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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Reichsministerien - Reichsschulden.

vom 12. Febr. 1875 auch den Landsturm in zwei Aufgebote teilte. Hiernach gehört der wehrfähige Deutsche 7 Jahre dem stehenden Heer an und zwar 3 Jahre bei den Fahnen, 4 Jahre in der Reserve, die folgenden 5 Jahre aber der Landwehr ersten Aufgebots und sodann bis zum 31. März desjenigen Kalenderjahrs, in welchem das 39. Lebensjahr vollendet wird, der Landwehr zweiten Aufgebots. Die bisherige Einteilung der Ersatzreserve in zwei Klassen fällt hinweg. Der Landsturm besteht aus den Wehrpflichtigen vom vollendeten 17. bis 45. Lebensjahr, welche weder dem Heer noch der Marine angehören. Das erste Aufgebot umfaßt die Landsturmpflichtigen bis zum 31. März des Kalenderjahrs, in welchem sie ihr 39. Lebensjahr vollenden, das zweite Aufgebot die Pflichtigen von ebendiesem Zeitpunkt an bis zum Ablauf der Landsturmpflicht.

Reichsministerĭen, in Österreich-Ungarn die mit der Verwaltung der beiden Reichshälften (Österreich und Ungarn) gemeinsamen Angelegenheiten betrauten Ministerien. Diese sind das k. k. Ministerium des kaiserlichen Hauses und des Äußern, das Reichskriegsministerium und das Reichsfinanzministerium. Das Deutsche Reich hat keine verantwortlichen R. und kein Gesamt-Reichsministerium, sondern nur den Reichskanzler (s. d.) als den alleinigen verantwortlichen Reichsminister. Verschiedene Anregungen und Versuche, ein kollegiales Reichsministerium und verantwortliche Ressortminister für das Deutsche Reich einzuführen, waren ohne Erfolg.

Reichsoberhandelsgericht, der durch Bundesgesetz vom 12. Juni 1869 als "Bundesoberhandelsgericht" zunächst für den Norddeutschen Bund ins Leben gerufene und nachmals für das Deutsche Reich fungierende gemeinsame oberste Gerichtshof für Handelssachen in Leipzig. Die Errichtung des Reichsgerichts auf Grund des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 27. Jan. 1877 bezeichnet das Ende des Reichsoberhandelsgerichts. Die Entscheidungen des letztern wurden von den Räten desselben herausgegeben (Erlang. 1871 ff.).

Reichspanier, s. Banner.

Reichspartei (Deutsche R.), Bezeichnung der freikonservativen (gemäßigt konservativen) Partei im Reichstag. Die R. steht als nach rechts und links vermittelndes Bindeglied zwischen der deutschkonservativen und der nationalliberalen Partei. Die Zahl ihrer Mitglieder betrug 1888: 39 (s. Reichstag, S. 688).

Reichspatentamt, s. Patent.

Reichspfennigmeister, s. Römermonat.

Reichspostamt, s. Beilage Reichsbehörden IX.

Reichsprüfungsinspektoren, s. Textbeilage Reichsbehörden II, 4)

Reichsrat, in Österreich die Volksvertretung für den cisleithanischen Teil der Monarchie; in Bayern die erste Kammer des Landtags, auch persönlicher Titel der Mitglieder derselben; in Rußland die oberste Behörde der Staatsverwaltung.

Reichsratsländer heißen in Österreich die im R. vertretenen Königreiche und Länder Cisleithaniens.

Reichsrayonkommission, s. Festungsrayon.

Reichsregiment, Name der im 16. Jahrh. vom deutschen Reichstag eingesetzten Behörden welche während der Abwesenheit der Kaiser Maximilian I. und Karl V. das Reich regieren sollten; 1500 und 1521 wurde ein R. eingesetzt, hatte aber beidemal nur kurzen Bestand. Vgl. Deutschland, Geschichte, S. 862 und 864.

