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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Prag

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Prag (Kirchen, Profanbauten).

Innern ist hervorzuheben das königliche Mausoleum von weißem Marmor, ein schönes Werk reinen Renaissancestils, welches Rudolf II. 1589 durch Alexander Colins von Mecheln ausführen ließ, mit den ruhenden Gestalten Ferdinands I., seiner Gemahlin Anna und Maximilians II. Außerdem enthält der Dom das 1736 vollendete silberne Grabdenkmal des heil. Johann von Nepomuk (über 2000 kg schwer), mehrere andre Grabdenkmäler böhmischer Herzöge, Könige und Bischöfe, wertvolle Holzschnitzereien, neue Wandmalereien von Swerts sowie die Domschatzkammer und die Kammer, worin die böhmischen Krönungsinsignien bewahrt werden. Dem Alter nach geht dem Dom die gleichfalls auf dem Hradschin befindliche Georgskirche voran, eins der wenigen romanischen Baudenkmäler Prags (1150 erbaut, nach einem Brand 1541 großenteils neu hergestellt), mit der Ludmillakapelle, welche das Grabdenkmal der heil. Ludmilla, aus dem 15. Jahrh., enthält. Nächst dem Dom ist der wichtigste gotische Kirchenbau aus Karls IV. Zeit die 1377 vollendete achteckige Kirche des Karlshofs in der Neustadt, mit kühn gewölbter Kuppel, das Innere jedoch in geschmackloser Weise bemalt und mit Goldbronze bedeckt. Ein stattlicher gotischer Bau ist die gleichfalls in der obern Neustadt gelegene Kirche des Stifts Emaus (1372 unter Karl IV. vollendet). Aus derselben Zeit stammt die Kirche Mariä Verkündigung in Slup, ein kleines Kabinettsstück der Gotik, mit zierlichem Turm, gegenwärtig zur Irrenanstalt gehörend. Einschiffige Kirchenbauten derselben Zeit sind die hohe Franziskanerkirche Maria-Schnee, von Karl IV. 1347 gegründet, und St. Apollinar auf dem Windberg. In den Anfang des 15. Jahrh. fällt der Bau der Teynkirche, welche die Prager Kaufmannschaft aufführen ließ. Sie ist zwar durch Anbauten verstellt, blickt aber über dieselben malerisch auf den Altstädter Ring herab, hat zwei stattliche Türme, ein schönes nördliches Seitenportal, im Innern die Marmorstatuen der Slawenapostel Cyrill und Method (von Emanuel Max), das Grabmal Tycho Brahes und mehrere Kunstwerke. Am Frontgiebel prangten ehemals der utraquistische Kelch und darunter die Statue Georgs von Podiebrad, doch wurde beides unter Ferdinand II. durch ein kolossales Marienbild ersetzt. Interessante Kirchen sind außerdem: die Stephanskirche in der Neustadt, historisch als Ausgangsstätte des Hussitenkriegs denkwürdig, von einfacher Basilikenanlage; die im Barockstil vom Jesuitenorden erbaute Nikolaikirche auf der Kleinseite, mit mächtiger Kuppel, im Innern mit Marmor, Gold, bunten Fresken und Statuen prunkhaft überladen; die Klemenskirche und die sogen. Welsche Kapelle, welche 1602 von den Jesuiten in dem an die Salvatorkirche angebauten Collegium Clementinum vereinigt wurden, das somit drei Kirchen enthält; dann die Ignatiuskirche mit reichen Stukkaturen und Fresken, anstoßend an das ungeheure ehemalige Ordenshaus der Jesuiten am Karlsplatz; die Thomaskirche auf der Kleinseite (Hochaltarbild von Rubens); St. Johann in Skalka; die Altstädter Nikolaikirche (jetzt dem russischen Kultus eingeräumt) mit polygoner Hochkuppel; die langschiffige Jakobskirche; dann die Kuppelkirche der Kreuzherren auf dem Altstädter Brückenplatz und die Prämonstratenserstiftskirche von Strahow am Hradschin mit reichem Barockornament und den Grabmälern des heil. Norbert, des Ordensstifters, und Pappenheims, letztere vier zu den bessern Rokokobauten gehörend. Die alte, im 18. Jahrh. umgebaute Peters- und Paulskirche in Wyschehrad wird gegenwärtig im gotischen Stil wiederhergestellt. Die bemerkenswertesten Klöster sind: das 1140 gegründete, am Hradschin malerisch gelegene Prämonstratenserstift Strahow mit Kirche, prächtigem Bibliotheksaal, Gemäldegalerie, großem Garten etc.; das gleichfalls am Hradschin gelegene Kapuzinerkloster mit einer Nachahmung der Santa Casa zu Loreto im Klosterhof, welche reiche Schätze enthält, und einer Klosterkirche mit Glockenspiel; außerdem der Konvent des Malteserordens auf der Kleinseite, das Kreuzherrenordensstift und das Minoritenkloster St. Jakob (mit gotischem Kreuzgang) in der Altstadt, das Kloster Emaus in der Neustadt u. a.

