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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Rheinprovinz

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Rheinprovinz (Bevölkerung, Erwerbszweige).

Rheinberger Kanal und der Spoygraben bei Krefeld). Das Klima ist in der Tiefebene sowie in den Thälern des Berglandes sehr mild; die jährliche Durchschnittswärme beträgt zu Kleve 9, zu Boppard, Krefeld und Trier 9,38-10 zu Köln 10,11, dagegen zu Neunkirchen nur 8,64 und auf den höchsten Teilen der Eifel und des Hohen Venn nur 5-6° C.; die jährliche Regenmenge im S. 45-70, im N. bis 80 cm. Auf dem Hohen Venn gibt es vielfach Nebel und im Winter große Schneemassen.

Die Bevölkerung betrug 1885: 4,344,527 Seelen (161 auf 1 qkm) und ist im Regierungsbezirk Düsseldorf am dichtesten (320 auf 1 qkm); sie hat seit 1880 um 6,64 Proz. zugenommen. Nach der Konfession unterschied man 1885: 3,115,994 Katholiken (71,7 Proz.), 1,171,398 Evangelische (27 Proz.) und 45,405 Juden. Die Einwohner sind der Mehrzahl nach Deutsche; nur in Malmedy und dessen Umgegend wohnen etwa 10,000 Wallonen mit französischer Sprache. 1885 zählte man in der R. 31,454 Reichsausländer. Von der Gesamtfläche der R. entfallen auf das Ackerland, Gärten und Weinberge 46,8, die Wiesen 7,7, die Weiden 9,7, die Holzungen 30,8 Proz. Der Getreidebau deckt nicht ganz den Bedarf der Provinz. Garten- und Obstbau sind im Tiefland von größter Wichtigkeit, der Weinbau auch in den Thälern des Berglandes. Von Fabrikpflanzen werden Zuckerrüben, Tabak (1886/87 Ertrag 1029 Ton.), Hopfen, Flachs, Hanf und Raps gebaut. Die Waldungen nehmen in mehreren Kreisen des Berglandes 40-50 Proz. und selbst noch mehr von der Gesamtfläche in Anspruch. Die Laubhölzer überwiegen die Nadelhölzer; vielfach aber fehlt auch der Hochwald, da in früherer Zeit die Waldverwüstung, besonders auf der Eifel, große Waldflächen vernichtet hatte. Eichenschälwaldungen gibt es an der Mosel in den für den Weinbau nicht geeigneten Lagen. Nach der Viehzählung von 1883 hatte die R. 149,347 Pferde, 968,480 Stück Rindvieh, 333,731 Schafe, 434,603 Schweine u. 247,312 Ziegen. Zur Hebung der Pferdezucht besteht zu Wickrath im Kreis Grevenbroich ein Landgestüt. Die Rindviehzucht ist sehr bedeutend, dagegen nimmt die Zahl der Schafe mehr und mehr ab. In den Waldungen fehlt es nicht an Rot- und Schwarzwild. In den Wäldern des Hunsrücks und der Eifel trifft man auch noch den Wolf an, der aus den Vogesen und den Ardennen zuweilen herüberkommt. Unter den Fischen gebührt dem Rheinlachs oder Salm der erste Rang, in den zahlreichen Gebirgsbächen ist aber auch die Forelle häufig. Von hoher Wichtigkeit sind die Produkte des Mineralreichs. Steinkohlen werden gefördert an der Ruhr, an der Saar und bei Aachen (1885) 16,121,697 Ton. im Wert von 93¼ Mill. Mk., Eisenerze (936,470 T.) werden hauptsächlich im Regierungsbezirk Koblenz an der Sieg und Wied, Zinkerze (63,735 T.) und Bleierze (152,426 T.) in den Regierungsbezirken Aachen und Köln abgebaut. Die Ablagerung von Bleierzen in dem Knottensandstein des Bleibergs bei Mechernich und Kommers auf der Eifel erscheint unerschöpflich. Noch findet man Braunkohlen in dem Landrücken Ville westlich von Köln, bei Bonn etc., Kupfer-, Mangan- und Vitriolerze, Kalk, Gips, Thon, vulkanische Produkte auf der Eifel (Mühlsteine bei Niedermendig, Traß), Dachschiefer, Basalt etc. An Mineralquellen ist die R. reich; zahlreiche Säuerlinge gibt es auf der Eifel. Die berühmtesten Badeorte sind Aachen und Burtscheid; diesen schließen sich Bertrich im Kreis Kochem, Neuenahr im Ahrthal, Kreuznach und Münster am Stein im Nahethal an. Von mehreren Sauerbrunnen (Apollinarisbrunnen, Heppingen, Roisdorf etc.) wird das Wasser außerdem in Menge versendet.