Reichsritterschaft (Reichsfreie, freie Ritterschaft), im ehemaligen Deutschen Reich ein Verein adliger Reichsglieder, die, ohne auf den Reichstagen Sitz und Stimme zu haben, dem Kaiser und Reich unmittelbar unterworfen waren und in ihren eignen Landen, in Schwaben, Franken und am Rhein, viele den übrigen Ständen des Reichs gleiche Rechte besaßen. Die R. teilte sich in den fränkischen, schwäbischen und rheinischen Ritterkreis, und jeder dieser Kreise zerfiel wieder in Kantone oder Orte. Zur Leitung der Geschäfte hatte jeder Ritterkreis einen Direktor und alle drei zusammen ein Generaldirektorium, welches bei den drei Kreisen umwechselte. Jeder Kanton hatte seinen Ritterhauptmann und gewisse ihm zugegebene Ritterräte, Ausschüsse und Syndiken sowie seine besondern Kanzleien und Archive. Die R. zahlte weder Reichs- noch Kreissteuern noch Beiträge zum Kammergericht. Dagegen lieferte sie dem Kaiser seit 1528 statt der frühern persönlichen Dienste bei besondern Veranlassungen sogen. Charitativgelder (subsidia charitativa), die sie von ihren Unterthanen erhob. Auf ihren Besitzungen stand den Reichsrittern eine der Landeshoheit ähnliche Regierungsgewalt, insbesondere auch die Gerichtsbarkeit erster und zweiter Instanz und der Blutbann, zu. Die Appellation ging von ihren Behörden unmittelbar an die Reichsgerichte. Durch die Aufnahme von Neuadligen in die R. entstand der Unterschied zwischen Realisten und Personalisten (die nur für ihre Person dazu gehörten). Auch zog der Verlust oder die Veräußerung des reichsunmittelbaren Grundbesitzes den Verlust der persönlichen Reichsunmittelbarkeit nicht nach sich. Die Umwälzungen im Anfang des 19. Jahrh. führten den Untergang der R. herbei. Durch die Abtretung des linken Rheinufers an Frankreich gingen die beiden Kantone Ober- und Niederrhein verloren. Die übrigen reichsritterschaftlichen Gebiete wurden von den Fürsten, in deren Ländern sie lagen, in Besitz genommen, und bei Stiftung des Rheinbundes und Auflösung des Reichs (1806) war überall ihre Mediatisierung vollendet. Vgl. Roth v. Schreckenstein, Geschichte der ehemaligen freien R. (Tübing. 1859-62, 2 Bde.).

Reichsschatzamt, oberste Finanzverwaltungsbehörde des Deutschen Reichs in Berlin, hervorgegangen aus der Finanzabteilung des vormaligen Reichskanzleramtes, geleitet von einem Staatssekretär (Reichsschatzsekretär). Zu seinem Geschäftskreis gehören: das Etats, Kassen- und Rechnungswesen, die Münz-, Reichspapiergeld- und Reichsschuldenangelegenheiten, die Verwaltung des Reichsvermögens, soweit dieselbe nicht von andern Ressorts geführt wird, und die Bearbeitung der Zoll- und Steuersachen. Ein besonderes Zoll- und Steuerrechnungsbüreau ist mit dem R. verbunden, über welches die Abteilung des preußischen Finanzministeriums für die Verwaltung der indirekten Steuern die Aufsicht führt. Über die von dem R. ressortierenden Behörden s. Textbeilage Reichsbehörden V.

Reichsschatzbillets nennt man die in Rußland seit 1849 und im Krimkrieg ausgegebenen verzinslichen Schatzscheine (s. d.).

Reichsschiffsvermessungsamt, s. Schiffsvermessung.

Reichsschluß, s. Reichsgesetze.

Reichsschulden. Das Reichsschuldenwesen (s. Deutschland, S. 840) wird von der preußischen Verwaltung der Staatsschulden verwaltet, welche in dieser Eigenschaft die Bezeichnung Reichsschuldenverwaltung führt. Die obere Leitung steht dem Reichskanzler zu. Außerdem ist die Reichsschuldenverwaltung unter die Kontrolle einer Reichsschul-^[folgende Seite]