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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Reichsfiskus - Reichsgesetze.

und seines Oberhauptes wachte. Ein solcher fungierte sowohl beim Reichshofrat als beim Reichskammergericht.

Reichsfiskus, s. Deutschland, S. 840.

Reichsflagge, die Flagge des Deutschen Reichs, s. Flagge, S. 335, mit Tafel.

Reichsfolge, s. v. w. Thronfolge; ehedem auch die Stellung des in Römermonaten (s. d.) ausgeschriebenen Reichskontingents.

Reichsfrei, nach der ehemaligen deutschen Reichsverfassung nur dem Kaiser und Reich unterthan; daher Reichsfreiheit, s. v. w. Reichsunmittelbarkeit.

Reichsfreie Ritterschaft, s. Reichsritterschaft.

Reichsfreiherr, s. v. w. Reichsbaron, s. Baron.

Reichsfürsten, im ehemaligen Deutschen Reich die Mitglieder des Fürstenstandes. Die Würde eines R. konnte früher nur durch den wirklichen Besitz eines Reichsfürstenamtes, eines Herzogtums oder Grafenamtes, erworben werden; nach Rudolf I. wurde sie aber auch als bloßer Titel verliehen, so daß mit der Zeit der Unterschied zwischen den wirklichen R. (Erzbischöfen, Bischöfen, Äbten, Herzögen, Fürsten und gefürsteten Grafen) mit Sitz und Stimme auf dem Reichstag und den Titularreichsfürsten, ferner zwischen altfürstlichen Häusern, die vor 1582 die Fürstenwürde besaßen, und neufürstlichen, die sie erst nach dem genannten Jahr erhalten hatten, entstand.

Reichsfürstenrat, das Kollegium der R., s. Reichstag.

Reichsgericht, der gemeinsame oberste Gerichtshof für das Deutsche Reich, welcher nach dem Reichsgesetz vom 11. April 1877 seinen Sitz in Leipzig hat und an die Stelle des frühern Reichsoberhandelsgerichts getreten ist. Das R., bei welchem sechs Zivil- und vier Strafsenate bestehen, die in der jeweiligen Besetzung von sieben Richtern entscheiden, erkennt über das Rechtsmittel der Revision gegen zweitinstanzliche Endurteile der Oberlandesgerichte in Zivilsachen und über die Revision gegen Strafurteile der Landgerichte und der Schwurgerichte, nur daß in Bayern die Verhandlung und Entscheidung von Revisionen und Beschwerden in Zivilsachen an ein oberstes Landesgericht verwiesen ist, jedoch nur in solchen Rechtsfällen, in welchen lediglich Landes-, nicht Reichsrecht in Frage kommt. In Strafsachen geht in landesrechtlichen Sachen die Revision an die Strafsenate der Oberlandesgerichte. Eine Entscheidung der vereinigten Zivilsenate des Reichsgerichts ist erforderlich, wenn ein Zivilsenat in einer Rechtsfrage von einer frühern Entscheidung eines andern Zivilsenats oder der vereinigten Zivilsenate abweichen will. Ebenso ist eine Strafsache an die vereinigten Strafsenate zur Plenarentscheidung zu verweisen, wenn ein Strafsenat von einer frühern Entscheidung eines andern Strafsenats oder der vereinigten Strafsenate abweichen will. Außerdem entscheidet das R., bei welchem die staatsanwaltschaftlichen Funktionen durch einen Oberreichsanwalt und durch mehrere Reichsanwalte wahrgenommen werden, in erster und letzter Instanz über die gegen Kaiser und Reich gerichteten Verbrechen des Hochverrats und des Landesverrats, wobei der Verweisungsbeschluß durch den ersten Strafsenat erfolgt, das Hauptverfahren aber vor dem vereinigten zweiten und dritten Strafsenat des Reichsgerichts stattfindet. Der Präsident und fünf Mitglieder fungieren ferner als Disziplinargerichtshof, auch gehören der Präsident und drei Mitglieder des Reichsgerichts dem Ehrengerichtshof für Rechtsanwalte an. Präsident, Senatspräsidenten und Räte des Reichsgerichts werden, ebenso wie der Oberreichsanwalt und die Reichsanwalte, vom Kaiser auf Vorschlag des Bundesrats ernannt. Nur wer die Fähigkeit zum Richteramt in einem Bundesstaat erlangt und das 35. Lebensjahr vollendet hat, ist dazu befähigt. Die Versetzung in den Ruhestand kann gegen den Willen des betreffenden Mitglieds des Reichsgerichts nur durch Plenarbeschluß des Reichsgerichts erfolgen. Ebenso ist ein solcher erforderlich, wenn die Enthebung eines Mitglieds von seinen Funktionen wegen strafbarer Handlungen eintreten soll. Die Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen wie in Strafsachen werden von den Mitgliedern herausgegeben (Leipz. 1880 ff.), außerdem von der Reichsanwaltschaft die "Rechtsprechung des Reichsgerichts in Strafsachen" (Münch. 1880 ff.). - Im frühern Deutschen Reich fungierten als Reichsgerichte das Reichskammergericht (s. d.) und der Reichshofrat (s. d.). In Österreich ist R. die Bezeichnung für einen zur Entscheidung von Kompetenzkonflikten in streitigen Angelegenheiten des öffentlichen Rechts berufenen Gerichtshof.

