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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Richelieu

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Richelieu (Fluß, Stadt, Personenname).

und eine gesicherte Stellung verschaffte. Süßlich und sentimental in allem, was er schreibt, scheint er kein höheres Ziel zu kennen, als seinen Leserinnen Thränen der Rührung zu entlocken, während er die Männer durch chauvinistische Zuthaten gewinnt. Im übrigen vertritt er eine gesunde Moral, und der Einfluß seiner Romane, welche durch das "Petit Journal" allgemeine Verbreitung fanden, kann im Vergleich zu andern sogen. Volksschriften eher ein heilsamer genannt werden. Erwähnt seien von seinen Werken nur: "L'homme aux lunettes noires" (1864); "Récits devant l'âtre" (1867); "Francs-tireurs de Paris" (1872); "L'enfant du faubourg" (1876); "Soirées amusantes" (1878); "Les deux mères" (1880).

Richelieu (spr. rischelu), Abfluß des Champlainsees (s. d.) in Nordamerika, mündet nach 130 km langem Lauf bei Sorel in den St. Lorenzstrom. Seine Stromschnellen bei Chambly werden durch einen Kanal umgangen, so daß er bis in den See hinauf befahren werden kann.

Richelieu (spr. rischljöh), Stadt im franz. Departement Indre-et-Loire, Arrondissement Chinon, an der Lokalbahn Ligré-Rivière-R., mit (1881) 2320 Einw., welche Handel mit Getreide, Öl, Wein, Früchten etc. treiben. R. war früher ein Dorf mit einem der Familie Duplessis gehörigen Schloß; Kardinal Richelieu erhob es zur Stadt und baute daselbst ein prächtiges Schloß, das in der Revolution zerstört wurde.

