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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Polnische Litteratur

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Polnische Litteratur (Gegenwart)

Balucki ("Die Jagd nach einem Mann", "Die Räte des Herrn Rats", "Die Nachbarn" etc.), Kazimir Zalewski ("Mit dem Fortschritt", "Vor der Hochzeit", "Treffdame", "Artikel 264"), E. Lubowski ("Die Fledermäuse", "Das Ehrengericht"). Ferner sind zu nennen: Graf Koziebrodski, Prybylski, Szymanowski, Narzymski, Abrahamowicz u. a. Auf dem Gebiet des historischen Dramas erlangten die meiste Anerkennung: J. Szujski ("Halszka z Ostroga", "Marya Mniszchowna", "Demetriusz II.", "Dlugosz i Kallimach" etc.), A. Asnyk ("Klejstut"), K. Zalewski ("Marco Fornarini"), A. Belcikowski ("Adam Tarlo", "Hunyady", "Król don Juan" etc.), W. Rapacki ("Wit Stwosz", "Acernus", "Pro honore domus" etc.), B. Grabowski ("Syn Margrafa", "Królewicz Marko") u. a. Indessen steht das historische Drama noch nicht auf der ziemlich bedeutenden Höhe des Lustspiels. Eigentliche Volksstücke schrieben namentlich Wl. Anczyc ("Die Bauernaristokraten", "Die Bauernauswanderung", "Kosciuszko" etc.) und der Krakauer Schlossermeister Staszczyk ("Die St. Johannis-Nacht"). Selbstverständlich werden auch alle bedeutendern Dramen des Auslandes ins Polnische übersetzt. Unter Leitung Kraszewskis erschien 1877 die erste klassische Gesamtübersetzung Shakespeares; eine Gesamtausgabe Schillers ist ihr neuerdings gefolgt. Unter den Romanschriftstellern steht auch in dieser Epoche J. I. Kraszewski sowohl an Fruchtbarkeit als auch an Gediegenheit an der Spitze. Er behandelte in einer Reihe von Romanen, welche unter dem Pseudonym Boleslawita erschienen, die polnisch-russischen Beziehungen unter dem Gesichtspunkt des letzten Aufstandes. In einer andern Serie schildert er die gesellschaftlichen Verhältnisse in Polen, namentlich die Notwendigkeit, den untergehenden Adel durch Arbeit zu heben; in wieder einer andern behandelt er die sogen. sächsische Zeit der polnischen Geschichte, in einer vierten endlich die polnische Urgeschichte in Walter Scottschem Stil. Neben Kraszewski sind zu nennen: Johann Zachariasiewicz (geb. 1825) als Verfasser vorzüglicher politischer Tendenz- und Künstlerromane; Sigismund Milkowski (pseudonym Jez, geb. 1820), dessen Thätigkeit mehr ins Weite geht und sich vielfach auf südslawische Stoffe wirft; H. Sienkiewicz, Verfasser großer historische Romane ("Mit Feuer und Schwert", "Die Sintflut" u. a., seit 1883); Elise Orzeszko (geb. 1842), welche ein neues Genre des polnisch-jüdischen Romans geschaffen hat; Krechowiecki ("Starosta Zygwulski", "Veto", 1888); ferner Balucki, Belcikowski, Chledowski, Waleryan Przyborowski, Swietochowski, Dygasinski u. a. Auch der ältere Romandichter Kaczkowski (s. oben) ist nach langem Schweigen neuestens mit historischen Romanen ("Abraham Kitay" u. a.) hervorgetreten. Als Humoristen thaten sich besonders hervor: Heinrich Sienkiwicz (pseudonym Litwosz), dessen ergreifende kleinere Erzählungen zumeist tragisch ausklingen, und Wilczynski, bei dem der Roman jedoch zuweilen in das Gebiet des Pamphlets hinübergreift.

