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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Projektion

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Projektion (räumliche P.).

jektionsstrahlen liegende) schräg von oben aus weiter Ferne auf das Objekt blickende Auge hat. Solche Abbildungen liefert die Axonometrie (Parallelperspektive). Man versteht darunter das Verfahren, die senkrechte P. eines Objekts mittels der auf drei rechtwinkelige Achsen bezogenen Koordinaten seiner Punkte zu bestimmen. Unter Koordinatenebenen denken wir uns drei aufeinander senkrechte Ebenen, eine horizontale und zwei vertikale, wie in Fig. 2 α, β und die Ebene ACD; ihre Durchschnitte AB, AC, AD heißen die Koordinatenachsen. Koordinaten eines Punktes sind die senkrechten Entfernungen desselben von den drei Ebenen; es sind also in Fig. 2 AN = x, NQ' = y und Q'Q = z die drei Koordinaten des Punktes Q. Projiziert man nun diese räumliche Figur auf eine schräg liegende Ebene, so erscheinen die drei Achsen in der P. als drei von einem Punkt ausgehende Gerade, sie bilden das sogen. Achsenkreuz. Die Koordinaten fallen in Richtung dieser Achsen (oder parallel zu ihnen), erscheinen aber nach gewissen Verhältnissen verkürzt. Parallele Gerade erscheinen auch in der P. wieder parallel. Ist nun das Achsenkreuz gegeben, und kennt man die Verkürzungsverhältnisse in der Richtung der drei Achsen, so findet man leicht die P. eines jeden durch seine Koordinaten gegebenen Punktes. Gesetzt, in Fig. 7 seien OX, OY, OZ die drei Achsen, und es sei bekannt, daß in der Richtung derselben die Verkürzungen 0,887, 0,493 und 0,985 stattfinden, so macht man OM = 0,887 . x, MP' = 0,493 . y und parallel zu OY, endlich P'P = 0,985 . z parallel OZ und hat dann in P die Darstellung eines Punktes, dessen Koordinaten x, y, z sind. Das Achsenkreuz ist bekannt, wenn man die drei Verkürzungszahlen kennt. Man braucht aber gar nicht die absoluten Werte dieser drei Zahlen zu wissen; es genügt, wenn drei Zahlen (m, n und p) bekannt sind, welche sich wie die drei Verkürzungszahlen verhalten. Man erhält letztere, wenn man m, n, p der Reihe nach mit ^[img] multipliziert. Julius Weisbach, der Schöpfer der Axonometrie in diesem Sinne, nahm für m, n, p ganze Zahlen an. Die drei Linien des Achsenkreuzes findet man als Halbierungslinien der Winkel eines Dreiecks, dessen Seiten sich wie m², n², p² verhalten. Rücksichtlich der Beschaffenheit der Zahlen m, n, p sind drei Hauptfälle zu unterscheiden: 1) m = n = p = 1, die Darstellung heißt eine isometrische, die drei Linien des Achsenkreuzes schließen Winkel von 120° ein (s. Achsenkreuz Fig. 5), die drei Koordinaten sind gleichmäßig im Verhältnis 1:0,8165 verkürzt. 2) Die Zahlen m und p sind gleich, n ist kleiner; die Darstellung heißt dimetrisch (monodimetrisch). Häufig vorkommende Beispiele sind m:n:p = 2:1:2 (s. Achsenkreuz Fig. 6) und m:n:p = 3:1:3 (s. Achsenkreuz Fig. 7); die wahren Verkürzungszahlen sind im ersten Fall für x und z: 0,9428, für y: 0,4714, im zweiten Fall für x und y: 0,9733, für y: 0,3244. 3) Alle drei Verkürzungszahlen sind verschieden, was eine trimetrische (anisometrische) Darstellung gibt. Ein gewöhnliches Beispiel ist m:n:p = 9:5:10 (s. Achsenkreuz nebst P. eines Würfels Fig. 8); die wahren Verkürzungsverhältnisse sind 0,8868, 0,4927 und 0,9853. - Statt die drei rechtwinkeligen Achsen und Koordinaten rechtwinkelig auf eine Ebene zu projizieren, kann man auch schiefe Parallelprojektion anwenden. Es ergibt sich dann, wie zuerst K. Pohlke gezeigt hat, daß zwischen den Winkeln des Achsenkreuzes und den Verkürzungszahlen gar kein Zusammenhang stattfindet; man kann also drei beliebig lange, von einem Punkt ausgehende Gerade stets als die Projektionen dreier Würfelkanten ansehen. Dies ist eine noch allgemeinere Auffassung der Axonometrie als die Weisbachsche. - Endlich ist noch eine in der eingangs gegebenen Definition nicht enthaltene P. zu erwähnen: die räumliche P. oder Reliefperspektive, bei welcher ein räumlicher Gegenstand wieder durch einen räumlichen Gegenstand, ein Modell, dargestellt wird. Jeder Punkt P des räumlichen Objekts wird nämlich mit einem festen Punkt O, dem Zentrum, verbunden, und auf der Verbindungslinie wird die P. von P so bestimmt, daß, wenn drei Punkte P, Q, R des Objekts in gerader Linie liegen, dies auch mit ihren Projektionen der Fall ist. Einer Geraden entspricht also als P. wieder eine Gerade, folglich einer Ebene wieder eine Ebene. Es zeigt sich ferner, daß eine Ebene existiert, deren Punkte mit ihren Projektionen zusammenfallen (Hauptebene), und eine andre, der ersten parallele Ebene, deren Punkte die Projektionen der unendlich entfernten Punkte des Raums sind (Flucht- oder Verschwindungsebene). Parallelen Geraden entsprechen als Projektionen Gerade, welche sich in einem Punkte der Fluchtebene schneiden; nur wenn die Geraden der Fluchtebene parallel sind, ist dies auch mit ihren Projektionen der Fall. Sind die erwähnten beiden Ebenen und das Zentrum O gegeben, so kann man zu einem beliebigen Punkt P leicht die P. P' finden, indem man durch P eine beliebige Gerade g zieht, welche die Hauptebene in A schneidet, und durch O eine parallele Gerade h, welche die Fluchtebene in B trifft; dann schneiden sich OP und AB in P'. Auf diese Weise werden alle Punkte des unendlichen, hinter der selbstentsprechenden Ebene gelegenen Raums dargestellt innerhalb des Raums zwischen den beiden Parallelebenen; die P. eines räumlichen Objekts erscheint also immer mehr platt gedrückt (als Basrelief), je geringer der Abstand der beiden Ebenen ist. Wenn derselbe vollständig verschwindet, also beide Ebenen aufeinander fallen, so geht das Modell oder Relief über in eine perspektivische Zeichnung. Rückt dagegen die Verschwindungsebene in unendliche Ferne, so wird das Modell dem Original ähnlich, und wenn zugleich das Zentrum in unendliche Ferne rückt, so wird das Modell dem Original ähnlich und gleich. Die beiden letztern Fälle finden bei Statuen statt. Die Reliefperspektive, welche zuerst von Desargues, Bosse (1668), Petitot (1758) und J. A. Breysig (1798) begründet worden ist, leistet für den Bildhauer das, was für den Maler die gewöhnliche Perspektive leistet.

^[Abb.: Fig. 5. Isometrische Projektion; Fig. 6. und 7. Dimetrische Projektionen; Fig. 8. Trimetrische Projektion.]