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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Raddoppiaménto; Rade; Radeberg; Radeberge; Radebrechen; Radeburg; Radecke; Radegast; Radein; Rädelerz; Rädelsführer; Rademacher

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Raddoppiamento - Rademacher.

er als Teilnehmer der von der Petersburger Geographischen Gesellschaft ausgerüsteten Expedition die Umgegend des Baikalsees, das russische Daurien, das Amurgebiet und den östlichen Teil des Sajanischen Gebirges und kehrte nach fünf Jahren mit großen Sammlungen zurück. Zwei Jahre später (1862) begleitete er den Naturforscher v. Baer nach Südrußland. 1863 nach dem Kaukasus geschickt, gründete er in Tiflis das kaukasische Museum, dem er seitdem als Direktor vorsteht. Im Sommer pflegte er indes stets noch seine Forschungsreisen in Transkaukasien fortzusetzen, die er bis in die Turkmenensteppe und bis Hocharmenien (1871) und Nordpersien (1879 bis 1880) ausdehnte. Ende Januar 1886 ging R. mit einer Expedition zur naturhistorischen Erforschung des transkaspischen Gebiets und von Chorasan von Tiflis über Askabad zum Kopet Dagh und nach Merw-Serachs und traf 10. Aug. wieder in Tiflis ein. Der Bericht über seine Reise nach Ostasien bildet den 23. Band der von Baer und Helmersen herausgegebenen "Beiträge zur Kenntnis des russischen Reichs" (Petersb. 1861). Außer zahlreichen Aufsätzen schrieb er: "Reise im Süden von Ostsibirien" (Petersb. 1862, 2 Bde.); "Reisen im mingrelischen Hochgebirge" (Tiflis 1866); "Ethnographie der Krimtataren"; "Vier Vorträge über den Kaukasus" (Gotha 1874); "Die Chewsuren und ihr Land" (Kass. 1878); "Ornis caucasica" (das. 1884 ff.); "Reisen an der persisch-russischen Grenze. Talysch und seine Bewohner" (Leipz. 1886); "Die Fauna und Flora des südwestlichen Kaspigebiets" (das. 1886) und "Aus den Daghestanischen Hochalpen" (Gotha 1887).

Raddoppiaménto (ital.), Verdoppelung.

Rade (Kornrade), s. Agrostemma.

Radeberg, Stadt in der sächs. Kreis- und Amtshauptmannschaft Dresden, an der Röder und der Linie Dresden-Görlitz der Sächsischen Staatsbahn, 224 m ü. M., hat ein Schloß, ein Amtsgericht, bedeutende Glasfabrikation, Fabrikation von Beleuchtungsartikeln und Küchengeräten, ein Emaillierwerk, 3 Glasformenfabriken mit Ziselierwerkstätten, eine Papierfabrik, Ziegeleien, Bierbrauereien, Molkerei und (1885) 7387 meist evang. Einwohner. In nächster Nähe der Felixturm mit schöner Rundsicht, die Kurbäder Augustusbad (s. d.) und Hermannsbad (mit kohlensäurehaltigen Eisenquellen, Moorbädern etc.) und der romantische Seifersdorfer Grund. R. ist der Geburtsort des Dichters Langbein.

Radeberge (Radeberre), zweiräderige Kastenkarre.

Radebrechen, s. Rädern.

Radeburg, Stadt in der sächs. Kreishauptmannschaft Dresden, Amtshauptmannschaft Großenhain, an der Röder und der Linie Radebeul-R. der Sächsischen Staatsbahn, hat ein Schloß, ein Amtsgericht, Backofenplatten- und Schamottesteinfabrik und (1885) 2752 meist evang. Einwohner.

Radecke, Robert, Komponist, geb. 31. Okt. 1830 zu Dittmannsdorf bei Waldenburg in Schlesien, erhielt seine Ausbildung 1848-51 am Konservatorium zu Leipzig, wurde 1853 Chor- und Musikdirektor am Stadttheater daselbst und siedelte dann nach Berlin über, wo er 1859 zum königlichen Musikdirektor ernannt wurde und 1863-86 als dritter Kapellmeister an der königlichen Oper thätig war. Als Komponist ist er besonders durch mehrere Hefte Lieder in weitern Kreisen beliebt geworden, während seine größern Kompositionen für Orchester, Chorgesang, Klavier, ein Liederspiel: "Die Mönkguter", etc. nur Achtungserfolge hatten. Als ausübender Künstler ist er auf dem Klavier, auf der Orgel und der Violine gleich tüchtig. - Sein älterer Bruder, Rudolf R., geb. 1829, gleichfalls Schüler des Leipziger Konservatoriums, lebt seit 1859 als Musiklehrer und Gesangvereinsdirigent in Berlin.

