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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Raffael

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Raffael (Staffeleibilder etc.).

R. unternahm, sind die Kompositionen im Saal des Konstantin im Vatikan, welche sich auf die Begründung der sichtbaren Oberherrschaft der Kirche in den bedeutendsten Begebenheiten aus dem Leben Konstantins d. Gr. beziehen. R. hatte nur die allgemeine Anordnung aufgezeichnet, einige Kartons zu allegorischen Figuren und der Schlacht Konstantins ausgeführt und für die Darstellung der Erscheinung des Kreuzes eine Zeichnung entworfen, als der Tod ihn überraschte. Die Schlacht atmet ganz Raffaelschen Geist. Alle Figuren sind voll Leben und Wahrheit, und trotz des Getümmels der Schlacht tritt doch der Hauptgegenstand klar hervor, in großen Zügen den Sieg des Christentums über das Heidentum feiernd. Die Ausführung in Farben gehört Schülern Raffaels, meist Giulio Romano, an.

Eins der ersten Staffeleibilder, die aus Raffaels römischer Periode stammen, ist das treffliche Porträt Julius' II. in der Tribuna der Uffizien zu Florenz. In diese erste Zeit fällt auch das Bildnis des Bindo Altoviti (Münchener Pinakothek) und das eines halbnackten Mädchens, der sogen. Fornarina, in der Galerie Barberini zu Rom. Unter den größern Staffeleigemälden aus dieser Zeit ist eins der ersten die als Madonna di Loreto bekannte heilige Familie, welche jetzt verschollen, deren Komposition aber in alten Kopien erhalten ist. Ein zweites Bild ist unter dem Namen der Madonna aus dem Haus Alba bekannt, jetzt in Petersburg. Ein andres kleines Madonnenbild ist jenes mit dem schlafenden Kind, vor welchem der kleine Johannes mit gefalteten Händchen und mit dem Kreuzchen verehrend kniet, jetzt im Louvre, als die Madonna mit dem Diadem bekannt. Ein größeres Altarbild, um 1512 gemalt, ist unter dem Namen der Madonna di Foligno bekannt, ursprünglich über dem Hauptaltar der Kirche Ara Celi auf dem Kapitol, jetzt im Vatikan aufgestellt, eine der großartigsten Schöpfungen Raffaels. Auch mehrere Madonnenbilder stammen aus dieser ersten römischen Periode, so z. B. die Madonna der Bridgewater Gallery und die Madonna Aldobrandini in der Nationalgalerie zu London, die Madonna della Tenda in der Münchener Pinakothek, die Madonna mit den Kandelabern (bei Munros Erben in London) und die Madonna del divino amore im Museum zu Neapel. Zu den ersten Bildern, welche R. nach Julius' II. Tod malte, gehört das Altarblatt für die Kirche San Domenico Maggiore zu Neapel, welches als Madonna del Pesce bekannt ist, jetzt im Museo del Prado zu Madrid. Maria sitzt auf einem Thron und hält das auf ihrem Schoße stehende Christuskind, welches das Händchen in das Buch des rechts stehenden St. Hieronymus legt, während von der andern Seite der Engel herkommt, welcher den jungen Tobias mit dem Fisch herbeiführt. Eins der herrlichsten Bilder Raffaels aus seiner spätern römischen Zeit (um 1516 vollendet) ist die heil. Cäcilia, für eine Kapelle in San Giovanni in Monte zu Bologna gemalt, jetzt in der Pinakothek daselbst. Ein andres, aber kleineres Bild, das R. um dieselbe Zeit nach Bologna sendete, stellt die Vision des Hesekiel dar und ist unter dem Einfluß Michelangelos entstanden. Eine Kreuztragung für die Kirche des Olivetanerklosters Santa Maria dello Spasimo zu Palermo, bekannt unter dem Namen Lo Spasimo di Sicilia, stellt Jesus unter der Kreuzeslast niedersinkend dar, jetzt im Museum zu Madrid befindlich. Dasselbe besitzt auch das unter dem Namen der heiligen Familie unter der Eiche bekannte Bild. Von größerer