Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Potvin; Pouancé; Poudre; Poudrette

297

Potvin - Poudrette.

schmäler und kürzer als der Oberkiefer, von welchem er bei geschlossenem Maul umfaßt wird. Beide Kiefer sind mit kegelförmigen, wurzellosen Zähnen von unbestimmter Zahl besetzt, die im Alter zum Teil ausfallen, und von denen die des Oberkiefers meist gänzlich verkümmern. Unter der mehrere Zoll dicken Specklage des Kopfes breiten sich Sehnen aus, welche einem großen Raum zur Decke dienen, der durch eine wagerechte, aber durchlöcherte Wand in zwei Kammern geteilt und mit einer öligen, hellen Masse, dem Walrat (s. d.), angefüllt ist, welches außerdem auch noch in einer vom Kopf bis zum Schwanz reichenden Röhre und in zahlreichen kleinen, im Fleisch und Fett zerstreuten Säckchen enthalten ist. Das Fleisch ist hart und grobfaserig und von vielen steifen Sehnen durchzogen. Die Haut ist fast vollkommen glatt und glänzend, trübschwarz, am Unterleib, an dem Schwanz und dem Unterkiefer stellenweise lichter gefärbt. Ein eigentümlicher, als Harnblase zu deutender, über der Wurzel der Rute befindlicher Sack enthält eine orangenfarbige, ölige Flüssigkeit, in der zuweilen kugelige Klumpen von 8-30 cm Durchmesser und 6-10 kg Gewicht umherschwimmen, wahrscheinlich krankhafte Absonderungen, dem Harnstein andrer Tiere zu vergleichen. Sie sind die geschätzte Ambra (s. d.), die sich übrigens auch im Darmkanal vorfinden soll. Der P. lebt herdenweise in allen Teilen des Ozeans, namentlich zwischen 40° nördl. und südl. Br., bis zum 60.°, auch an den europäischen Küsten; seine eigentliche Heimat aber ist die südliche Erdhälfte, wo er sich, zumal an den tiefsten Stellen des Meers, scharenweise zusammenfindet. Warmen Strömungen folgend, wandert er unregelmäßig nach N. und S.; in seinen Bewegungen erinnert er mehr an die Delphine als an die Bartenwale, er taucht oft mit dem Kopf weit aus dem Wasser heraus und liegt schlafend fast bewegungslos auf der Oberfläche. Er nährt sich vornehmlich von Cephalopoden, frißt aber auch kleinere Fische. Man hat oft Mütter mit saugenden Jungen gesehen. Der P. wird seit alten Zeiten, besonders aber seit Ende des 17. Jahrh., von amerikanischen und englischen Walfischfängern eifrig verfolgt, namentlich in der Südsee. Die Jagd ist mit weit größern Gefahren verbunden als die auf Walfische, da das harpunierte Tier mit seinen furchtbaren Stößen Schiffe bis zum Versinken beschädigt. Man benutzt außer dem Walrat auch die Ambra, den Speck, welcher guten Thran liefert, und die Zähne.

