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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Schwarzes Meer

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Schwarzes Meer.

Schwarzes Meer (im Mittelalter Pontus Euxinus, bei den Russen Tschernoje more, bei den Neugriechen Mauri Thalassa, bei den Türken Kara Degniz genannt), ein fast abgeschlossenes, einem Landsee sich näherndes Binnenmeer, das im W. die Ostküsten der europäischen Türkei (mit Ostrumelien und Bulgarien), Rumäniens und das russische Gouvernement Bessarabien, im N. die neurussischen Gouvernements Cherson, Taurien und Jekaterinoslaw, im O. die transkaukasischen Länder und im Süden Kleinasien bespült (s. die Karten "Länder des Mittelmeers" und "Rußland"). Es steht im äußersten Südwesten durch zwei schmale, flußartige Meerengen, die Straße von Konstantinopel (Thrakischer Bosporus) u. die Straße der Dardanellen (Hellespont), zwischen denen das Marmarameer (Propontis) liegt, mit dem Mittelmeer in Verbindung. Die Größe des Schwarzen Meers mit seiner seichten Fortsetzung im NO., dem Asowschen Meer, beträgt nach Strelbitsky 461,597 qkm (8383 QM., nach Krümmel nur 382,843 qkm), ohne das Asowsche Meer 423,993 qkm (7700 QM.), seine größte Länge von W. nach O. 1187 km und seine größte Breite 613 km. Das Asowsche Meer (s. d.) steht durch die Straße von Kertsch (Kimmerischer Bosporus) mit dem Pontus in Verbindung. Die insellose Wasserwüste des Schwarzen Meers mit den niedrigen, versumpften Gestaden im N. enthält außer der in der Straße von Kertsch durch die Mündungen des Kuban gebildeten Insel Taman nur ein einziges Eiland, die Schlangeninsel, in der Nähe der Donaumündungen. In der einförmigen Küstengestaltung des nördlichen Ufers bringt die Halbinsel Krim (Taurische Chersones), welche durch den schmalen Isthmus von Perekop mit dem Festland zusammenhängt, einige Gliederung hervor. Ihre Westseite bespült das sogen. Tote Meer, die Ostseite das Faule Meer (s. d.). Weiter gegen W. schneidet der Busen von Odessa mit dem Dnjeprliman in das Land. Das Schwarze Meer mit seinen dichten Nebelmassen, nordischen Stürmen, unter Eisdecken erstarrenden Flußmündungen bildet einen Gegensatz zu dem Archipelagus und mußte den Griechen mit Recht als ein Pontos axenos ("unwirtliches Meer"), wie es ursprünglich hieß, erscheinen; erst später, nach der Stiftung zahlreicher Kolonien, wurde der Name in Pontos euxeinos ("gastliches Meer") umgewandelt. Dieses große nach NO. vorgeschobene Glied des Mittelmeers steht in vielfacher Beziehung in direktem Gegensatz zu dem Hauptbecken. Die Gewässer des Schwarzen Meers haben einen geringern Salzgehalt (nur 1,9 Proz.) als jene des Mittelmeers. Während dieses bei dem geringen Zufluß durch einmündende Ströme eine sehr starke Verminderung durch Verdunstung des Wassers erleidet, empfängt das Schwarze Meer (wie die Ostsee) aus den in dasselbe mündenden großen Strömen eine viel bedeutendere Menge süßen Wassers und ist dabei durch seine nordöstlichere Lage einer ungleich geringern Verdunstung ausgesetzt. Donau, Dnjestr, Dnjepr, Don, Kuban, Rion (Phasis) und Kisil Irmak (Halys) führen ihm eine durch Verdunstung nicht zu absorbierende Wassermasse zu, die ihren Abfluß durch die Straße nimmt, welche die aufgestauten Gewässer in vorhistorischer Zeit sich gebrochen haben. Die den Alten schon bekannten furchtbaren Orkane des "ungastlichen Meers" toben alljährlich im Herbst und Winter aus O. und SO. und werden nach Ritters Ansicht hervorgerufen durch das Zusammentreffen der Nordwinde, die aus der Sarmatischen Ebene kommen, sowie der auf dem armenischen Hochland häufig herrschenden Süd- und Ostwinde. Wegen dieser Stürme und des besonders im Winter häufig auftretenden Nebels, nicht wegen seines Wassers, das im Gegenteil infolge des geringern Salzgehalts eine hellere Farbe zeigt, hat das Meer seinen gegenwärtigen Namen erhalten. In den Sommermonaten finden rasche Strömungen statt, welche von den Mündungen der großen Flüsse ausgehen. Die Strömungen des Dnjepr und Dnjestr drängen die aus dem Asowschen Meer kommende, erst nach SW., dann nach NW. und W. gerichtete Strömung nach Süden, vereinigen sich mit der von der Donaumündung kommenden und ergießen sich entweder durch den Bosporus in das Ägeische Meer, oder brechen sich an der kleinasiatischen Küste. Ebbe und Flut sind im Schwarzen Meer kaum bemerkbar. Die Tiefe beträgt an der Nordwestküste nur 70-110 m, steigt an den übrigen Küsten in einer Entfernung von wenigen Meilen auf 1000 m und erreicht im nordöstlichen Becken 1870 m. Ankerplätze finden sich an allen Küsten des Schwarzen Meers. Die Fischerei ist nicht unbedeutend.

