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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Rießling; Riet; Rietberg; Riēti; Rietschel; Rietwurm; Rietz

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Rießling - Rietz.

Vorparlament zu Frankfurt teil. In der Nationalversammlung selbst erschien er als Vertreter des Herzogtums Lauenburg, wurde in den Verfassungsausschuß und zweimal auf kürzere Zeit zum Vizepräsidenten der Versammlung gewählt. Bei der Beratung der Grundrechte des deutschen Volkes verteidigte er mit Eifer die Gleichberechtigung der Juden. Mitglied der Gagernschen Partei, bildete er als begabter Redner bei mehreren der wichtigsten Fragen eine Hauptstütze derselben. Auch war er ein Mitglied der Deputation, welche Friedrich Wilhelm IV. die deutsche Kaiserkrone anbot. Auf dem Unionsreichstag in Erfurt verteidigte er den Liberalismus gegen die Angriffe der Gerlach-Stahlschen Partei. 1857 gab er das Notariat in seiner Vaterstadt auf, wurde aber 1859 als Obergerichtsrat in diese neukonstituierte Behörde gewählt und förderte noch als Vizepräsident der neuen Bürgerschaft den Ausbau der Verfassung; starb 22. April 1863. Vgl. M. Isler, Gabriel Rießers Leben (2. Aufl., Frankf. 1871); E. Lehmann, Gabriel R., ein Rechtsanwalt (Leipz. 1881).

Rießling, s. Weinstock.

Riet, s. Ried.

Rietberg, alte Grafschaft im westfäl. Kreis, jetzt zum preußischen Regierungsbezirk Minden gehörig, stand seit Heinrich II. (gest. 1207) unter einem Zweig des Arnsberger Grafengeschlechts, der 1564 im Mannesstamm erlosch. 1456 kam sie unter hessische Lehnshoheit, 1583 durch Erbschaft an Ostfriesland und nach dem Aussterben des Mannesstamms des friesischen Fürstenhauses 1690 an den Grafen Maximilian von Kaunitz. 1807 ward sie zu gunsten des Königreichs Westfalen mediatisiert, 1815 zur Standesherrschaft unter preußischer Hoheit erhoben, 1823 aber an die Krone Preußen verkauft. Die gleichnamige Stadt daselbst, Kreis Wiedenbrück, an der Ems, hat eine evangelische und eine kath. Kirche, ein Progymnasium, eine Niederlassung des Franziskanerordens, ein Amtsgericht und (1885) 1868 Einw.

Riēti (das Reate der Sabiner), Kreishauptstadt in der ital. Provinz Perugia, am Velino und an der Eisenbahn Terni-Pescara, hat Stadtmauern, eine imposante Kathedrale mit einem Grabdenkmal von Thorwaldsen, ein Stadthaus, ein hübsches Theater, ein Gymnasium und Lyceum, ein Seminar, ein Nationalkonvikt, eine Kommunalbibliothek, Seiden- und Wollmanufakturen, Gerberei, Handel, eine Mineralquelle und (1881) 9618 Einw. R. ist Bischofsitz.

