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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Presse

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Presse (frühere und gegenwärtige Gesetzgebung).

indem jene Vollmachten 1694 nicht erneuert wurden. Die P. hatte jedoch noch im 18. Jahrh. in England gegen ein drückendes Repressivsystem zu kämpfen. Hierunter ist nämlich das auf die Bestrafung und nachträgliche Beseitigung des mit der P. verübten Mißbrauchs zu verstehen. In der Regierungszeit Georgs III. glänzen Wilkes, Horne Tooke, Erskine u. a. als Vorkämpfer der unterdrückten Preßfreiheit, welche endlich 1794 durch eine Parlamentsakte, nach welcher bei Preßvergehen nicht bloß die Thatfrage, sondern auch die Schuldfrage der Beurteilung der Geschwornen unterliegt, befestigt wurde.

In den Vereinigten Staaten von Nordamerika ward 1790 durch einen Zusatzartikel zur Verfassung jede Beschränkung der Preßfreiheit untersagt. Auf dem Kontinent von Europa machte zuerst Kaiser Joseph II. den vorübergehenden Versuch, die Zensur zu beseitigen. In Frankreich wurde durch die Revolution ebenfalls vorübergehend die Preßfreiheit eingeführt, um unter Napoleon I. wieder der strengsten polizeilichen Überwachung der P. Platz zu machen. Erst die Verfassung von 1814 stellte im Art. 8 dauernd den Grundsatz fest, daß die Preßgesetzgebung nur den Mißbrauch der Preßfreiheit unterdrücken solle.

In Deutschland hatte die Bundesakte von 1815 im Art. 18 gleichförmige Verfügungen über die Preßfreiheit zugesichert. Statt dessen wurde infolge der Karlsbader Konferenzen durch den Bundesbeschluß vom 20. Sept. 1819 die vorgängige Zensur eingeführt, und auf Grund dieses Beschlusses sah sich Baden genötigt, die 1832 angeführte Preßfreiheit wieder aufzuheben. Infolge der geheimen Konferenzen von 1834 wurden sogar die sämtlichen Verlagsartikel einzelner Buchhandlungen sowie die sämtlichen Werke einzelner Schriftsteller (Heine, Gutzkow, Laube etc.) einschließlich der künftig erscheinenden durch die Bundesbeschlüsse von 1835 und 1845 verboten. In Preußen wurde 1843 durch Einsetzung des Oberzensurgerichts der Versuch gemacht, die Präventivzensur unter die Kontrolle einer richterlichen Instanz zu stellen. Die beschränkenden Bestimmungen der Bundesbeschlüsse wurden jedoch 1848 aufgehoben, und die Zensur hörte damit in allen deutschen Staaten auf; in Preußen wurde sie durch Art. 27 der Verfassungsurkunde ausdrücklich ausgeschlossen. Die seitdem in den einzelnen deutschen Staaten erlassenen Preßgesetze (unter welchen das preußische Preßgesetz vom 12. Mai 1851 und das bayrische Preßedikt vom 4. Juni 1848 zu erwähnen sind) behielten gleichwohl eine Anzahl tief eingreifender Beschränkungen der Preßfreiheit bei.