Potvin (spr. powäng), Charles, belg. Litterarhistoriker und Dichter, geb. 2. Dez. 1818 zu Mons, studierte in Löwen und wurde dann Professor der Nationallitteratur bei den öffentlichen Vorlesungen der Stadt Brüssel. Er ist das Haupt der liberalen Richtung der belgischen Litteratur, seit 1881 Mitglied der belgischen Akademie und seit 1883 Konservator des Wiertz-Museums in Brüssel. Von seinen Dichtungen: "Poëmes historiques et romantiques" (1840, 2 Bde.), "Satires et poésies diverses" (1851), "Patrie" (1862), "Marbres antiques et crayons modernes" (1862), "En famille" (1862 u. 1872), "L'art flamand" (1868), verdienen die beiden letztgenannten besondere Beachtung. Später schlossen sich ihnen an: "Contes de Madame Rose" (1879) und "La patrie de 1830", preisgekröntes Gedicht zum 50jährigen Jubiläum der belgischen Unabhängigkeit (1880). Auch Dramen: "Jacques d'Artevelde" (1861), "Les gueux" (1863) und "La mère de Rubens" (1876), hat P. veröffentlicht und damit wiederholt akademische Preise errungen. Von seinen litterar- und zeitgeschichtlichen Werken nennen wir: "Albert et Isabelle" (1861); "Du théâtre en Belgique" (1862); "Antoine Wiertz" (1869); "Nos premiers siècles littéraires" (Vorlesungen, 1870, 2 Bde.); "La génie de la paix en Belgique. Écrivains, diplomates, utopistes, professeurs et pamphlétaires" (1871); "Du gouvernement de soi-même" (1877) und "Essais de littérature dramatique en Belgique" (1880, 2 Bde.); "Histoire des lettres en Belgique 1830-1880" (1882). Ferner erschienen von ihm unter dem Namen Dom Jacobus: "L'Église et la morale" (1858, 2 Bde.), "Le livre de la nationalité belge" (2. Aufl. 1860) und "Les tablettes d'un libre-penseur" (1879); unter dem Namen Dom Liber: "Le faux miracle du saint sacrement de Bruxelles" (1876). Auch als Übersetzer u. Herausgeber alter Litteraturwerke (z. B. des "Perceval le Gallois" von Chrestien de Troyes, 1865-72, 6 Bde.) sowie als Publizist hat sich P. rege bethätigt. Er gründete 1869 die "Revue de Belgique", das Organ der liberalen Schriftsteller Belgiens, und erhielt in demselben Jahr den großen fünfjährigen Staatspreis für französische Litteratur.

Pouancé (spr. puangssé), Stadt im franz. Departement Maine-et-Loire, Arrondissement Segré, an der Westbahn, hat ein altes und ein modernes Schloß, ein Eisenwerk und (1881) 2045 Einw.

Poudre (franz., spr. puhdr), Pulver, Staub, Puder; P. de riz, feinstes Reismehl, als trockne Schminke gebraucht.

Poudrette (franz., spr. pu-), zu Streudünger verarbeitete menschliche Exkremente, oft mit Zusatz von Asche, Schwefelsäure, Salzen, Superphosphat, allerlei Abfällen, Erde, Torf etc. Reine Exkremente verarbeitet Liernur auf P., indem er diese im luftverdünnten Raum verdampft, den dicken Brei mit Bürsten auf langsam rotierende, geheizte Walzen aufträgt und die getrocknete Masse durch eine andre kleine, mit Spitzen besetzte Walze wieder ablöst und dadurch in Pulver verwandelt. Die Klosette, in welchen die Exkremente durch Aufstreuen von Erde, Asche, Torf desinfiziert werden, liefern eine Masse, die sehr leicht in Streudünger verwandelt werden kann, und namentlich die Torfpoudrette wird von Gärtnern und Landwirten gern angewandt. Der Wert dieser Präparate richtet sich nach der Menge der in ihnen enthaltenen Exkremente. Tiede überbraust die Exkremente mit einer Lösung von schwefelsaurer Kalimagnesia und schwefelsaurer Thonerde, läßt die über dem sich bildenden Niederschlag stehende Flüssigkeit ab, um sie durch Torfmehl auffangen zu lassen, vermischt die breiige Masse mit Kainit und trocknet. Das trockne Pulver wird mit Blut gemischt und nach eingetretener ammoniakalischer Gärung derartig mit 10° B. starker Phosphorsäure getränkt, daß die Masse stets sauer bleibt. Man setzt auch von Zeit zu Zeit noch schwefelsaure Kalimagnesia zu, läßt die Masse reifen und trocknet sie endlich unter Zusatz von schwefelsaurer Kalimagnesia. Mit diesem Präparat werden nun die von der Flüssigkeit getrennten Exkremente gemischt, worauf man schwefelsaure Kalimagnesia, Blut, Phosphorsäure, phosphorsauren Kalk und Schwefelsäure zusetzt. Man läßt die Masse dann reifen, trocknet sie endlich auf eisernen Abdampfpfannen und setzt je nach dem Ausfall einer Analyse noch schwefelsaures Kali, schwefelsaures Ammoniak etc. zu. Das erhaltene Präparat ist dem Peruguano vergleichbar und enthält die drei wichtigsten Pflanzennährstoffe in innigster Mischung mit Humussubstanzen. In Freiburg werden die Exkremente nach der Methode von Hennebutte und de Vauréal durch Kalk-^[BINDESTRICH!]