Rietschel, Ernst, Bildhauer, geb. 15. Dez. 1804 zu Pulsnitz in der sächs. Lausitz, kam 1820 in die Kunstakademie zu Dresden und führte schon nach einigen Jahren selbständig eine gegen 2,5 m hohe Statue Neptuns für den Marktbrunnen zu Nordhausen aus, welche in Eisen gegossen ward. 1826 begab er sich nach Berlin, wo sich Rauch seiner besonders annahm, und 1828 gewann er das akademische Stipendium zum Besuch Italiens. Da er aber als Nichtpreuße von der Konkurrenz ausgeschlossen war, so erhielt er auf Empfehlung des Senats den Preis von der sächsischen Regierung ausgezahlt. 1830 besuchte er Italien, ward aber schon im folgenden Jahr zurückgerufen, um in Rauchs Atelier die kolossale sitzende Statue des Königs Friedrich August von Sachsen für Dresden in Angriff zu nehmen (in Bronze gegossen, im Zwingerhof). 1832 wurde er als Professor an die Dresdener Akademie berufen und entfaltete dort eine umfangreiche, schöpferische und Lehrthätigkeit, welche die Dresdener Bildhauerschule begründete. Er starb 21. Febr. 1861 in Dresden. Auf der Brühlschen Terrasse ward ihm ein Denkmal von Schilling errichtet. Seine Hauptwerke sind: die Reliefs am Giebelfeld des Augusteums zu Leipzig und in der Aula daselbst der Cyklus von zwölf großen Reliefs, die Hauptepochen der Kulturgeschichte der Menschheit darstellend (1835 bis 1838); die Reliefs in den Giebelfeldern des Dresdener Theaters (s. Tafel "Bildhauerkunst VII", Fig. 3, 1839), die durch dessen Brand 1869 zu Grunde gingen; die Reliefs in dem Giebelfeld des Opernhauses zu Berlin; eine lebensgroße Darstellung Marias, am Leichnam Christi knieend, in der Friedenskirche zu Potsdam (Pietci, 1845); Thaers Statue in Bronze, 1850 in Leipzig, und Lessings Statue, 1853 in Braunschweig enthüllt, ein Meisterwerk realistische Porträtbildnerei (s. Tafel "Bildhauerkunst IX", Fig. 3); eine Reihe dekorative Arbeiten in Sandstein am Neuen Museum zu Dresden; die kolossale Doppelstatue Goethes und Schillers, welche 1857 in Weimar aufgestellt ward; für die Walhalla die Büsten Luthers, des Kurfürsten August II. von Sachsen, Rauchs und andre Reliefporträte; das Lutherdenkmal für Worms, von dem er jedoch nur ein kleines Modell des Ganzen und die Statuen Luthers (s. Tafel "Bildhauerkunst IX", Fig. 4) und Wiclefs vollendete; die Ausführung nach seinem Entwurf übernahmen seine Schüler Donndorf und Kietz. Von seinen kleinern Arbeiten der Genreplastik sind in Abgüssen verbreitet die Reliefs des Christengels, der vier Tageszeiten, der Amoretten auf Panthern etc. R. ist der Hauptvertreter jener Richtung in der Plastik, welche die Idealität mit der treuesten Naturwahrheit zu vereinigen strebt und dadurch die Entwickelung der Bildnerei über Rauch hinausgeführt hat. Seine Hauptwerke sind: Lessing, Luther und die Pietà. Eine Sammlung von Abgüssen seiner Werke ist im R.-Museum in Dresden aufgestellt. Vgl. Oppermann, E. Rietschel (2. Aufl., Leipz. 1873), woraus die "Jugenderinnerungen" 1881 besonders abgedruckt sind.

Rietwurm (Reutwurm), s. Maulwurfsgrille.

Rietz, 1) Julius, Komponist, geb. 28. Dez. 1812 zu Berlin, erhielt den ersten Musikunterricht von seinem Vater, spielte schon in seinem achten Jahr das Violoncello fertig, ward in seinem 16. Jahr Orchestermitglied am Königsstädter Theater, dann Cellist in der Hofkapelle, 1834 Musikdirektor an dem neuerrichteten Stadttheater in Düsseldorf und ein Jahr später an seines Freundes Mendelssohn Stelle städtischer Musikdirektor daselbst. 1847 zum Kapellmeister am Stadttheater in Leipzig ernannt, wurde er 1848 zugleich Lehrer der Komposition am dortigen Konservatorium und Dirigent der Gewandhauskonzerte, denen er von 1854 an, nachdem er das Theater verlassen, seine ganze Thätigkeit widmete. 1860 wurde er als Hofkapellmeister nach Dresden berufen, wo er 1870 zum artistischen Direktor des Konservatoriums und 1874 bei Gelegenheit seines 40jährigen Künstlerjubiläums zum sächsischen Generalmusikdirektor ernannt wurde. Er starb, kurze Zeit nach seiner Pensionierung, 12. Sept. 1877 in Dresden. Was seine Kompositionen anlangt, so entstanden schon in Berlin verschiedene Instrumental- und Klavierwerke, Streichquartette und Musiken zu Holteischen Singspielen und Dramen. In die Düsseldorfer Zeit fallen die begleitende Musik zu Immermanns Bearbeitungen von klassischen Stücken, z. B. zu Goethes "Faust", Calderons "Richter von Zalamea" und Tiecks "Blaubart", die populär gewordene A dur-Konzertouvertüre, die zu "Hero und Leander, eine Lustspielouvertüre", der "Altdeutsche Schlachtgesang", die "Dithyrambe", die G moll-Symphonie, eine Anzahl von Liedern sowie ein Cyklus von sechs Psalmen für Altstimme.