Sehr entschieden wirkte die neue realistische Richtung auf die Geschichtschreibung zurück, welche jetzt den aprioristischen Standpunkt der Verherrlichung der polnischen Geschichte um jeden Preis verließ und sich auf die Herausgabe der Materialien und auf rücksichtslose Aufdeckung der Gebrechen des polnischen Staatswesens verlegte. In erster Hinsicht sind hervorzuheben: die "Monumenta Poloniae historica" (bis 1880: 3 Bde.), die "Acta Tomiciana" aus dem 16. Jahrh. (bisher 9 Bde.), die von der Krakauer Akademie veröffentlichen ^[richtig: veröffentlichten] Sammlungen: "Scriptores rerum polonicarum" (seit 1871) und "Acta Poloniae historica" (seit 1878), die "Akta grodzkie", die "Zròdla dziejare"; ferner die kritische Ausgabe der Werke des Dlugosz, der Briefe des Kardinals Hosyus, der Aktenstücke zur Regierung J. Sobieskis etc. In der andern Beziehung ist zuerst zu nennen: M. Bobrzynski ("Dzieje Polski", welcher mit rücksichtslosem Realismus den Schleier von allen Gebrechen der polnischen Politik wegreißt; J. Szujski ("Dzieje Polski"), welcher sich nur um weniges milder erweist; W. Kalinka ("Sejm czteroletni"), welcher den Nimbus, mit welchem der Reichstag von 1789-92 umgeben war, stark erschüttert hat; Teodor Morawski ("Dzieje naro du polskiego") u. a. Alle diese Geschichtsforscher gehen von dem Grundsatz aus, daß nur die Erkenntnis der reinen Wahrheit, wenn dieselbe auch oft patriotische Gefühle verletzt, die nationale Besserung und Wiedergeburt zu fördern geeignet ist. Mit großer Ausdauer werden jetzt einzelne Partien der polnischen Geschichte aktenmäßig dargestellt. Es sind zu nennen für die ältesten Zeiten: A. Malecki ("Über den innern Organismus Polens in der ältesten Zeit", "Das Testament Boleslaw Schiefmunds" etc.), A. Lewicki ("Mieszko"), St. Smolka ("Mieszko stary i niek jego"); bis zum Ende des 15. Jahrh.: M. Bobrzynski ("Über das deutsche Recht in Polen", "Der polnische Reichstag unter Albrecht", "Pan Ostróg" etc.), J. Szujski ("Kasimir der Große"), A. Prohazka ("Über die polnisch-böhmischen Beziehungen"), St. Smolka ("Polen und die Hussitenkriege"), A. Ketrzynski ^[Kętrzynski] ("Polnische Nationalität zur Zeit des Ritterordens"), ferner Kantecki, Papèe, Maurer, Stadnicki, Sutewicz etc.; bis zur Hälfte des 18. Jahrh.: Zakrzewski ("Nach der Flucht Heinrichs von Valois"), J. ^[Józef] Szujski ("Renaissance und Reformation in Polen", 1880; "Marie Muiszech", "S. August" etc.), A. Przezdziecki ("Jagielonki"), ferner Kalicki, Kantecki, Jablonowski, Antoni J. Rembowski, namentlich auch K. Jarochowski (gest. 1888), der die Zeit der Schwedenkriege mustergültig bearbeitete. Die Regierungszeit Poniatowskis behandeln außer Kalinka (s. oben) H. Schmitt ("Dzieje Polski", 18. u. 19. Bd.), J. I. ^[Józef Ignacy] Kraszewski ("Polska w czasie trzech rozbiorów 1772-99"), Gloger ("A. Tyrenhaus"), Graf Skarbek ("Dzieje Krięstwa warszawskiego"). Kulturhistorische Stoffe behandeln Wenclewski ("Die Schlesier in Polen"), Liske ("Ausländer in Polen"), v. Maciejowski ("Die Juden in Polen"). In der Philosophie vollzog Fr. Krupinski ("O filozofii w Polsce", "Szkola pozytywna", "Wczasy warszawskie") den Sprung vom subjektiven Idealismus, dem die polnischen Philosophen der Romantik sämtlich huldigten, zum Comteschen Positivismus, welcher seither in Warschau sein Hauptquartier aufgeschlagen hat und an den Professoren Ochorowicz ("Psychologiczne pytania", "Zdziennika psychologa") und H. Struve ("Synteza dwóch swiatów") seine Hauptvertreter findet.

Begründer der polnischen Litteraturgeschichte ist Felix Bentkowski, welcher in seiner "Historya literatury polskiéj" (Warsch. 1814) zuerst den rein bibliographischen Standpunkt verließ und die innern Merkmale der verschiedenen Epochen festzustellen versuchte. Die große Litteraturgeschichte von Wiesniewski (Krak. 1845-57, 10 Bde.) reicht nur bis zum 17. Jahrh., desgleichen Maciejowskis "Pismiennictwo polskie" (Warsch. 1851, 3 Bde.), welches namentlich für die älteste Periode vielfach unerwiesene Theorien aufstellt; die "Historya litera-^[folgende Seite]