Durch die neue deutsche Reichsverfassung (Art. 4, Nr. 16) wurden die Bestimmungen über die P. der Reichsgesetzgebung unterworfen, und die bisherigen Landesgesetze wurden durch das Reichsgesetz über die P. vom 9. Mai 1874 überall außer Kraft gesetzt, mit Ausnahme von Elsaß-Lothringen, wo vorerst die ältere französische Preßgesetzgebung in Kraft verblieben ist. Das Reichspreßgesetz hat den größten Teil der polizeilichen Präventivmaßregeln gegen die P. beseitigt, insbesondere die Konzessionsentziehung (§ 4), den Zeitungsstempel, die Inseratensteuer (§ 30) und die Kautionsleistung. Schon durch die Gewerbeordnung vom 21. Juni 1869 war die Konzessionserteilung für die Preßgewerbe in Wegfall gekommen. Nach der Gewerbeordnung (§ 14) besteht für die Drucker, Buchhändler, Zeitungsverkäufer, Bücherverleiher etc. nur noch die Verpflichtung, bei Eröffnung ihres Gewerbebetriebs das Lokal desselben sowie jede spätere Veränderung desselben der Polizeibehörde anzuzeigen. Für Elsaß-Lothringen ist die Konzessionspflichtigkeit des Preßgewerbes auch nach Einführung der deutschen Gewerbeordnung (Reichsgesetz vom 27. Febr. 1888) beibehalten worden. Kolporteure bedürfen nach der Novelle zur Gewerbeordnung vom 1. Juli 1883 eines amtlich genehmigten Verzeichnisses der Druckschriften, welche sie verbreiten wollen. Eine Entziehung der Befugnis zum Betrieb irgend eines Preßgewerbes oder sonst zur Herausgabe oder zum Vertrieb von Druckschriften darf nach § 4 des Preßgesetzes weder im administrativen noch im richterliche Weg stattfinden. Die polizeiliche Vorschriften des Preßgesetzes beschränken sich für die Druckschriften im allgemeinen auf die Bestimmung, daß auf jeder Druckschrift der Name und Wohnort des Druckers, bei den für den Buchhandel bestimmten Schriften auch der des Verlegers (beim Selbstverlag der des Verfassers oder Herausgebers) genannt sein muß. Von dieser Vorschrift sind nur ausgenommen: Formulare, Preiszettel, Visitenkarten, Stimmzettel und dergleichen zum materiellen Gebrauch, nicht zur Gedankenmitteilung bestimmte Drucksachen (§ 6). Umfassendere Vorschriften sind in Bezug auf die periodischen Druckschriften getroffen, d. h. diejenigen Zeitungen und Zeitschriften, welche in monatlichen oder kürzern, wenn auch unregelmäßigen Zwischenräumen erscheinen. Jedes Stück einer solchen Zeitschrift muß den Namen und Wohnort des verantwortlichen Redakteurs enthalten (§ 7). Als solcher darf nur eine verfügungsfähige Person im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte benannt werden, welche im Deutschen Reich ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat (§ 8). Von jedem Stück muß, sobald die Austeilung beginnt, ein sogen. Pflichtexemplar gegen Bescheinigung an die Polizeibehörde des Ausgabeortes unentgeltlich abgeliefert werden, ausgenommen die Zeitschriften, welche ausschließlich den Zwecken der Wissenschaft, der Kunst, des Gewerbes oder der Industrie dienen (§ 9). Amtliche Bekanntmachungen der öffentlichen Behörden müssen gegen Zahlung der üblichen Einrückungsgebühren aufgenommen werden. Berichtigungen der in einer periodischen Druckschrift mitgeteilten Thatsachen müssen auf Verlangen der beteiligten Behörde oder Privatperson ohne Einschaltungen und Weglassungen aufgenommen werden, soweit sie sich auf thatsächliche Angaben beschränken. Die Aufnahme erfolgt kostenfrei, soweit nicht die Entgegnung den Raum der berichtigten Mitteilung überschreitet, darüber hinaus gegen die üblichen Einrückungsgebühren (§ 10 f.). Anklageschriften dürfen durch die P. nicht eher veröffentlicht werden, bis dieselben in öffentlicher Verhandlung kundgegeben sind. Öffentliche Sammlungen zur Aufbringung erkannter Geldstrafen durch die P. sind verboten (§ 16 f.). Gegen die sozialdemokratische P. sind besondere Maßregeln im Sozialistengesetz festgesetzt worden (s. Sozialdemokratie).

Preßdelikte (Preßvergehen) sind einesteils diejenigen strafbaren Handlungen, welche zufällig im Weg der P. begangen werden, ohne daß der Gebrauch der P. zum Wesen des Delikts gehört (Beleidigung, Fälschung, Erpressung, Gotteslästerung etc.), andernteils solche Vergehen, welche nur durch die P. begangen werden können, und deren Wesen in dem Mißbrauch der Öffentlichkeit besteht. Zu dieser letztern Klasse der eigentlichen Preßdelikte gehören die Vergehen gegen die Ordnung der P. (Preßpolizeivergehen), welche in dem Preßgesetz selbst mit Strafe bedroht sind. Hieran schließen sich diejenigen im Strafgesetzbuch bezeichneten Vergehen, zu deren Thatbestand die öffentliche Aufforderung oder Anreizung