Radegast, Stadt im Herzogtum Anhalt, Kreis Köthen, hat eine neue evang. Kirche, eine Zucker- und eine Windmühlenjalousiefabrik und (1885) 986 Einw.

Radegast (Radihost), 1) Hauptgötze der Wenden, wurde namentlich zu Rethra (s. d.) und zwar als Kriegsgott verehrt und dargestellt als jugendlicher Krieger, auf dessen kraushaarigem Kopf ein Schwan (oder Adler) mit ausgebreiteten Flügeln prangte, während die Brust ein Büffelkopf, von der rechten Hand gleichsam als kurzer Schild vorgehalten, bedeckte. Heilige Pferde wurden ihm wie Swantewit (s. d.) gehalten; auch die Schlange erscheint als sein Symbol. -

2) German. Heerführer, s. Radagaisus.

Radein, Badeort in Steiermark, Bezirkshauptmannschaft Luttenberg, mit reichem, Natron und Lithion enthaltendem Säuerling und (1881) 486 Einw.

Rädelerz, s. Bournonit.

Rädelsführer (Dux criminis), Anführer, Anstifter, z. B. bei einem Landfriedensbruch, bei öffentlichen Zusammenrottungen zum Widerstand gegen Behörden etc. Die sprachliche Ableitung des Worts ist zweifelhaft. Nach einigen ist es von "Rat" abzuleiten und bedeutet ursprünglich s. v. w. Planleger (Raitelsführer), andre leiten es von "Rad" ("geordneter Haufe, in Reih und Glied marschierend", daher noch heute in Schwaben der Ausdruck "ein Rädle Burschen") ab, während nach einer dritten Meinung die Benennung aus dem Bauernkrieg zu Anfang des 16. Jahrh. herstammen soll, indem die Bauern in ihren Fahnen ein Pflugrad, das Sinnbild ihres Gewerbes, führten. S. Teilnahme am Verbrechen.

Rademacher, Johann Gottfried, Mediziner, geb. 4. Aug. 1772 zu Hamm in der Grafschaft Mark, studierte zu Jena und Berlin, lebte seit 1797 in Goch an der holländischen Grenze als praktischer Arzt und starb hier 7. Febr. 1849. Die Lehren Rademachers, deren Grundgedanken er selbst auf die alten scheidekundigen Geheimärzte und vor allen auf Paracelsus zurückführt, bezweckten einen vollständigen Umsturz der bisherigen Heilwissenschaft. Die Krankheit ist nach R. ein für den Verstand unerforschliches Ergriffensein des Lebens; dieselbe äußert sich als Krankheitsform in der Funktionsstörung einzelner Organe; das Wesen der Krankheit wird allein erkannt durch den Effekt der gegen sie angewandten Mittel. Diese zerfallen in Universalmittel und Organmittel, je nachdem sie auf den ganzen Körper oder nur auf ein einzelnes Organ wirken sollen. Es gibt drei Arten universeller Krankheiten, weil es drei Universalmittel (Kupfer, Eisen, Salpeter) gibt, und gegen jede Organkrankheit gibt es auch ein Kraut oder Mineral. Das Suchen nach Spezifika für jede Krankheit ist der Angelpunkt der Rademacherschen Medizin; "der ungenügendste aller Wege, die zur Erkenntnis von Krankheit führen, der aus den Heilmitteln (ex juvantibus), wird als einzig berechtigte erklärt". Mögen Krankheitserscheinungen auf ein Magenleiden hinweisen, mag dieses durch den Leichenbefund erwiesen werden, haben aber bei Anwendung eines Lebermittels sich die Erscheinungen gebessert, so muß nach R. das Urleiden unter allen Umständen in der Leber, auch wenn dieselbe anatomisch ganz gesund erscheint, gesucht werden. Trotz ihrer völligen Sinnlosigkeit gewann diese "Erfahrungsheillehre" zahlreiche Anhänger unter den zeitgenössischen deutschen Ärzten. Die Rademachersche Lehre ist niedergelegt in der "Recht-^[folgende Seite]