Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

699

Reinick - Reinkens.

wurde. Als Übergang von der Kritik der reinen Vernunft, welcher er in seiner "Neuen Theorie des Vorstellungsvermögens" das fehlende Fundament oder "ein solches Prinzip, aus dem sich die ganze (theoretische und praktische) Philosophie herleiten ließe", zu geben versuchte, zu Fichtes Wissenschaftslehre, der in dem Satz: "Ich = Ich" ein solches aufstellte, ist R. für die Geschichte der nachkantischen Philosophie wissenschaftlich, durch seine hinreißende Beredsamkeit und seinen liebenswürdigen reinen Charakter persönlich von großer Bedeutung gewesen. Vgl. Fries, R., Fichte und Schelling (Leipz. 1803); E. Reinhold, K. L. Reinholds Leben und Wirken (Jena 1825); Keil, Wieland und R. (Leipz. 1885).

2) Ernst, Sohn des vorigen, geb. 18. Okt. 1793 zu Jena, seit 1822 Privatdozent an der Universität zu Kiel, seit 1824 Professor der Logik und Metaphysik zu Jena, wo er 17. Sept. 1855 starb. Von seinen zahlreichen philosophischen Schriften sind die historischen: "Geschichte der Philosophie nach den Hauptmomenten ihrer Entwickelung" (Gotha 1828-30, 2 Bde.; 4. Aufl., Jena 1854, 3 Bde.), "Lehrbuch der Geschichte der Philosophie" (das. 1836, 3. Aufl. 1849) als von dauerndem Wert hervorzuheben.

3) C., Pseudonym, s. Köstlin 1).

Reinick, Robert, Maler und Dichter, geb. 22. Febr. 1805 zu Danzig, war erst Schüler von Begas in Berlin, ging dann nach Düsseldorf und von da nach Italien und ließ sich später in Dresden nieder, wo er 7. Febr. 1852 starb. Als Maler und Dichter zugleich trat er mit seinen "Drei Umrissen nach Holzschnitten von A. Dürer mit erläuterndem Text und Gesängen" (Berl. 1830) auf; später gab er mit Kugler das "Liederbuch für deutsche Künstler" (das. 1833 u. öfter, mit Kupfern) heraus. Die frischen, sinnigen und liebenswürdigen "Lieder eines Malers mit Randzeichnungen seiner Freunde" (Düsseld. 1838, neue Ausg. 1852), welche 31 Originalradierungen von R. und andern Künstlern der Düsseldorfer Schule enthalten, trugen Reinicks Ruf in weitere Kreise. Mit Richter verband er sich zur Herausgabe von Hebels "Alemannischen Gedichten", die er ins Hochdeutsche übertrug (Leipz. 1851); zu Rethels "Totentanz" dichtete er die Verse. Seine "Lieder" erschienen gesammelt Berlin 1844 (5. Aufl., mit Biographie von Auerbach, 1863). Bei der einfachen Natürlichkeit und Kindlichkeit seiner Muse war er ein trefflicher Dichter für die Jugend, wie sein "Illustriertes ABC-Buch" (Leipz. 1845, 4. Aufl. 1876) und der "Deutsche Jugendkalender" (das. 1849 ff.) beweisen. Nicht minder trefflich sind sein Märchen "Die Wurzelprinzessin" (Leipz. 1848) und seine "Lieder und Fabeln für die Jugend" (das. 1849). Seine "Dichtungen für die Jugend" erschienen gesammelt (8. Aufl., Leipz. 1886).

Reinickendorf, Dorf im preuß. Regierungsbezirk Potsdam, Kreis Niederbarnim, an der Linie Berlin-Stralsund der Preußischen Staatsbahn, hat (1885) 7216 meist evang. Einwohner.

Reinigung, monatliche, s. Menstruation.