Richelieu (spr. rischljöh), 1) Armand Jean Duplessis, Herzog von, berühmter franz. Staatsmann, geb. 5. Sept. 1585 zu Paris, aus einer Adelsfamilie des Poitou, Sohn eines Gardekapitäns Heinrichs IV., verließ, um seinem Haus das Bistum Luçon zu retten, die militärische Laufbahn früh wieder und trat in den geistlichen Stand. Bereits in einem Alter von 22 Jahren ward er Bischof von Luçon. 1614 von der Geistlichkeit von Poitou als Deputierter zu der Versammlung der Generalstaaten abgeschickt, setzte er sich bei der Regentin Maria von Medici und dem Marschall d'Ancre in Gunst und wurde 1615 zum Almosenier der Königin-Mutter und 1616 zum Mitglied des Staatsrats erhoben, in dem er als Staatssekretär das Departement des Kriegs und des Auswärtigen versah. Nach dem Fall des Günstlings mußte er 1617 in sein Bistum zurückkehren und später Avignon zu seinem Aufenthaltsort nehmen, wo er sich geistlicher Schriftstellerei widmete und die "Défense des principaux points de la foi catholique" und die "Instruction du chrétien" veröffentlichte, die viel gelesen wurden. 1619 behufs der Friedensstiftung zwischen der Partei der Königin-Mutter und des Königs wieder an den Hof gerufen, brachte er den Frieden von Pont-de-Cé 10. Aug. 1620 zu stande. 1622 wurde er zum Kardinal ernannt. Nach dem Tod Luynes' 1624 berief ihn Vieuville auf Wunsch Marias in den Staatsrat, und nach dessen Abdankung und Verbannung ward er Haupt des Staatsrats und bei der Schwäche und Unfähigkeit des Königs Leiter der französischen Regierung. 18 Jahre hat er Frankreich regiert. Seine äußere Politik lief darauf hinaus, Frankreich durch Schwächung der spanisch-österreichischen Macht zur ersten Macht Europas zu erheben; seine innere erstrebte vornehmlich die Konzentration aller politischen Gewalt in der Krone. Zu diesem Zweck mußte er die Macht der eigennützigen Großen brechen und die politische Sonderstellung der Hugenotten beseitigen. Mit Mut und Ausdauer verfolgte er sein Ziel, unterstützt von dem gleichgesinnten Franz Leclerc du Tremblay, genannt Pater Joseph, aber fortwährend behindert durch das Mißtrauen und die Eifersucht des Königs, und scheute kein Mittel, so hart und grausam es war, um den Adel zu demütigen. Wiederholt hatte er mit Verschwörungen der Edelleute zu kämpfen, an denen die nächsten Verwandten des Königshauses, die Königinnen Maria und Anna sowie der Herzog von Orléans, teilnahmen, die R. aber stets durch rasche, blutige Energie zu unterdrücken wußte. 1627 ließ sich R. von einer Notabelnversammlung zum Oberaufseher des Seewesens machen, stellte ein Heer und eine Flotte her und vernichtete durch die Einnahme der Festung La Rochelle (28. Okt. 1628) die politische Macht der Hugenotten, während er in religiöser Hinsicht ihnen keinerlei Fessel anlegte. Im mantuanischen Erbfolgestreit (1629-31), bei welchem der Herzog von Nevers, ein französischer Vasall, beteiligt war, überschritt R., der am 21. Nov. 1629 zum ersten Minister ernannt worden, 1630 selbst als Generalissimus an der Spitze eines Heers die Alpen, eroberte Pignerol und erlangte im Frieden von Cherasco (6. April 1631) Mantua für Revers und die Räumung des Veltlin seitens der Kaiserlichen, denen er durch sein Bündnis mit Gustav Adolf auch in Deutschland Schwierigkeiten bereitete. Alle Versuche der auf seine Macht eifersüchtigen Königin-Mutter, durch unaufhörliche eindringlich Vorstellungen den König zur Entlassung Richelieus zu bestimmen, scheiterten an der Macht, die dessen persönliches Erscheinen stets wieder über Ludwig ausübte. Maria, bereits des Siegs gewiß, sah sich nach einer Unterredung Richelieus mit dem König plötzlich von allen verlassen (journée des dupes, 11. Nov. 1630). Nun zog R., der zum Pair, Herzog und Gouverneur der Bretagne erhoben wurde, viele ihm feindlich gesinnte Große gefänglich ein und ließ sie durch gefügige Gerichtskommissionen zum Tod verurteilen oder des Landes verweisen. Maria und Orléans flüchteten nach Brüssel, und der Versuch eines bewaffneten Einfalls von da scheiterte an dem Sieg Richelieus bei Castelnaudary; hierbei wurde der letzte Montmorency gefangen und 1632 hingerichtet. Daneben verfolgte R. unermüdlich das Ziel der Schwächung Österreichs, dessen Feinde in Deutschland er mit Geld unterstützte, bis er seit 1635 offen am Krieg teilnahm. Zu demselben Zweck erklärte er 1635, nachdem er sich mit der Republik der Vereinigten Niederlande über eine Teilung der spanischen Niederlande vereinigt hatte, Spanien den Krieg. Die Katalonier wurden von ihm gegen Spanien aufgereizt, die Thronbesteigung des Hauses Braganza in Portugal befördert und durch Konspirieren mit den Schotten und den englischen Independenten das traurige Geschick Karls I. von England beschleunigt. Auch gab er der französischen Kolonisation in Amerika und Afrika einen mächtigen Aufschwung. Der König ertrug die Herrschaft des allmächtigen Ministers nur mit Widerwillen. Als aber sein Günstling Cinq-Mars 1642 mit seinem Wissen eine Verschwörung zum Sturz des Kardinals anzettelte und mit Spanien zu diesem Zweck einen geheimen Vertrag schloß, zwang R. Ludwig XIII., die Verschwörer preiszugeben, und ließ Cinq-Mars und de Thou hinrichten. R. starb 4. Dez. 1642, nachdem er dem König den Kardinal Mazarin als Minister empfohlen hatte. Seine Güter vererbte er auf seinen Neffen Armand Jean Wignerod. R. hat den Grundstein zur Macht Frankreichs gelegt. Zwar waren seine Maßregeln drückend, namentlich wuchs unter ihm die Steuerlast; aber anderseits kam die Stärkung der königlichen Gewalt vorzugsweise den untern Ständen zu gute, welche Rechts-^[folgende Seite]