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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Preußen

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Preußen (Münzen, Maße, Gewichte; Versicherungswesen; Staatsverfassung).

kommunalständischen Darlehnskassen; zu den landschaftlichen Kreditinstituten gehören die Hannoversche Landeskreditanstalt, die Landeskreditkasse zu Kassel, die Nassauische Landesbank in Wiesbaden, das Königliche Kreditinstitut für Schlesien in Breslau und 19 Gegenseitigkeits-Grundkreditinstitute. Das Münzwesen ist durch Gesetz vom 4. Dez. 1871 für P. und das Deutsche Reich geordnet; die Goldwährung ist eingeführt, und als Münzeinheit gilt die Mark zu 100 Pfennig (3 Mk. = 1 Thlr.). Das Maß- und Gewichtssystem, zuerst für P. und Norddeutschland durch Gesetz vom 17. Aug. 1868 geregelt, dann auch im Deutschen Reich eingeführt, ist das metrische; Längenmaß: das Meter; Flächenmaß: der Hektar = 100 Ar zu 100 qm (55,0629 qkm = 1 geogr. QM.); als Körpermaße gelten die Würfel der Längenmaße, die Grundlage bildet das Kubikmeter; Grundeinheit des Hohlmaßes: das Liter, des Gewichts: das Kilogramm (s. Gramm).

Das Versicherungswesen hat in P. einen großen Umfang erreicht. Die Zahl der auf den Todesfall versicherten Personen belief sich Ende 1884 auf 497,636. Die Versicherungssumme betrug 1532 Mill. Mk. oder 3078 Mk. auf eine Person. Bei den privaten Unfallversicherungsgesellschaften waren Ende 1885 in P. 256,025 Personen versichert, das versicherte Kapital betrug 823 Mill. Mk.; bei den Rentenversicherungsgesellschaften belief sich die Zahl der Policen auf 73,927, das Einlagekapital auf 45,9 Mill. Mk. Die öffentlichen Feuerversicherungsanstalten wiesen am Jahresschluß 1885 eine Versicherungssumme von im ganzen 16,089 Mill. Mk. auf. Die Ausgabe für Brandschäden betrug 22,9 Mill. Mk., der Überschuß 35 Mill. Mk. Die Versicherungssumme der privaten Feuerversicherungsverbände belief sich 1884 auf 4705,7 Mill. Mk.; die Beiträge der Versicherten betrugen 7,6 Mill. Mk., die Schädenzahlungen 6,3 Mill. Mk. Die preußischen Aktiengesellschaften für Feuerversicherung wiesen 1885 ein eingezahltes Aktienkapital von 24,7 Mill. Mk., eine Prämieneinnahme von 61,4 Mill. Mk. auf und zahlten 38,4 Mill. Mk. Brandentschädigungen aus. Die preußischen Aktiengesellschaften für Rückversicherung von Feuerschäden besaßen ein eingezahltes Aktienkapital von 8 Mill. Mk., nahmen 9,6 Mill. Mk. Prämien ein und zahlten 5,5 Mill. Mk. Brandentschädigungen aus. Im J. 1885 kamen in P. 17,952 Schadenbrände vor, wovon 8423 Gemeinden und 21,159 Besitzungen betroffen wurden, der Gesamtwert des Schadens betrug 64,3 Mill. Mk. Der Versicherung gegen Hagelschaden dienen 22 Gegenseitigkeitsgesellschaften mit 121,159 Policen im J. 1883 und einer Versicherungssumme von 793 Mill. Mk.; dazu kommen fünf inländische Aktiengesellschaften mit einem Grundkapital von 21,7 Mill. Mk., 117,882 Policen und 696 Mill. Mk. Versicherungssumme; außerdem sind noch drei auswärtige Hagelversicherungsgesellschaften in P. zugelassen. Der Viehversicherung dienen teils auf Gegenseitigkeit gegründete Gesellschaften, teils von Einzelnen betriebene Viehversicherungsanstalten mit einem Versicherungsbestand in Höhe von ca. 60 Mill. Mk. und einer Prämieneinnahme von ca. 2 Mill. Mk.; dazu kommt noch eine große Zahl lokaler Versicherungsvereine, die über 1 Mill. Stück Vieh für ca. 150 Mill. Mk. versichert haben. Hervorgehoben sei noch der große Umfang, den die Transportversicherung und Glasversicherung in P. gewonnen haben, denen gleichfalls eine größere Zahl von Gegenseitigkeits- und Aktiengesellschaften dienen. Die Zahl der Sparkassen belief sich 1886 auf 1335, die der Sparkassenbücher auf 4,467,078; die Einzahlungen mit gutgeschriebenen Zinsen betrugen 719,9 Mill. Mk., die Rückzahlungen 524,4 Mill. Mk. Hilfskassen der Beamten und Arbeiter der preußischen Eisenbahnen waren 1885/86: 263, der Vermögensstand am Ende dieses Betriebsjahrs 70,7 Mill. Mk., die Zahl der beitragspflichtigen Mitglieder 323,887. Ende 1885 waren 81 Knappschaftsvereine mit 180,902 ständigen und 153,651 unständigen Mitgliedern vorhanden. Die Zahl der auf Grund des Reichsgesetzes vom 15. Juni 1883 in P. bestehenden Krankenkassen belief sich Ende 1885 auf 8227 mit 2,262,613 Mitgliedern, davon 1411 Gemeinde-, 2751 Orts-, 3110 Betriebs-, 49 Bau-, 111 Innungskrankenkassen, ferner 745 eingeschrieben und 50 landesrechtliche Hilfskassen; die Gesamteinnahmen betrugen 1885: 37 Mill. Mk. Der öffentlichen Armenpflege dienten 929,411 Orts- und 50 Landarmenverbände; erstere unterstützen 929,411, letztere 23,881 Personen; erstere gaben 49,3 Mill. Mk., letztere 5,6 Mill. Mk. aus. Die Zahl der Waisenanstalten betrug 396 mit 18,827 Kindern, davon 12,344 Waisenkinder. An Arbeiterkolonien und Naturalverpflegungsstationen waren Ende 1886: 11 vorhanden mit 1717 anschlagsmäßigen Plätzen; seit Eröffnung derselben sind im ganzen 14,918 Kolonisten aufgenommen worden.