[Profanbanten.] Unter den weltlichen Gebäuden nimmt den ersten Rang ein die Hofburg, teilweise aus alter Zeit, aber mehrmals (zuletzt unter Maria Theresia) umgebaut und aus zahlreichen regellos aneinander gereihten Gebäuden zusammengesetzt. Den Charakter des alten Burgbaues tragen nur noch der kleine, stark vorspringende Flügel mit der alten Ratsstube, aus deren Fenstern 23. Mai 1618 Slawata, Martinitz und deren Sekretär Fabricius in den Wallgraben hinabgeworfen wurden, und der Trakt des Wladislawschen Saals, eines hohen Rittersaals, mit reich verschlungenem Netzgewölbe. Alles andre ist im italienischen Stil umgebaut. Der Portalbau an der Westfronte wurde 1614 von Scamozzi vollendet und enthält eine schön angelegte Haupttreppe. Die Burg schließt einen äußern, mit einem Gitter eingefaßten Platz, dann drei große innere Höfe ein, enthält eine Hofkapelle, 440 Zimmer und außer den schon erwähnten historischen Sälen zwei große, restaurierte Säle, nämlich den deutschen und den spanischen Saal. In dem Burghof, gegenüber der Domkirche, ist die 1373 gegossene eherne Reiterstatue St. Georgs aufgestellt, ein Kunstwerk der Brüder Clussenberg in Nürnberg. So wie die Burg datiert auch das am Altstädter Ringe gelegene Rathaus aus verschiedenen Bauperioden. Dasselbe enthält eine 1381 geweihte, neuerdings restaurierte Kapelle, welche nach außen ein stark vorspringendes Chor von schönen Verhältnissen und rein stilisierter Ornamentik besitzt. Übergangsformen von der Gotik zur Renaissance zeigt die alte, im J. 1884 restaurierte Ratsstube. Bemerkenswert sind ferner die alte Gerichtsstube, der 1884 vollendete große Festsaal und der Primatorensaal. Der Altstädter Rathausturm stammt von 1475. Ein dem eben genannten sowie dem Altstädter Brückenturm sehr verwandter Bau ist der schöne, am Ende der Zeltnergasse stehende sogen. Pulverturm, eigentlich ein Thorturm zwischen der Alt- und Neustadt (1475 erbaut, 1886 restauriert). Von den ältern Baudenkmälern ist noch das alte Universitätsgebäude (Carolinum) in der Altstadt mit großer Aula und gotischer Erkerkapelle, dann die weitläufige, 1360 angelegte krenelierte Mauer (angeblich während einer Hungersnot von Karl IV. gebaut, um den Armen Erwerb zu schaffen, daher Hungermauer genannt) zu nennen, die, von einigen kastellartigen Türmen unterbrochen, sich über die Höhe des Laurentiusbergs malerisch hinzieht. Ein Muster edelster Renaissance bildet das zierliche, unter Ferdinand I. 1538 erbaute Ferdinandeische Lustschloß oder Belvedere in dem Garten der Kaiserburg, im stattlichen Saal 1850-56 mit Fresken aus der böhmischen Landesgeschichte versehen. Drei interessante, auch durch ihre räumliche Ausdehnung bemerkenswerte Paläste sind: das Czerninsche Palais am Hradschin (zweite Hälfte des 17. Jahrh.), ein ungeheurer Bau (gegenwärtig als Kaserne dienend); das Waldsteinsche Palais von 1623 auf der Kleinseite, eine ausgedehnte Palastanlage mit Nebengebäuden, Gär-^[folgende Seite]