Reinigungen, religiöse Handlungen, welche bei den Völkern des Altertums, namentlich bei den Hebräern und Ägyptern sowie bei den Griechen und Römern, auf verschiedene Weise vollzogen zu werden pflegten. Gegenstände der Reinigung waren Menschen, Tiere, Tempel, öffentliche Plätze etc., Reinigungsmittel neben Gebeten vornehmlich das Wasser, außerdem das Feuer und das Blut der Opfertiere. Eine wichtige Stelle nahmen die R. besonders auch in den Mysterien ein. Städte, Tempel, Plätze und andre öffentliche Orte mußten der Reinigung unterworfen werden, sobald sie durch Handlungen der Menschen, unreine Tiere etc. verunreinigt worden waren. Menschen aber lag dann insbesondere die Reinigung ob, wenn sie mit unreinen Gegenständen, vorzugsweise mit Leichnamen, in Berührung gekommen waren. Dann wurden auch Verbrechen, namentlich der Mord, mit Opferblut und Wasser, besonders Salzwasser, getilgt und gesühnt. Eine reinigende Wirkung für den Staat schrieb man bei den Griechen auch der Vollstreckung des Todesurteils an Verbrechen zu. Der Mosaismus, welcher neben der sittlichen Reinheit auch die physische des Menschen bezweckte, enthielt viele Reinigungsvorschriften, die während der Dauer des Opferkultus sowie im 1. und 2. Jahrh. n. Chr. streng befolgt wurden. Vorheriges Waschen und Baden war für das Betreten des Gotteshauses allen, besonders aber für religiöse Funktionen den Priestern, vorgeschrieben. Die Unreinheit wurde verursacht: 1) durch das Berühren von Leichen, Leichnamknochen, von den acht Arten des kleinen Getiers (scherez), wie z. B. Eidechsen, dann durch einen Unreinen, welcher Gegenstände oder Menschen anfaßte; 2) durch den Aussatz an Menschen, Kleidern und Häusern; 3) durch Ausflüsse (Pollutionen, Koitus, Menstrualblut, Wochenfluß, krankhafte Ausflüsse aus den Geschlechtsteilen). Je nach der Schwere der Verunreinigung gab es verschiedene Grade und Dauer der Unreinheit. Der Unreine durfte weder opfern und Opferteile essen noch den Tempel betreten. Die Reinigung wurde bei der Totenverunreinigung durch Besprengen mit dem Entsündigungswasser auf den Unreinen, den Raum und das Bett, in welchem der Tote gelegen, am 3. und 7. Tag vorgenommen. Bad und Kleiderwäsche bildeten hier und bei den unter 2) genannten Unreinheiten den Schluß des Reinigungsaktes. Zur Zeit des zweiten jüdischen Staatslebens bildeten die höhern Reinheitsgesetze einen integrierenden Teil der Vorschriften des Chaberbundes, in dem nach dieser Richtung hin sich besonders die Pharisäer hervorthaten. Auch die Essäer zeichneten sich durch fleißiges Waschen und Baden aus. Die Mischna und auch der Talmud geben die nähern Bestimmungen der mosaischen Reinigungsgesetze. Bis auf unsre Tage blieben die Gesetze über Wochenfluß, Menstruation, krankhafte Ausflüsse, die Reinigung nach dem Anfassen der Leiche, nach dem Verweilen auf dem Friedhof und die Vorschrift, daß der dem Priestertum angehörende Israelit (Kohen) sich nicht an Leichen verunreinige, u. a. bestehen.

Reinigungseid, s. Eid, S. 367.

Reinigungshieb, s. Läuterungshieb.

Reinkens, Joseph Hubert, kathol. Theolog und Bischof, geb. 1. März 1821 zu Burtscheid bei Aachen, war eine Zeitlang Fabrikarbeiter an letzterm Ort, ehe er seine Gymnasialstudien antreten konnte, um sich hierauf in Bonn dem Studium der Theologie und Philosophie zu widmen. Nachdem er 1850 in München Doktor der Theologie geworden, habilitierte er sich in Breslau und wurde 1853 außerordentlicher, 1857 ordentlicher Professor. In dem 1860 zwischen Bischof Förster und Professor Baltzer ausgebrochenen Konflikt stand er auf der Seite des letztern; dafür verhängte der erstere infolge der Schrift "Papst und Papsttum nach der Zeichnung des heil. Bernhard" (Münst. 1870) eine Disziplinaruntersuchung über den Verfasser. Mit Döllinger und andern Gesinnungsgenossen entwarf dieser nun 26. und 27. Aug. 1870 die Nürnberger Erklärung gegen das vatikanische Konzil und widmete sich seitdem ganz der Sache der Altkatholiken (s. d.), welche ihn im Juni