Staatsverfassung und Verwaltung.

Das Königreich P. ist eine konstitutionelle Monarchie, deren Staatsgrundgesetz in der Verfassungsurkunde vom 31. Jan. 1850 niedergelegt ist, die indessen durch spätere Gesetze sowie durch die deutsche Reichsverfassung vom 16. April 1871 in Einzelheiten mehrfache Änderungen erfahren hat. Staatsoberhaupt ist der König, gegenwärtig Wilhelm II., geb. 27. Jan. 1859, (deutscher Kaiser) und König seit 15. Juni 1888. Die Krone ist (mit der deutschen Kaiserwürde) erblich im Mannesstamm des königlich preußischen Hauses Hohenzollern nach dem Rechte der Erstgeburt und der agnatischen Linealfolge. Der König wird mit Vollendung des 18. Lebensjahrs volljährig. Der erstgeborne Sohn des Kaisers und Königs heißt "Kronprinz des Deutschen Reichs und Kronprinz von P." und bekleidet als Kronprinz von P. zugleich die Würde des Statthalters von Pommern. Falls dagegen der Bruder des Königs oder ein andrer Prinz des Hauses vermutlicher Thronerbe ist, führt er nur den Titel "Prinz von P." Ist der König minderjährig oder dauernd an der Regierung verhindert, so hat der der Krone zunächst stehende volljährige Agnat oder in Ermangelung eines solchen das Staatsministerium den Landtag zur Beschlußnahme über die Regentschaft zu berufen. Nach dem Antritt der Regierung legt der König den Eid auf die Verfassung ab. Der König, welcher unverletzlich und unverantwortlich ist, aber für alle Regierungsakte der Gegenzeichnung der Minister bedarf, welche damit die Verantwortlichkeit übernehmen, ist im Grunde der Repräsentant der gesamten Staatsgewalt; ihm allein steht die Exekutive (vollziehende Gewalt) zu. Mit dem Landtag gemeinsam übt er die gesetzgebende Gewalt aus; aber erst durch die Bekanntmachung der Gesetze (Promulgation) durch den König treten dieselben in Wirksamkeit, und die zu deren Ausführung nötigen Verordnungen erfolgen seinerseits. Eine nähere gesetzliche Regelung der im Art. 61 der Verfassungsurkunde behandelten Ministerverantwortlichkeit ist bisher nicht erfolgt. Keiner Gegenzeichnung bedürfen diejenigen Akte, welche der König als oberster Kriegsherr (Armeebefehle) oder als Trä-^[folgende Seite]