Was die Industrie und den Gewerbfleiß betrifft, so nimmt die R. darin den ersten Platz unter den Provinzen des preußischen Staats ein. Vorzüglich konzentriert ist die Industrie in dem rechtsrheinischen Teil abwärts bis zur Emscher, sodann auf der linken Rheinseite in Köln, in der Gegend zwischen Krefeld und Aachen u. in der Südspitze; sie fehlt dagegen fast ganz auf der Höhe des linksrheinischen Berglandes und in der Nordspitze. An Roheisen (teilweise aus Erzen von Luxemburg und Lothringen) wurden 1885: 1,156,626 Ton. (vorzüglich im Bereich der Steinkohlengebiete) im Wert von 51⅗ Mill. Mk., an Blei 46,821 T. im Wert von 9 6/7 Mill. Mk., an Zink 36,243 T. im Wert von 10 Mill. Mk., an Schwefelsäure 53,505 T. im Wert von 2 Mill. Mk. in den Hüttenwerken gewonnen. Großartige Eisenwerke gibt es zu Essen, wo die Gußstahlfabrikation sich Weltruf erworben hat, zu Oberhausen, Duisburg. Düsseldorf, Köln, Deutz, Eschweiler, Neunkirchen, Quint bei Trier etc. Die Kleineisen- und Stahlwarenfabrikation hat sich im bergischen Land großartig entwickelt, und die Städte Solingen und Remscheid machen hierin England erfolgreich Konkurrenz. Die verschiedensten Eisenbleche liefert Dillingen an der Saar, Nadeln aller Art die Schwesterstädte Aachen und Burtscheid, Messingbleche und Messingplatten Stolberg. In der Tuch- und Buckskinfabrikation nehmen Aachen und Burtscheid die erste Stelle in Deutschland ein und arbeiten für den Weltmarkt; sonst wird dieselbe noch in der R. zu Eupen, Düren, Lennep, Werden, Kettwig etc. betrieben. Krefeld ist der Hauptsitz der deutschen Seidenindustrie, die außerdem noch in Verbindung mit der Erzeugung von Samtwaren u. halbseidenen Stoffen in Viersen, Rheydt, Elberfeld, Barmen, Hilden, Mülheim a. Rh. etc. blüht. Große Baumwollspinnereien findet man in Köln, München-Gladbach, Duisburg etc. Daselbst ist auch die Fabrikation von baumwollenen Stoffen im Schwange, deren eigentlicher Mittelpunkt jedoch im Wupperthal zu Elberfeld und Barmen ist, woselbst auch die Türkischrotfärbereien von großer Wichtigkeit sind. Weißwaren werden in Neuß gefertigt, Vortreffliche Leinwand in den Kreisen Gladbach und Grevenbroich. Die Gerbereien zu Malmedy, St. Vith u. a. O. liefern vorzügliches Leder. Glashütten sind namentlich im Bereich des Saarkohlengebiets, ferner zu Stolberg bei Aachen. Steingut und Fayence werden an verschiedenen Orten gemacht, zu Mettlach an der Saar auch Fliesen und Mosaikfußböden von ausgezeichneter Güte. In Trier werden die Steine für ganze Kirchen in gotischem Stil zugehauen und auf der Mosel verschifft. Für die Papierfabrikation sind die Kreise Düren und Jülich an der Roer sowie die Stadt Bergisch-Gladbach, für die Fabrikation von Chemikalien (Farben) die Stadt Duisburg und die Ruhrgegend sowie die Umgegend von Aachen von Wichtigkeit. Ferner gibt es in der R. Schaumweinfabriken bei Koblenz, große Seifensiedereien, Rübenzuckerfabriken (1886/87 Produktion 43,662 Ton. Rohzucker) und Zuckerraffinerien, zahlreiche Bierbrauereien (Produktion 2,936,100 hl Bier) und Branntweinbrennereien, Fabriken von wohlriechendem Wasser (Köln) etc. Der Handel ist sehr bedeutend und wird durch ein vortreffliches Straßennetz, das seine erste Grundlage zur Zeit der französischen Herrschaft erhalten hat, durch die schiffbaren Flüsse und die sehr zahlreichen Eisenbahnen gefördert. Schiffbare Flüsse sind: der Rhein, die Mosel, Saar, Lahn, Ruhr und Lippe. Als die wichtig-^[folgende Seite]