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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Pseudopodien - Psilomelan.

Pseudopodĭen (Scheinfüßchen), die Fortsätze, welche manche niedere Organismen (und auch in höhern manche Zellen) beliebig ausstrecken und wieder einziehen, um sich mit ihrer Hilfe fortzubewegen oder Nahrung zu ergreifen (s. Protozoen und Rhizopoden). Sie bestehen aus Protoplasma (s. d.).

Pseudoskōp (griech.), optische Vorrichtung, durch welche man das Relief körperlicher Gegenstände verkehrt wahrnimmt, weil in den in beiden Augen entstehenden Bildern die rechte und linke Seite durch Spiegelung miteinander vertauscht wird. Das P. von Wheatstone besteht aus zwei rechtwinkeligen Glasprismen, deren Kanten senkrecht zur Visierebene stehen, und durch welche der Beobachter parallel mit den Hypotenusenflächen, an welchen die Spiegelung erfolgt, hindurchblickt. Ein Cylinder z. B., durch das P. betrachtet, sieht aus wie eine Rinne, eine Zigarre wie ein hohles Tabaksblatt, eine Medaille wie ein vertieftes Siegel.

Pseudoskōpische Erscheinungen entstehen durch unwillkürliche Täuschungen des Augenmaßes, welche unser Urteil über Größe und Gestalt der Gegenstände irre führen. Die Mehrzahl derselben läßt sich rein psychologisch durch vorgefaßte Meinungen erklären, die sich uns unbewußt aufdrängen. So halten wir z. B. geteilte Größen für ausgedehnter als ununterbrochene, weil wir für die Fülle der wahrgenommenen Einzelheiten unwillkürlich einen größern Raum beanspruchen; die geteilte Hälfte der Geraden (Fig. 1) erscheint uns daher größer und von den beiden gleichen Quadraten der Fig. 2 das vertikal gestreifte breiter, das horizontal gestreifte höher. Die Entfernung bis zum Horizont halten wir aus demselben Grund für größer als die bis zum Zenith und schreiben daher dem scheinbaren Himmelsgewölbe die Gestalt einer gedrückten Kuppel zu. Mond und Sonne dünken uns im Horizont entfernter und darum (da der Sehwinkel derselbe ist) größer zu sein, als wenn sie hoch am Himmel stehen. Für eine andre Klasse pseudoskopischer Erscheinungen gibt Fig. 3 ein einfaches Beispiel: von den beiden gleichen Sektoren scheint der nach der Seite der Konvergenz vorliegende a größer zu sein als b, weil wir unwillkürlich nach dieser Seite hin eine Verschmälerung erwarten u. dadurch verleitet werden, die vorhandene Breite für größer zu halten, als sie wirklich ist. Diese Täuschung wiederholt sich in der Reihe der Trapeze Fig. 4, deren Grundlinien ac ... bd von a nach b hin scheinbar zunehmen. Denkt man sich daher die Geraden ab und cd gezogen, so scheinen sich dieselben in der Richtung ab voneinander zu entfernen, obgleich sie in Wahrheit parallel sind. Dadurch erklärt sich die Wirkung der Fig. 5 (des Zöllnerschen Musters), welche als Wiederholung der Fig. 4 mit Weglassung der parallelen Trapezseiten u. Hinzufügung der Geraden ab, cd anzusehen ist. Auch hier scheinen diese Geraden, obgleich sie in der That parallel sind, nach der Seite hin divergent zu sein, nach welcher die schiefen Querstriche konvergieren. Analog hiermit sind die pseudoskopischen Bewegungserscheinungen; schaut man z. B. von einer Brücke in ein rasch fließendes Gewässer und blickt dann auf die Brücke oder andre ruhende Gegenstände, so scheinen diese sich in entgegengesetzter Richtung zu bewegen. Oppels Antirrheoskop dient dazu, diese Täuschung künstlich hervorzurufen. Zu den pseudoskopischen Erscheinungen gehört auch die scheinbare Umkehrung des Reliefs, welche besonders leicht eintritt, wenn die Beleuchtung der vom Beobachter vermuteten entgegengesetzt ist. Die vertiefte Form einer Medaille erscheint als Relief, wenn man das Licht des Fensters durch einen Schirm abhält und dafür an der entgegengesetzten Seite einen für den Beobachter nicht sichtbaren Spiegel anbringt (Oppels Anaglyptoskop).

^[Abb.: Fig. 1. Die geteilte Hälfte erscheint größer.]

^[Abb.: Fig. 2. a erscheint zu breit, b zu hoch.]

^[Abb.: Fig. 3. a erscheint größer als b.]

^[Abb.: Fig. 4. Jedes von a nach b folgende Trapez erscheint größer als das vorhergehende.]

^[Abb.: Fig. 5. Die lotrechten Parallelen erscheinen abwechselnd konvergent und divergent.]

Pseudoskorpione, s. v. w. Afterskorpione, s. Gliederspinnen.

Pseudo-Smerdis, s. Smerdis.

Pseudotragant, s. Bassoragummi.

Psidĭum L. (Guaven-, Guajabenbaum), Gattung aus der Familie der Myrtaceen, immergrüne Bäume und Sträucher meist in Brasilien und Guayana mit gegenständigen Blättern, achselständigen, weißen, wohlriechenden Blütenbüscheln und eßbaren Früchten, welche in den Tropen ein sehr beliebtes Obst bilden. P. Cattleyanum Sab., in China, Brasilien, trägt kugelige, schwarz purpurrote Früchte von der Größe großer Pflaumen mit rötlichem, süßem, schwach säuerlichem Fleisch. P. pyriferum L., in Westindien, mit birnförmigen, blaßgelben, wohlriechenden, säuerlich süßen Früchten von der Größe der Hühnereier, wird in allen Tropenländern, auch in Hyères in vielen Varietäten kultiviert. Die Früchte kommen auch als Konserven in den Handel.

Psiloi (auch Gymneten), bei den alten Griechen leichte Fußtruppen, welche ohne Schußwaffen waren und nach ihren besondern Angriffswaffen, den Wurfspeeren, Schleudern oder Bogen, in Akontisten, Sphendoneten und Toxoten zerfielen.

Psilomelān (griech., Hartbraunstein, Hartmanganerz, schwarzer Glaskopf), Mineral aus der Ordnung der Hydroxyde, findet sich kryptokristallinisch oder amorph in traubigen, nierenförmigen, stalaktitischen Formen von selten angedeuteter, faseriger innerer Struktur, auch derb