Reichsgesetzblatt, s. Reichsgesetze.

Reichsgesetze, die von der gesetzgebende Gewalt des Deutschen Reichs für dasselbe erlassenen gesetzlichen Normen. Zur Gültigkeit eines Reichsgesetzes war zur Zeit des frühern Deutschen Reichs die Zustimmung des Reichstags und die Sanktion des Kaisers erforderlich. Die Initiative, d. h. das Recht, R. vorzuschlagen, stand nämlich in erster Linie dem Kaiser selbst zu; doch war auch dem Kollegium der Kurfürsten die gleiche Befugnis eingeräumt. Ebenso gingen die kaiserlichen Gesetzvorlagen zunächst an das Kurfürstenkollegium zur Beschlußfassung, welches sie mit ebendiesem Beschluß, der sogen. Relation, an das Kollegium der reichsstädtischen Fürsten und Herren zur sogen. Korrektion mitteilte. War zwischen diesen beiden Kollegien eine Übereinstimmung erzielt, so war regelmäßig noch die Zustimmung des Kollegiums der Reichsstädte erforderlich. Ein so zu stande gekommener, übereinstimmender Beschluß dieser drei Faktoren wurde Reichsgutachten (consultum s. suffragium imperii) genannt. Zum wirklichen Gesetz wurde ein solches aber erst durch die Ratifikation des Kaisers, die in Form einer sogen. kaiserlichen Resolution erteilt ward, erhoben. Es lag alsdann ein sogen. Reichsschluß (conclusum imperii) vor, welcher nunmehr als Reichsgesetz durch den Kaiser publiziert werden konnte. Verweigerte der Kaiser seine Zustimmung, so blieb das Reichsgutachten ohne rechtliche Wirksamkeit, mit andern Worten: es war dem Kaiser in der Reichsgesetzgebung ein sogen. absolutes Veto eingeräumt. Was die Publikation dieser R. anlangt, so war es lange Zeit hindurch bis zum "jüngsten" (letzten) Reichsabschied von 1654 üblich, die sämtlichen Reichsschlüsse, welche in einer Reichstagssession zu stande kamen, am Schluß der letztern in einem sogen. Reichsabschied (Reichsrezeß, recessus imperii) zusammenzufassen. Von besonderer Wichtigkeit waren die sogen. Reichsgrundgesetze, d. h. die eigentlichen Verfassungsgesetze des Reichs, zu welchen namentlich die Goldene Bulle (s. d.) von 1356, der Ewige Landfriede von 1495, die Gerichtsordnungen der obersten Reichsgerichte, nämlich die Reichskammergerichtsordnung von 1555 und die (revidierte) Reichshofratsordnung von 1654, ferner die Reichspolizeiordnungen des 16. Jahrh., namentlich die von 1577, der Westfälische Friede (s. d.), der Friede zu Lüneville von 1801 und der Reichsdeputationshauptschluß vom 25. Febr. 1803 gehörten. R. privatrechtlicher Natur nahmen nur selten unbedingte, viel-^[folgende Seite]