Bedeutung ist jenes Bild aus der Galerie zu Madrid, welches R. für den Herzog von Urbino malte, unter dem Namen der Perle bekannt. Die heilige Jungfrau, das Jesuskind auf dem Knie haltend, umfaßt traulich die sich auf ihren Schoß stützende heil. Elisabeth, und beide blicken freudig nach dem kleinen Johannes, welcher dem göttlichen Gespielen Früchte in seinem Fell bringt; links im Grund Joseph in einer Ruine. Ganz von Raffaels Hand ist das herrliche Bild der Madonna della Sedia im Palast Pitti zu Florenz (gestochen von Mandel und Burger). Maria, bis zu den Knieen sichtbar, sitzt in einem Sessel und umfaßt mit beiden Armen das auf ihrem Schoße sitzende Christuskind, gegen welches sie das reizend schöne Haupt neigt; rechts Johannes mit dem Kreuzchen. Für den König Franz I. von Frankreich ist das lebensgroße Bild des Erzengels Michael gemalt, wie er auf dem niedergeschmetterten Satan steht und mit beiden Händen die Lanze zum Stoß erhebt. Für denselben Fürsten ward ein andres Bild, die sogen. große heilige Familie, gemalt: Maria, sich im Sitzen vorneigend, faßt unter den Armen das ihr aus der Wiege entgegenspringende Christuskind; links kniet Elisabeth mit dem kleinen Johannes im Schoß, rechts hinter der heiligen Jungfrau steht Joseph und gegenüber zwei Engel. Beide Bilder sind jetzt im Louvre, wo sich auch noch eine kleine heilige Familie von R. befindet. Von Madonnenbildern aus dieser Zeit sind noch zu nennen: die Madonna dell' Impannata (mit dem Erkerfenster, im Palast Pitti zu Florenz), die Madonna dell' Passeggio in der Bridgewater Gallery zu London, die Madonna mit dem Spruchband im Museum zu Madrid, vor allen die Madonna des heil. Sixtus (Sixtinische Madonna), mit welcher R. die große Reihe der bildlichen Darstellungen der heiligen Jungfrau schloß. Letztere, durch viele Stiche (die besten von F. Müller und Mandel) bekannt, wurde ursprünglich für das Kloster des heil. Sixtus zu Piacenza gemalt und ist jetzt die Krone der Dresdener Galerie. Der heiligen Jungfrau dieses Bildes ähnlich ist das Frauenbildnis im Palast Pitti zu Florenz, als Raffaels Geliebte bekannt. Von andern Bildnissen dieser letzten Periode sind noch diejenigen des Papstes Leo X. mit zwei Kardinälen (um 1516, Palast Pitti zu Florenz), des Kardinals Bibbiena (Museum zu Madrid), des Thomas Inghirami (Palast Inghirami zu Volterra), des Grafen Castiglione (Louvre), eines Violinspielers (1518, Palast Sciarra zu Rom), eines jungen blonden Mannes und der Johanna von Aragonien (beide im Louvre) hervorzuheben. Den Cyklus der Darstellungen aus dem Leben Jesu schloß R. mit dem berühmten Gemälde der Transfiguration, an dessen Vollendung der Tod ihn hinderte. Das Bild, von Giulio Romano vollendet, ist jetzt eine der Hauptzierden der vatikanischen Galerie.

Zu den bewunderungswürdigsten Werken Raffaels gehören auch die Kartons zu den Tapeten (arazzi), die der Papst in den Niederlanden wirken ließ, um den untern Raum der Sixtinischen Kapelle damit zu schmücken. Die sieben noch vorhandenen Kartons in Wasserfarben: Petri Fischzug, die Übergabe der Schlüssel, die Heilung des Lahmen, der Tod des Ananias, die Bestrafung des Elymas, die Predigt des Paulus in Athen und Paulus mit Barnabas in Lystra, befinden sich jetzt im South Kensington-Museum zu London. Die Teppiche selbst haben durch verschiedene Schicksale sehr gelitten und hängen seit 1814 im Vatikan. Wiederholungen der Teppiche befinden sich in den Galerien zu Berlin und Dresden und im Madrider Schloß. Die Entwürfe zu einer zweiten Reihenfolge von Tapeten, mit Darstellungen aus dem Leben Jesu, wurden von R. nur in Skizzen geliefert.