Die wichtigsten Ortschaften an der europäisch-russischen Küste sind: der große Handelsplatz Odessa; die im Krimkrieg zum großen Teil zerstörte Festung Sebastopol, Eupatoria, Kaffa oder Feodosia und Kertsch in der Krim; Berdjansk und Taganrog am Asowschen Meer. An der Ostküste des Schwarzen Meers, in Kaukasien, hat Rußland zu den bisherigen Hafenplätzen Anapa, Suchumkalé und Poti vor einem Jahrzehnt das wichtige Batum erworben. Die wichtigsten türkischen Hafenplätze in Kleinasien sind: Trebisonde (Trapezunt), Sinub (Sinope) und Skutari; an der europäisch-türkischen Küste Konstantinopel. An der Westküste gehört Burgas zu Ostrumelien, Warna zu Bulgarien, Clonstanza ^[richtig: Constanza] und Sulina zu Rumänien. Im internationalen Verkehr liefen 1887 in den Häfen des Schwarzen und Asowschen Meers, soweit sie Rußland gehören, 5434 Schiffe mit 3,773,202 Ton. ein, davon kamen auf die Häfen des europäischen Rußland 4310 mit 3,205,778 T.; im Küstenverkehr 20,341 mit 5,215,346 T., davon kamen 17,794 mit 4,025,325 T. auf die Häfen des europäischen Rußland (fast die Hälfte Dampfer). Von jeher hatte die Pforte die Einfahrt durch die Dardanellen und den Bosporus fremden Kriegsschiffen in Friedenszeiten verboten. Nachdem sie sich 1833 Rußland gegenüber in einem geheimen Vertrag verpflichtet hatte, so oft es Rußland verlange, die Dardanellen den Kriegsschiffen jeder andern Nation zu verschließen, setzten die Großmächte 13. Juli 1841 in einem Vertrag zu London fest, daß beide Meerengen ebenso den russischen Kriegsschiffen verschlossen sein sollten. Auch der Pariser Friede vom 30. März 1856 bestätigte diese Abmachung, und durch eine Konvention verpflichteten sich Rußland und die Türkei, nur je 10 Schiffe, darunter 6 Kriegsdampfer, im Schwarzen Meer zu halten. Von letzterer Bestimmung sagte sich 31. Okt. 1870 Rußland los und erreichte auf der Pontuskonferenz in London (22. Jan. bis 13. März 1871) die Zustimmung der Großmächte, daß es im Schwarzen Meer Kriegsschiffe in beliebiger Anzahl halten dürfe. Dagegen blieb die Durchfahrt durch beide Meerengen auch ferner von der Zustimmung der Pforte abhängig. Vgl. Taitbout de Marigny, Hydrographie de la Mer Noire, etc. (Triest 1856); Bruhn, Das Bassin des Schwarzen Meers (Odessa 1880, russisch); M. Lituvinow, Das Schwarze Meer, ein kriegsstatistischer Überblick (St. Petersb. 1881, russisch); v. Schweiger-Lerchenfeld, Zwischen Donau und Kaukasus (Wien 1886); Luksch und Wolf, Das Schwarze Meer (in "Deutsche Rundschau für Geographie und Statistik", das. 1886).