an die Wirtstiere dienen und besonders bei den Ektoparasiten (d. h. den auf der Außenfläche anderer Tiere lebenden) stark entwickelt sind. Im Grunde des vordern Saugnapfes liegt der Mund, der mittels einer Speiseröhre in den stets gabelig geteilten und afterlosen Darm führt. Fast alle Trematoden sind Zwitter und besitzen einen äußerst komplizierten Geschlechtsapparat. Die Eier entwickeln sich gewöhnlich außerhalb des Muttertiers und liefern Embryonen, welche noch eine oft ungemein verwickelte Metamorphose (s. Leberegel) durchmachen müssen, ehe sie zu geschlechtsreifen Individuen werden. Die Größe der letztern beträgt höchstens 8 cm. Man unterscheidet: Distomeen mit höchstens zwei und Polystomeen mit vielen Saugnäpfen. Erstere (s. Leberegel) leben als Endoparasiten in den innern Organen von Wirbeltieren, letztere meist als Ektoparasiten auf der Haut von Fischen oder der auf diesen schmarotzenden Krebse. Interessant sind die Arten Diplozoon paradoxum Nordm. oder Doppeltier (s. d.), Polystomum integerrimum Rud. aus der Harnblase des Frosches (die Larven leben in der Kiemenhöhle der Kaulquappen) und Gyrodactylus elegans Nordm., welcher in sich die ineinander geschachtelte Tochter-, Enkel- und Urenkelgeneration birgt.

4) Noch weiter rückgebildet sind die Cestoden (Bandwürmer, s. d.), welche als Parasiten des Menschen auch vom medizinischen Standpunkt Beach-^[folgende Seite]